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Ein strahlend blauer Morgen ließ dem obersten Gerichtsgebäude der Provinz Kaamos gleißende Lichtschächte entwachsen. Stolz erhoben sich die konischen Säulen an der Front des Gebäudes und rahmten das schwere Portal gebieterisch ein. Touristengruppen wurden mehrmals am Tag hier vorbeigeführt, denn es war eines der ältesten der ehrwürdigen Gebäude in diesem Teil der Provinz und architektonisch ein Edelstein. Auch der gepflasterte Platz mit dem Brunnen davor war eine eigene Sehenswürdigkeit, denn der Brunnen besprengte die Hände des größten und angesehensten Richters, den Kaamos gekannt hatte, Kieth Vanderbilt, symbolisch mit Wasser als Zeichen dafür, dass er seine Hände zeitlebens in Unschuld gewaschen hatte. Wurde ein neuer Richter in sein Amt erhoben, dann war es Teil der Ernennungszeremonie, seine Hände in die hohlen Hände der Brunnenstatue zu legen und dabei Recht und Gerechtigkeit zu schwören.
Das, was heute behandelt wurde war eine Sache, von der die meisten Bürger vielleicht gar nichts gewusst hatten. Es würde über einen Deserteur, der gefasst worden war gerichtet werden. Der große Aufzug war der Tatsache geschuldet, dass es sich nicht um einen einfachen Soldaten, sondern um einen Sith handelte, einem Teil des glorreichen Imperiums, einem Teil der Gesellschaft der Herrscher, der Mächtigen. Dass sich ein Teil abspalten könnte, um seinen niederen Gelüsten statt der Alleinherrschaft der Sith über die Galaxis nachzustreben war eine Ungeheuerlichkeit. Und zweifelsohne würde den Delinquenten ein scharfes, gerechtes Urteil erwarten.
Hinter einer großen, getäfelten Türe war der Gerichtssaal. Es war eine öffentliche Verhandlung, denn Fahnenflucht sollte öffentlich geahndet werden, um die Scham und die Schande, die auf dem Angeklagten lägen zu mehren. Alle Plätze im Publikumsbereich waren belegt, außerdem waren fünf Zeichner der Presse anwesend, um entscheidende Momente gemalt festzuhalten. Noch waren die drei erhöhten Plätze, auf denen die Richter platznehmen würden leer und man war allgemein in Unterhaltungen vertieft. Nicht nur regelmäßige Besucher des Gerichtes waren hier vertreten, sondern auch Tutoren mit ihren Schülern und Dozenten mit ihren Studenten, dass Lernfortschritt in der Materie erzielt würde.
Die Zeugenplätze wurden von imperialen Offizieren und Zeugen, die für diesen Fall hinzugezogen worden waren belegt. Zwei junge Männer in Anzügen, die sich in ihren Klamotten unwohl zu fühlen schienen saßen etwas steif auf ihren Stühlen, sich unsicher umsehend; und eine Alte, deren Mimik verriet dass sie gesonnen war, nötigenfalls den gesamten Gerichtssaal inklusive Mobiliar in Grund und Boden zu meckern. Ihre von den Sonnen Tatooines und der Arbeit unter ihnen dunkel gewordenen Hände ruhten auf dem Knauf eines Gehstocks, der deutliche Gebrauchsspuren entlang des Schaftes zeigte. Welche Bedrohungen sie damit abgewehrt und wie viele Züchtigungen und Temperamentsausbrüche er bereits ausgeteilt hatte ließ sich nur schwer an den vielen Kerben und Dellen abschätzen. Doch immer, wenn sie ungeduldig damit klopfte, was hin und wieder geschah, setzten sich die beiden männlichen Zeugen kerzengerade hin.
Dann öffnete sich eine Türe seitlich der erhöhten Plätze und der Gerichtsschreiber nahm seinen Platz ein, um sich auf seine Aufgabe vorzubereiten. Die Gespräche wurden eingestellt und diese erwartende Stille, die gern von einem Räuspern und Husten unterbrochen wird trat ein. Nachdem nun Schreiber, Zeugen, Pressemaler und auch das nötige Sicherheitspersonal sowie ein Vertreter der Sith, der ein waches Auge auf Machtanwendung haben sollte an ihren Plätzen waren wurde die anwesende Gesellschaft gebeten, sich zu ehren der drei Richter zu erheben. Der Hauptrichter war ein schlaksiger, großer Mann mit schütterem Haar, hoher Stirn und blitzenden Augen. Ein würdiger Bart zog sich über seinen Kiefer und Oberlippen, ein gern gesehenes Zeichen für die Anhänglichkeit an die alten Bräuche. Seine begleitenden Richter waren kleiner als er, trugen ähnliche Bärte und waren von ihrer Verantwortung gebeugte Gestalten. Nun wurde nicht mehr gehustet und nach einer Ordnung der Dokumente und einem Nicken zum Schreiber wurde endlich der Angeklagte hereingebeten.