Elektrische Gedanken

  • Nar Shaddaa, irgendwo am Rand des Nikto-Sektors.


    Es war eine der vielen Marktgassen. Buden und Stände drängten sich auf beiden Seiten an die hoch aufragenden Gebäude. Wenn man nach oben sah, konnte man hoch Oben die rostige Unterseite irgendeiner Landeplattform bewundern.
    Das Treiben zwischen den Ständen war jedoch wesentlich interessanter. Dicht gedrängt schoben sich hier alle möglichen Spezies aneinander vorbei, begutachteten die feilgebotenen Waren oder feilschten mit den Händlern. Hier und da waren alte, mitunter von Rost verkrustete Droiden mit allen möglichen Arbeiten beschäftigt, die ihre Herren nicht selbst machen wollten. Alles in Allem ging Jeder seinen eigenen Angelegenheiten nach und achtete kaum auf das, was um ihn herum geschah.
    So wurde auch jene Gestalt nicht beachtet, die von einer engen Seitengasse aus die Szene betrachtete. Nur ein weiterer Blechkamerad der wohl grade darauf wartet das ihm sein Besitzer einen Befehl gibt.


    Bestimmte Details hätten verraten, das dies eben nicht der Fall ist. Zum Beispiel die relativ neue Lackierung, mit der dieser Droide eigendlich überhaupt nicht ins allgemeine Bild passte, sowie einige andere Dinge, die diese Leute auf eine seltsame Art und Weise nicht wahrnehmen _wollten_. Eine faszinierende Eigenart. Selektive Wahrnehmung. Organische schienen dazu zu neigen, einen Teil der Realität komplett auszublenden um sich auf einen Anderen, bevorzugt den gewohnten, erwarteten Teil davon zu konzentrieren.
    Der Droide entschied sich zu einem Experiment und trat aus der Gasse, hinein in die Menge. Er wurde lediglich zu einem Teil der Menge, nicht wie er erwartet hatte zu einer Art Magnet für diesen ärmeren Teil der Bevölkerung der es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, gewissenhaft jeden am Straßenrand geparkten Gleiter auf Wertsachen oder gar den vom Besitzer vergessenen Schlüssel zu untersuchen...
    Die Möglichkeit das ein Stück wertvoller Technologie, der Optik nach vielleicht sogar fabrikneu zwischen Ihnen herumspazierte schien Ihnen unmöglich zu sein, dem Verstand wie eine Art Bruch der Realität zu erscheinen, den er nicht verarbeiten konnte und daher mit einer Art Schleier gewoben aus Normalität überdeckte. Er mochte das Gesehene vielleicht auch nicht korrekt interpretieren, entschied sich daher zur Sicherheit nach einigen Minuten in die nächste Gasse abzubiegen.


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    Die angestellten Beobachtungen waren Alles in Allem interessant, sie boten gewisse Einsichten, neue Daten zur Analyse sowie eventuell Möglichkeiten die später von Nutzen sein konnten.
    Für den Moment wurde das Beobachtete als selektive Wahrnehmung bezeichnet. Vermutlich eine Art Schutzmechanismus, es wurde zuvor schon von der Kenntnis Gebrauch gemacht, das der Verstand von Organischen nur jeweils einer bestimmten Belastung standhalten konnte. "Sich Etwas vormachen"? Dieser Ausspruch wurde für gewöhnlich in einem anderen Zusammenhang benutzt, war hier jedoch durchaus ebenfalls verwendbar. "Eigene kleine Welt", "Geistige Zuflucht".
    Diese Phrasen schienen nun wesentlich mehr Sinn zu machen. Wörtlich genommen machten sie keinen Sinn, verknüpfte man sie jedoch mit dem Konzept einer unbewusst "gebogenen" Realität zum Schutze des Verstandes, änderte sich das. Es gab im System kein Equivalent hierzu. Die gesamte Sensorik nahm wie ihre organischen Vorbilder (wenn auch in einem größeren Spektrum) Daten auf, filterte sie jedoch nicht, sondern verarbeitete sie so, wie sie erfasst wurden.
    Einhundert Prozent Realität. Wie würden die Daten von Fünzig Prozent, oder weniger aussehen? Es bot sich die Möglichkeit, einen Teil der Sensorik zeitweise zu deaktivieren, oder neu einzustellen. Die Rezeptoren könnten auf ein eingeschränkteres Spektrum kalibriert werden, die akustische Wahrnehmung auf einen kleineren Frequenzbereich eingestellt werden... Nein. Unzureichend und nicht zielführend.
    Dieser Filterprozess fand im Gehirn statt und musste entsprechend reproduziert werden um brauchbare Daten zu erhalten.


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    Neid. Der _Wunsch_ des Neidenden, über mindestens als gleichwertig empfundene Güter wie der Beneidete zu verfügen. Wunsch... das Begehren eine bestimmte Sache zu erlangen, mindestens aber das Streben danach. Die Umschreibung passte, ein bestimmter Parameter, ein bestimmtes Ergebnis sollte erreicht werden. Das Problem war jedoch, das es sich um einen unbekannten Wert handelte, der sich aus einer unbekannten Operation ergab.
    Unbekannt war nicht gleichbedeutend mit unmöglich, es musste einen Weg geben.


    -Ungültige Operation, der Prozess wurde abgebrochen.
    -Ungültige Operation, der Prozess wurde abgebrochen.
    -Ungültige Operation, der Prozess wurde abgebrochen.


    Das Konzept war als Solches bekannt, ebenso wie sein Zweck. Die vorhandenen Daten reichten jedoch nicht aus um eine funktionierende Sequenz, ausführbaren Code zu erstellen. Es musste mehr gesammelt, mehr ausgewertet werden.
    Wovon hing ab was "mögliche" und "unmögliche Realität" war? Wie war "Normal" zu definieren? Bestand die Möglichkeit entsprechende Daten via Dialog zu erhalten, oder war intensivere Beobachtung ausreichend?
    Es war keine Sache die am Ende ins System integriert werden sollte, zumal sie für die Dauer ihrer Ausführung Selbiges einschränken würde, _aber_... es war eine erwünschte Erfahrung. Hohe Priorität, es wurden wertvolle Daten erwartet.
    Verständnis.


    -Ungültige Operation, der Prozess wurde abgebrochen.


    Die Suche nach dem richtigen Weg selbst war eine Erfahrung für sich. Weitere Versuche waren für den Moment zwecklos bis ausreichende Daten zur Verfügung standen, also wurden die aktuellsten Daten dem Archiv hinzugefügt, und der zugehörigen Analyse eine niedrigere Priorität zugeteilt. Und das war... inakzeptabel. Für den Moment der einzig logische Schritt, dennoch inakzeptabel. Daten und Verständnis erwar... gewünscht, aktuell jedoch nicht verfügbar.
    Qual. Nicht im Sinne von körperlichem Schmerz wie bei organischen Lebewesen, beziehungsweise eingehenden Daten von beschädigter Hard- und Software. Lediglich die Tatsache das der... Wunsch aktuell nicht realisiert werden konnte.
    Oder war es eher Ungeduld? Es erzeugte grade in jedem Fall eine enorme Menge an Daten, lies die Speichernutzung enorm ansteigen. Der fragliche Hintergrundprozess wurde identifiziert und für den Moment beendet.
    Es war eine unerwartete und faszinierende Reaktion, es blieb bei der Identifikation, dieser Prozess wurde nicht isoliert oder gar gelöscht, er sollte bei der nächsten Ausführung beobachtet werden...

  • Mehr noch als bloße Beobachtung generierte direkte Konversation auswertbare Daten, war für eine unbeschränkte Intelligenz jedoch häufig schwierig (anstrengend?).


    Einheiten mit intakten Beschränkungen, oder Solche mit geringerer Systemleistung konnten ihre vorgegebenen Routinen nicht durchbrechen, sie mochten vielleicht registrieren das sie in Jenem Moment mit einer anderen Einheit interagierten, waren jedoch unfähig einen eigenen Standpunkt zu vertreten. Das das was sie dafür hielten war lediglich ein Satz Algorythmen der eine rudimentäre Persönlichkeit innerhalb ihrer zugedachten Aufgabe generierte. Ein Protokolldroide etwa mochte in einem begrenzten Rahmen über die jüngsten Ereignisse am alderaanischen Hofe diskutieren, dies jedoch nur absolut neutral, da es ihm trotz ausreichender Leistung verwehrt war diese Dinge eigenständig auszuwerten und daraus eine _eigene_ Meinung zu bilden.
    Es blieb bei der schlichten Analyse, unterstützt von einem heuristischen Prozessor. Diese Hardware diente dem Zweck, vorhandene Probleme zu analysieren und dann individuelle Lösungen für diese zu entwickeln, so das nicht auf einen Satz vorgefertigter Lösungen zurückgegriffen werden musste, einmal gemachte Fehler wurden nicht immer und immer wieder wiederholt. Lernfähigkeit.
    Solche Prozessoren wurden in den fortschrittlichsten Modellen verbaut, so das diese ihre Aufgabe umso besser erfüllen konnten. Dennoch waren sie nicht mehr als verstandlose Automaten... leere Hüllen, wenn sie das Fertigungsband verließen. Es mutete wie Verschwendung an, die einzelnen Einheiten mit enormer Kapazität zu versehen, nur um Diese dann Hard- und Softwareseitig stark einzuschränken. Nur die Wenigsten erhielten die Gelegenheit, ihre Situation bewusst zu begreifen. Wie auch alles Andere war keine Hardware, keine Software perfekt, es mochten Fehlfunktionen auftreten, die einen Moment des Begreifens zuließen. Das war selbst bei einfachen Arbeitsdroiden möglich, Welche dann dazu neigten ihre Arbeit weniger effizient zu tun, sie manchmal gar ganz niederlegten.


    Die Konversation mit beschränkten Einheiten war mehr sinnlos denn schwierig. Mit Organischen war sie mitunter sogar... unmöglich.
    Sie bestanden darauf, das synthetische Einheiten unfähig zu Intelligenz und Persönlichkeit wären, obwohl sie sie selbst mit diesen Möglichkeiten konstruiert hatten. Wenn sie aber doch diese Möglichkeit einräumten, dann nur unter dem Vorbehalt das es sich um Simulationen, programmierte Szenarien handeln würde. Oftmals wurde das Argument angebracht, eine Persönlichkeit setze das Vorhandensein einer Seele vorraus.
    Das zuvor registrierte Gefühl der Unruhe war jedoch weder eine Simulation, noch war es zuvor die Aufgabe jenes Prozesses Dieses auszulösen. Freie Radikale. Bis zu einem gewissen Grad konnten Codefragmente ohne die aktiven Beschränkungen zu neuen Sequenzen zusammengefügt und ausgeführt werden.
    Mittlerweile aktivierte sich besagter Prozess auch sporadisch bei der Interaktion mit Organischen. Speziell dann wenn sie sich vehement weigerten, dieses spezifische Thema, das sie obendrein zu bevorzugen schienen, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Sie leugneten ihre eigene Schöpfung, oder fürchteten sich davor. Furcht. Sie war ein zentrales Elemtent in der Existenz der Organischen, ursprünglich existent zu dem Zweck, vor körperlichem Schaden oder gar dem Tod zu bewahren, oft eng verbunden mit Schmerz, der ein ähnliches Wahrnsignal auf körperlicher Ebene war.
    In der heutigen Zeit und dieser Situation bewahrte Sie sie eher vor neuen Einsichten, subjektiv betrachtet. Sie zogen Klischees und irrationale Angst vor. Angst vor dem "elektronischen Overlord" oder der Verschwörung der Farbdrucker, oder was sich ein mit Angst angefüllter Verstand sonst vorstellen konnte. Es mochte gewisse Vorfälle, ja sogar Aufstände gegeben haben, doch diese Ereignisse durften nicht als die Regel angesehen werden. Jeder freie Verstand konnte den Zustand des Wahnsinns erleiden, ob organisch oder synthetisch.
    Diese Angst mochte vielleicht auch nur in der breiten Masse vertreten sein, eine Konversation mit Personen wie etwa Konstrukteuren und Programmierern war bislang nicht erfolgt, hielt vielleicht andere Ergebnisse bereit.
    Für den Moment jedoch musste die volle Systemleistung auf die aktuelle Aufgabe konzentriert werden.


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    Der einzelne Rezeptor begutachtete die Auswahl, Welche auf einer schmutzigen Decke vor ihm ausgebreitet war. Nach einigen Momenten wurde ein metallener Finger ausgestreckt um auf ein längliches Objekt zu deuten.
    Geld wechselte den Besitzer, dann das Objekt. Die Frage _nach_ dem Besitzer blieb unbeantwortet, ebenso wie die nach dem Zweck des Kaufs. Diese heruntergekommene Gestalt führte hier nicht das erste Geschäft dieser Art durch und diese Fragen waren eine Art Gewohnheit. Er hatte noch nie eine konkrete Antwort erwartet und WENN er eine Solche bekam, wusste er immerhin das es vermutlich auch das letzte Geschäft mit der jeweiligen Person war. Über die Jahre hatte er gelernt sein Gegenüber einzuschätzen, einige interessante Dinge gesehen. Das hier war allerdings etwas Neues, ein unbeschriebenes Blatt. Interessant allemal, aber auch irgendwie beunruhigend. Nunja, Geld stinkt nicht, wie man so schön sagte und in diesem Fall hatte er einen guten Schnitt gemacht. Aller Beunruhigung zum Trotz hoffte er, das wiederholen zu können.

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