Haus Theress: Eine schrecklich nette Familie

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas


    Der hochgewachsene Reinblüter trat an die mattschwarz verspiegelte Fensterscheibe und blickte hinaus. Nur wenige Momente lang konnte das Geschehen draussen seine Aufmerksamkeit einfangen. Bisweilen erhellte ein Blitz den allgegenwärtigen Regen von Dromund Kaas, so langweilig und unspektakulär wie stets. Inzwischen hatte er sich zu sehr an das feucht-gewittrige Klima des Planeten gewöhnt. Müßig wandte er sich wieder seinem eigenen Gesicht zu, das von tiefen Furchen und kleineren Fältchen durchzogen war. Manchmal glaubte er, jede seiner schwerwiegenden Entscheidungen in seinem Gesicht wiederfinden zu können, doch er hatte gewiss viel mehr schwerwiegende Entscheidungen getroffen als die Anzahl seiner Falten jemals würde wiedergeben können.


    Lord Chouran Theress starrte das Gesicht an, das nur noch wenig mit dem einstigen, wissbegierigen Schüler zu tun hatte, der auf der Akademie durch sein Talent für das Erinnern kompliziertester Texte Aufmerksamkeit erregt hatte. Es war ein alt gewordenes, verbrauchtes Gesicht, in dem sich das Ringen um mehr und tiefere Erkenntnisse der dunklen Seite der Macht für jeden manifestierte. Kurz hoben sich seine Mundwinkel zu einem sardonischen Lächeln.
    Es hatte Umwege gegeben, aber er hatte letztendlich erreicht, was er gewollt hatte - sein Aufstieg unter den Sith hatte ihm gegeben, wonach er gestrebt hatte. Eine weitgehend sichere Stellung, Einfluss, Macht über die Seinen, er hatte eine gute Partie gemacht, um den Namen seines Hauses auch für die Zukunft zu sichern. Das Lächeln erstarrte. Nur seine Nachkommen ...


    Der Blick schweifte erneut hinaus. Von seinem Arbeitszimmer aus konnte man den Innenhof des Anwesens betrachten, in dem einige der Haussklaven größere Gepäckstücke umher schleppten. Es schien ein ungeordnetes Chaos, doch in solchen Dingen konnte sich Lord Theress auf seinen Haushofmeister verlassen. Alles dort wurde von unsichtbarer Hand dirigiert und folgte einem bestimmten Zweck. Das Gepäck gehörte Lord Theress' jüngstem Sohn, dem bisher aussichtslosesten Nachkommen der Frucht seiner Lenden.
    Der Lord schnaubte leise aus und wandte sich von den raumhohen Fenstern ab. Ein missbilligender Blick strich über den Schreibtisch, auf dem sich die Datenpads stapelten. Berichte, die geduldig auf ihn warteten, die ihn dennoch absolut nicht interessierten. Die Maschinerie seines Machtbereichs würde auch einen Tag lang ohne seine ungeteilte Aufmerksamkeit funktionieren.


    "Bist Du endlich zu einer Entscheidung gelangt?" Das scharfe Organ seiner Angetrauten riss den Lord aus seinen Gedanken. Schon immer hatte sie die Fähigkeit besessen, seine ruhigen Momente zu vereinnahmen. Weder war sie schön noch gefällig, doch dies war für einen Lord der Sith auch nicht entscheidend. Lord Gahaar Theress' Haar war inzwischen stahlgrau und kurz geschnitten, damit sie nicht mehr Zeit als nötig für die Körperpflege aufwenden musste. Das scharf geschnittene Gesicht wirkte heute besonders statuenhaft, als wäre sie den Sanden von Korriban entsprungen. Wahrscheinlich vermisste der Geist von Marka Ragnos eine seiner Statuen aus dem Grabmal ... den lästerlichen Gedanken beiseite wischend nickte Chouran ihr knapp zu.


    "Natürlich. Es bleibt nicht mehr viel Auswahl, also muss es geschehen. Die Bio-Daten sind nicht ideal, aber besser als bei den anderen." Ein bellendes, unangenehmes Lachen entrang sich Gahaars Kehle. Ihr Blick aus leuchtend gelben Aufen fokussierte ihren Ehemann. Zwischen diesen beiden reinblütigen Sith gab es keine tieferen Gefühle, und dennoch eine Übereinstimmung: Für den Ruhm und Namen ihres Hauses, in welches Gahaar vor fünfundvierzig Jahren eingeheiratet hatte, hatten beide viel gegeben.
    "Es ist nicht die Schuld meiner Blutlinie, dass das alles geschehen ist. Haus Theress hat in den vergangenen Jahrhunderten zu viel Wert auf Exclusivität gelegt - und das sind die unvermeidbaren Folgen. Ihr wart zu kurzsichtig!" Die beiden Sith starrten sich gegenseitig an, ohne dass einer von beiden hätte nachgeben wollen.
    "Das weiss ich selbst, doch es lässt sich nicht ändern. Dir war der Aufstieg Deiner Linie das Risiko wert, nun müssen wir beide sehen, wie wir damit zurecht kommen." Nun war sie es, die knapp lächelte. Bei ihren kühlen Zügen hatte dieses Lächeln stets ein raubtierhaften Beigeschmack.


    "Ich habe eine passende Kandidatin ausgewählt und die ersten Verhandlungen bereits geführt. Es besteht Interesse - und die Gene sind seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr im allgemeinen Pool geführt worden. Eine bessere Zusammenstellung gibt es nicht."
    "Du hast diese Sache begonnen, ohne mich in Kenntnis zu setzen?" Die Brauen Chourans hoben sich nur leicht. Auch wenn sie bisweilen eine unerfreuliche Eigeninitiative entwickelte, handelte Gahaar meistens sehr vorausschauend.
    "Es ergab sich eine günstige Gelegenheit ..." Sie durchquerte den Raum mit einigen schnellen, geschmeidigen Schritten und blieb an der Fensterfront stehen. Unten eilten sich noch immer die Sklaven dabei, unförmige Gepäckstücke von einem Transporter abzuladen.


    Ein hochgewachsener, schwarzhaariger Reinblüter durchquerte den Hof, blieb einige Momente lang beim Transporter stehen und winkte einen der Sklaven heran, um diesem einen quadratischen Koffer zu übergeben.
    "Wer hätte gedacht, dass er irgendwann der Einzige sein würde." Gahaar atmete scharf aus, als ihr Jüngster eine kleine Silberkugel aus seinem Gewand herausholte und diese vor seinem Gesicht hin und her schwenkte.
    "Ein Opernliebhaber, reisender Abenteurer und eitler Geck. Die letzte Hoffnung unseres Hauses. Wüsste ich es nicht besser, würde ich vermuten, Du hättest ihn mir untergeschoben," kommentierte Chouran trocken den Auftritt seines Sohnes.
    "Du hättest ihm sicherlich nicht seinen Hang zur Rebellion vererben können," schoss Gahaar ungerührt zurück und wandte sich ab, als ihr Sohn ins Innere des Hauses gegangen war. "Überbringen wir ihm die freudige Nachricht."
    "Welche zuerst?"
    "Die Gute natürlich." Ihr heiseres, bellendes Lachen folgte der Sith Lord durch den Gang, bis ihr Chouran folgte, die Stirn nachdenklich gefurcht. Der Gedanke, wie viel von seinem Jüngsten abhängen würde, gefiel ihm ganz und gar nicht.

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Arrestzellen


    Sie flackerte schon wieder. Im üblicherweise orangefarbenen Schimmer gab es immer wieder kleine gelbe Aussetzer, welche die übliche, klare Schönheit beeinträchtigten. Man konnte nicht sagen, wann diese jähen Unterbrechungen der Gleichförmigkeit auftraten, doch sie taten es. Meist dann, wenn er es nicht erwartete. Schon öfter hatte er versucht, das Flackern des Stasisfeldes vorherzusagen, doch wollte es ihm nicht gelingen. Die Technik verspottete seine Bemühungen, sie sich untertan zu machen, immer wieder. Jedes gelbe Flackern ärgerte ihn inzwischen, nährte seinen stillen Zorn auf eine Weise, die er nicht kanalisieren konnte. Es war, als würde sich etwas giftiges, unberechenbares durch seine Eingeweide fressen, wann immer es gelb ins orange zuckte. Während die Sekunden in Minuten, dann in Stunden und Tage verschwammen, hielt sich der klägliche Rest seines Geistes am unregelmäßigen Flackern fest, dieser unästhetischen Unterbrechung der distanzierten Schönheit um ihn herum.


    Er fragte sich nicht, ob die Trägheitsdämpfer, welche ihn inmitten des Feldes schweben ließen, vielleicht ihren Geist aufgaben. Er fragte sich auch nicht danach, welche sonstigen technischen Gründe dieses Flackern haben könnte. Über derlei machte sich Angaar Theress, der mächtige Lord der Sith, keine Gedanken. Für derlei gab es Techniker, Sklaven, irgendwelches Personal. Über solche Sachen musste er sich keine Gedanken machen. Ihn störte nur das gelbe Flackern inmitten des vertrauten Sees aus Orange. Orange war gut. Es gefiel seinem Auge, es dämpfte seinen Unmut. Und es ließ ihn schweben, über dem Boden, über allem, was auf dieser langweiligen, blitzbewehrten Welt uninteressant war. Überhaupt gab es vieles, was ihn nicht interessierte. Stundenlang konnte er seine Gedanken schweifen lassen, ohne zu wissen, dass Stunden verstrichen. In der wohligen orangenen Weichheit verflossen die Gedanken wie auch die Zeit, drifteten ohne ein konkretes Ziel. Angaar fühlte sich wohl in dieser unendlichen Weite seiner Gedanken. Es ließ ihm Zeit, über die tieferen Mysterien der dunklen Seite nachzusinnen, seinen wohlverdienten Platz in dieser Welt, die ihm zu Füßen lag. Und das tat sie, denn nur er schwebte über den Dingen.


    Ein Licht-Rechteck tat sich im Hintergrund des Orange auf, für Angaar ein helles Orange, aber noch innerhalb seines persönlichen Toleranzbereichs. Es war sogar recht hübsch, wie es sich noch etwas aufhellen konnte, ohne gelb zu werden. Gelb war hässlich. Einfach nur hässlich. Er hasste alleine den Gedanken an Gelb, an diese dünnen Blitze, die sein wunderschönes Orange durchbrachen wie eine Horde von Fremdlingsbarbaren in den Salon seiner Eltern einbrechen und diesen verwüsten könnte. Seine Eltern! GELB! Es blitzte wieder im durchscheinenden Orange auf, und für einen Moment leuchteten die Augen des Sith rötlich auf. Seine Gedanken richteten sich auf das Gelb, versuchten es zu verhindern, aber nun blieb das Flackern natürlich aus. Es verspottete ihn, ohne Zweifel. Unwillig knurrte Angaar vor sich hin, hörte die Worte nicht, die eine vor seinem wunderschönen Orange stehende Gestalt an ihn richtete. Zu sehr waren die Gedanken davon ausgefüllt, dass das Gelb zurückkehren könnte. War da schon die Andeutung eines Flackerns? Nein. Glücklicherweise. Angaar atmete innerlich auf, und erst jetzt registrierte er seinen Besucher wirklich. Das Gesicht ähnelte dem seinen, doch die mit glänzendem Öl zurückgekämmten Haare gefielen ihm nicht. Sie hätten genauso gut gelb sein können. Missbilligend runzelte er die Stirn.

    "Ich bin wieder hier, Bruder,"
    sagte die Gestalt vor dem Orange und straffte die eigene Haltung. Die im Inneren des Stasisfeldes schwebende Gestalt nickte huldvoll und winkte ihn mit einer Hand näher.
    "Ich wusste, Du würdest zurückkehren. Hast Du meinen Auftrag ausgeführt und warst im Grab des Arkon Suush?" Angaars Besucher nickte und zog etwas aus einem Beutel an seiner Seite hervor. Es war eine in silbrigem Metall gegossene Statue einer aufrecht stehenden, nackten Zabrak, die ein Juwel in beiden Händen hielt. Es funkelte, zeitlos, wundervoll geschliffen, und verriet die vollendete Handwerkskunst, die in dieses hineingesteckt worden war. Doch es war von einem Makel behaftet, einem hässlichen Makel, welches die Freude Angaars über die Rückkehr seines Bruder-Domestiken zerstörte: Es war gelb. GELB! Die Farbe verhöhnte ihn, lachte in ihrem vollkommenen Funkeln. Er schrie, laut, gequält, zerrissen bis tief ins Mark, die Hände an seine Stirn gepresst, vor der plötzlich gelbe Funken tanzten und versuchten, ihn zu verschlingen.
    Abermals öffnete sich das helle Rechteck, zwei Diener eilten herein und kümmerten sich um die Stasiskontrollen, bis das irre Lachen und Schreien des Gefangenen verebbte, sich der einstmals kräftige, strahlende Leib eines vielversprechenden Sith nicht mehr vor innerem Schmerz wand.
    "Repariert die Dämpfer, das verdammte Feld flackert dauernd," herrschte der Besucher die Diener an und verstaute sein Mitbringsel wieder in seinem Beutel. Es war immer dasselbe mit Angaar, seit er über die Klinge geistiger Stabilität gesprungen war. Warum seine Eltern den Bruder nicht endlich erlösten, wusste Anechour Theress nicht, aber er ahnte, dass der Grund bedeutend war. Seine Miene verschloss sich, als er den Arrestbereich des Anwesens verließ. Ihnen musste er schließlich auch noch gegenüber treten, und das war etwas, worauf er sich wirklich nicht freute.

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Privaträume


    Die umher huschenden Diener beeilten sich sichtlich, das Gepäck des Reisenden in seinen Räumlichkeiten zu verstauen, während dieser müßig in der Mitte des Raumes stand und sich umblickte. Früher war dies das Zimmer seines ältesten Bruders Ocharan gewesen, doch seit dessen Tod verriet nichts mehr den ursprünglichen Besitzer. Überhaupt schien das Anwesen mehr zweckmäßig denn anheimelnd, mehr eine Unterbringungs-Station für die Mitglieder des Hauses denn ein Zuhause. Ein Teil von Anechour Theress begrüßte diese Optik, denn sie lud nicht gerade dazu ein, es sich besonders bequem zu machen. Man band sich nicht an diesen Ort, der nur der Unterstützung des Tagwerks und der danach nötigen Erholung diente.


    Keine Kette aus nostalgischen Erinnerungen konnte einen an einen solchen Ort binden, doch manchmal wäre ihm zumindest irgend ein Hinweis darauf, dass von den Ereignissen der letzten Jahren etwas übrig geblieben war, an das sich künftige Generationen erinnern konnten, lieber gewesen. Ein in eine Wand geritztes Bild in einem Kinderzimmer vielleicht. Oder eine Beule im Metall der Wände, wo eine durch die Macht verstärkte Faust eindrucksvoll Wut demonstriert hatte. Doch dergleichen fand sich nichts, und sollte das Haus Theress diesen Besitz irgend wann einmal verkaufen, würden nur wenige Erinnerungen zurückbleiben. Anechour hatte das Anwesen immer gehasst. Die grauen, schmucklosen Flure, die hässlichen weißen Neonlichter, ab und an ein Emblem der Familie an der Wand, irgendwo eine Statue. Alles war gleichzeitig nachlässig und antiseptisch eingerichtet, dass man vermuten musste, einer der Hausdroiden wäre für die Dekoration zuständig.


    Der Besuch bei seinem Bruder hatte ihn wieder einmal daran erinnert, wie ungern er hierher kam. Als ob es einer Erinnerung bedurft hätte! Als eine Twi'lek-Sklavin seinen bevorzugten Reisecontainer vor der Bettstatt ablud, trat er auf sie zu. Sie zuckte unwillkürlich zurück, schlug die Augenlider nieder und starrte zu Boden, alles an ihrer Haltung signalisierte vorsichtige Demut.
    "Bring mir etwas zu trinken," sagte Anechour und sah der davoneilenden Sklavin nach. Sie war hübsch, wie im Grunde alle Twi'lek-Frauen, und doch stieß ihn etwas an ihr ab. Ihre anerzogene Bereitschaft, sich seinem Willen sofort zu beugen, langweilte den Reinblüter zu Tode. Alle Sklaven des Hauses waren gut erzogen, und damit in etwa so interessant wie Möbelstücke. Seine Eltern legten auf derlei Wert und regierten ihre Untergebenen mit eiserner Hand, doch Anechour wusste mit solchen Sklaven nur wenig anzufangen.


    Auf seinen Reisen hätten sie ihm auch kaum wertvolle Dienste leisten können. Langsam klappte er den Container auf, nachdem er seine Identität mit dem Daumenabdruck im Sicherheitsschloss verifiziert hatte. Darin lagen die kleinen Dinge, welche ihm das Leben angenehmer machen sollten. Mit einem zufriedenen Grinsen verteilte er mehrere Duftspender in dem kargen Raum und warf eine dunkelrote, mit golden und silbern glitzernden Stickereien verzierte Decke auf das Bett, die dort mit bourgeoiser Lässigkeit liegenblieb. Während zart-würziger Duft nach Ch'kaar-Blumen das Zimmer erfüllte, plazierte er mehrere Leuchtkristalle an geeigneten Plätzen, die sofort goldwarmes Licht ausstrahlten. Nur einen Handgriff später hatte er das kalte, weiße Deckenlicht deaktiviert und ließ den Raum in sanftes Halbdunkel sinken. Nicht, dass es irgend etwas am Anwesen selbst geändert hätte, doch wenigstens diesem Zimmer hatte er seinen Stempel aufgedrückt.


    Die Tür öffnete sich, doch anstelle der erwarteten Sklavin rauschte Anechours Mutter wie ein Schlachtschiff in das Gemach, deren herrischer Gesichtsausdruck den nächsten Grund aus den Tiefen von Anechours Erinnerung auftauchen ließ. Als Holoprojektion, während er sich irgendwo im Outer Rim auf der Jagd nach alten Sith-Artefakten befand, war sie deutlich angenehmer. Gahaar sah sich naserümpfend um.
    "Du hängst also immernoch an diesem wertlosen Plunder, Sohn?" Kein "Hallo, wie geht es Dir, wie schön Dich zu sehen!" oder etwas in der Art. Genau die Art, wie man sich als Besucher noch willkommener fühlt, dachte Anechour und neigte höflich den Kopf vor ihr.
    "Ich gestalte das Ganze nur etwas wohnlicher. Der Militärkasernenlook ist nach wie vor nicht so ganz mein Stil," gab er zurück und registrierte, dass sich ihre Augenbrauen unwillig auf der Stirn zusammenzogen.
    "Deine Vorliebe für Oberflächlichkeiten würde verschwinden, würdest Du Dich endlich einem tadellosen Lebenswandel und einem angemessenen Forschungsgebiet zuwenden," sagte Gahaar eisig und schritt durch den Raum. Wie zufällig streifte ein Ärmel ihrer Robe den nahe auf einem Tisch stehenden Lichtkristall, der mit einem leisen Klirren zu Boden ging und dort zerschellte. Mit gleichmütiger Miene beobachtete Anechour ihre Bewegungen und wartete ab. Seine Mutter markierte ihr Revier, zeigte ihm wie stets bei einem Wiedersehen, dass er ihr noch immer untertan war und es immer bleiben würde.

    "Wenn Du meine Dekorationsgegenstände ausreichend zerstört hast, wüsste ich gerne, was Dich zu mir führt,"
    sagte seine Zunge schneller, als er die Worte verschlucken konnte. Auch diese Neigung zu den falschen Worten im falschen Moment hatten die Jahre nicht abgestellt. Früher jedoch hatte es dazu geführt, dass er gelernt hatte, auch mit verprügelter Rückseite regungslos zu sitzen. Heute starrte sie ihn nur nieder, die Brauen verächtlich gehoben.
    "Es ist an der Zeit, dass Du für das Wohl unseres Hauses einen nützlicheren Beitrag leistest, als uns nur die Haare vom Kopf zu fressen. Deine Geschwister kommen nun bedauerlicherweise nicht mehr für die Weitergabe unseres genetischen Materials in Frage, also ist die Reihe an Dir. Du wirst heiraten." Die Nüchternheit dieser Ankündigung zog ihm mit einem Rutsch den Boden unter den Füßen weg. Heiraten?! Sich mit irgendeiner arroganten und zuchtbedachten Reinblüterin streiten zu müssen, bis sie endlich willens war, sich besamen zu lassen? Monatelange Werbung, damit man das alte, aber dünne Blut der Theress vergessen machte? Wieder einmal erschien ihm der Outer Rim als lohnenswertere Lebensalternative. Wäre er doch nur dort geblieben.
    "Und wer ist die Glückliche?" brachte er schließlich hervor, doch Gahaar Theress schüttelte mit einem meckernden Lachen den Kopf.
    "Du wirst sie noch rechtzeitig kennenlernen." Gut, dachte Anechour. Dann habe ich wenigstens noch genug Zeit, mich vorher davonzumachen.

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Privaträume, nachts


    Kaum angekommen, standen alle Zeichen des jüngsten Sohnes im Hause Theress bereits wieder auf Flucht. Wenngleich nicht offen - er wusste, dass er seine Mutter nur vorwarnen würde, wenn er nun die Ausladearbeiten unterbräche. Das bedeutete auch, dass er seine Sammlung interessanter Artefakte, die er von diversen unwegsamen Planeten zusammengesucht hatte, hier lassen musste, um keinen Verdacht zu erregen. Aber die Flucht vor einer Ehe, auf die er nicht die geringste Lust hatte, würde dieses Opfer wert sein. Musste es wert sein. Schon die vorherigen Eheanbahnungen, welche seine Mutter für seine älteren Geschwister durchgeführt hatte, waren relativ katastrophal ausgegangen. Warum sollte es also dieses Mal anders sein? Anechour hatte keinerlei Lust darauf, auf dem Heiratsmarkt der Reinblüter wie ein Zuchtbantha angeboten zu werden. Schwaches Blut, aber gut trainiert, einigermaßen gut aussehend, und trotz seiner ungewöhnlichen Lebenswegwahl gut erhalten.
    Für wieviele Credits würde man jemanden wie ihn wohl verkaufen können?
    Anechour seufzte, als er sich auf seinem Bett nieder ließ und die Beine ausstreckte. Es gefiel ihm nicht, dass seine Mutter einen solchen Plan gefasst hatte. Gahaar Theress war wie eine Lenkrakete mit Spürkopf. Wenn sie einmal auf ein Ziel zusteuerte, verlor sie es nicht mehr aus den Augen. Früher oder später würde er verheiratet sein, und zwar genau mit der Person, die sie dafür ausgesucht hatte.
    Aber er konnte dem noch ein paar Jahre entfliehen und hoffen, sie würde zwischenzeitlich noch genug anderes zu tun haben, um diese Angelegenheit nicht als Nummer-Eins-Priorität auf ihrer zu-erledigen-Liste aufzuführen. Störfeuer für die Lenkrakete sozusagen.


    Langsam ließ er den Blick über seine Reisekisten schweifen. Der Gedanke, seine Sammlung zurück zu lassen, schmerzte. Er fuhr mit einer Hand durch das dunkle Haar und schüttelte den Kopf. Keine besonders angenehme Entscheidung, vor der eigenen Mutter zu flüchten. Vor der Öffentlichkeit würde sie es sicherlich wieder so darstellen, dass er auf eine neue, wichtige Forschungsreise aufgebrochen wäre. Sie fand immer eine gute Erklärung, und seit Gahaar die Öffentichkeitsarbeit des Hauses übernommen hatte, war Theress zwar nicht wichtiger geworden, aber der Ruf blieb makellos. Selbst die Sache mit Arcoun hatte nur eine Macke, aber keine tiefen Kratzer auf dem Ruf der Familie hinterlassen.
    Ein Geräusch auf dem Flur ließ ihn die Hand auf seinen Lichtschwertgriff legen, den er wie stets am Gürtel trug. So sehr er auch nach einem luxusverwöhnten Lebemann aussah, so wenig hatten ihn die Reflexe seiner Reisen verlassen. Selbst ein intergalaktischer Dandy wie Anechour Theress verfügte über eine gewisse Art an Überlebensinstinkten - sonst wäre er von seiner letzten Expedition wohl kaum zurückgekehrt. Doch der Grund des Geräuschs war keineswegs ein gefährlicher und blutgieriger Rancor, sondern eine geschmeidige Twi'lek-Sklavin mit entzückend blauer Haut. Er kannte sie, auch wenn er bislang mit ihr noch nicht viele Worte gewechselt hatte. Sie war die Favouritin seines Vaters, stand dem Lord stets zur Seite, wenn es um dessen Entspannung ging, und natürlich um ein wenig Zeit ausserhalb der Schreckensherrschaft seiner Mutter.


    "Ihr werdet mich doch nicht wegschicken, mein Lord?" Der Klang ihrer Stimme lag etwas zwischen einem rauhen Gurren und nachdrücklichem Sirenengesang, ihre geschmeidigen Glieder glänzten von einer dünnen, süß duftenden Ölschicht, als sie sich in seinen Raum hinein bewegte und die Tür hinter sich schloss.
    "Du gehörst meinem Vater, also ist hier definitiv der falsche Platz für Dich. Den Weg in seine Gemächer kennst Du bestimmt sehr gut," winkte der Reinblüter knapp ab und blieb sitzen. Sie war eine Sklavin, die ihre Befugnisse überschritt, eine solche verdiente keine weitere Aufmerksamkeit. Er griff nach einem auf dem Bett liegenden Datenpad, was sie nutzte, um die kurze Distanz zwischen ihnen beiden zu überbrücken. Der Duft ihrer Haut stieg betörend empor, ihre geschwungenen Lippen formten ein Lächeln.
    "Der Lord wird es nicht erfahren, dass ich hier bin, er ist nicht einmal im Haus. Mich wird niemand vermissen," flüsterte sie leise und drängte sich kurzerhand an ihn. Wie stets war sie kaum bekleidet, eigentlich zählten diese wenigen Fetzchen Stoff, die ihre üppigen Formen gerade noch so bedeckten, nicht in die Sparte Kleidung. Zu deutlich konnte er fühlen, wie sich ihr Körper an seinen drängte, und ihre Hand nahm sachte sein Datapad aus der seinen, legte es wieder beiseite.
    "Was willst Du eigentlich? Ich brauche keine Bettwärmerin," wehrte er sie eher halbherzig ab und legte die Hände auf ihre Schultern, um sie von sich zu schieben. Nicht, dass sie sich davon hätte beeindrucken lassen, sie nahm die Gelegenheit wahr, ihren Körper geschickt auf seinen Schoß zu schieben und schmiegte sich umso enger an seinen Leib. Deutlich konnte er ihre Hitze fühlen, ein bisschen Stoff bei ihr und ein einfaches Gewand bei ihm war dafür keine echte Barriere.
    "Ein bisschen Abwechslung und kräftige Hände," raunte sie ihm entgegen und neigte ihm ihren Kopf zu, bis sich ihre Lippen trafen und sich der Reinblüter seinem schrecklichen Schicksal ergab, von einer geschickten Liebesdienerin verführt zu werden, die ganz offensichtlich keinen anderen Ausweg aus der Situation zuließ...


    Lord Chouran Theress stand aufrecht vor einem der Bildschirme, die ihm sein Anwesen an neuralgischen Punkten zeigte. Als er bemerkte, dass er die rechte Hand zur Faust geballt hatte, entspannte er die Finger sofort wieder und rief sich selbst zur Ordnung. Er kannte seine Frau zu gut, und ebenso seinen jüngsten Sohn. Dass Gahaars trockene Ankündigung einer bevorstehenden Ehe bei Anechour wenig Gegenliebe finden würde, war für ihn sofort klar gewesen. Dass er eigene Maßnahmen ergreifen musste, um ihn im Haus zu halten, ebenso.
    In einigen Dingen glichen sich der Lord und sein Sohn sehr - auch darin, die Genüsse des Lebens zu nehmen, wie sie kamen. Lord Chouran hatte mit den Jahren nur mehr Selbstdisziplin gelernt, Anechour musste diese Lektionen wohl erst noch erkennen. Schweigend betrachtete er die beiden, sich aneinander in Leidenschaft windenden Körper auf dem Bildschirm und dachte nach. Dieses Opfer war ihm nicht leicht gefallen, aber der Preis würde die Sache wert sein. Und jedes Schmuckstück musste für einen Sith ersetzbar sein, also auch eine Sklavin, deren aufreizendes Benehmen so oft schon seine Gedanken zerstreut hatte.
    Keine Fesseln, dachte er schließlich und wandte sich von den Bildschirmen ab. In dieser Nacht würde Anechour sich nicht aus dem Anwesen stehlen, und vielleicht auch nicht in den folgenden. Er würde schnell dafür sorgen müssen, dass sein Sohn seine künftige Frau bald kennenlernte.

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Lord Gahaars Salon, nachmittags


    So musste sich das Schlachtvieh fühlen, welches geschmückt und gesalbt zu irgendeinem Altar einer obskuren Gottheit geführt wurde, um es dann kurz darauf mit einem sehr scharfen Messer zu schächten und in die Knie zu zwingen. Einige ausgiebige Gebete später würden dann die Priester mit noch mehr scharfen Messern herbei kommen und das Fleisch zerteilen, um die Zukunft aus den Eingeweiden zu lesen - oder etwas derartiges. Eine öffentliche Zerteilung stand Anechour Theress zwar nicht bevor, aber dass er auf einem stillschweigenden Markt feilgeboten wurde, wurde ihm spätestens nach einem morgendlichen Ausflug an der Seite seiner Mutter klar, die darauf bestanden hatte, dass er sie nach Kaas City begleitete.
    Wenn sich Gahaar etwas in den Kopf setzte, war es besser, sie gewähren zu lassen, um dem Ungemach möglichst schnell zu entkommen. Wahrscheinlich ging sie auch im Kampf auf diese Weise vor: Dem Feind die unausweichlichen Konsequenzen in Aussicht stellen und ihnen dann klar machen, dass sie sich besser gleich diesen ergeben würden, damit man Zeit und Energie sparen konnte. Mit seiner Mutter im Rat der Sith wäre die Republik sicherlich längst erobert und zum willfährtigen, wenn auch Gahaar-terrorisierten Sklaven des Imperiums geworden. Sie hatte Anechour zu einem regelrechten Schau-Laufen genötigt: In neuer, teurer Kleidung, welche die Insignien des Hauses Theress aufwies, dazu eines der Schmuckstücke, die er aus einem Sith-Grab auf einem wirklich üblen Planeten geklau...geborgen hatte, um seine Besonderheit zu zeigen.


    Und wie so oft hatte das Tun seiner Mutter unmittelbare Wirkung gezeigt: Die Anzahl der Gerüchte, die über das Haus Theress und ihren jüngsten Spross im Holonet auf Kaas City bezogen kursierten, hatten sich nach diesem kurzen Ausflug an der frischen, aber wie so oft nassen Luft exponentiell erhöht. Rukan, ein nautolanischer Hacker, den Anechour in einer wirklich schmutzigen Cantina im Outer Rim aufgelesen hatte und der ihm die deutliche Verbesserung seiner Lebensumstände durch seine Expertise im Bezug auf das unerlaubte Betreten von Datenbanken aller Art zurückzahlte, hatte ihm mit einem breiten Grinsen nach seiner Rückkehr ein Datapad präsentiert, auf dem die witzigsten Meldungen aufgelistet waren. Als "der neue Bantha-Hengst im Theress-Stall" benannt zu werden, hatte Anechour noch nicht einmal schockiert, welche Liebschaften ihm innerhalb kürzester Zeit nach seiner Rückkehr jedoch bereits angedichtet wurden, sehr wohl. Die meisten der jungen Damen aus der vorhandenen Top-Ten-Liste kannte er nicht einmal und deren typisch reinblüterhafte, karriereorientiert wirkende Gesichtszüge lockten wenig Interesse hervor, es überhaupt zu versuchen. Wenigstens wurde bei all dem Interesse an dem vermeintlich neuen Gesicht die Familiengeschichte nicht über Gebühr aufgerührt. Die vergangenen Jahre waren schließlich nicht gerade freundlich zu seiner Familie gewesen.
    Und nun dies: Eine an Zwangsvorladung grenzende Bitte, sich im Salon seiner Mutter einzufinden, um dort eine Lord Everyndar kennenzulernen, deren Tochter sich ebenfalls in der zweifelhaften Lage befand, noch ohne Ehemann zu sein. Zunächst war ihm der Name dieser Familie nicht einmal ansatzweise bekannt vorgekommen. Ulars nützlichen Fähigkeiten sei Dank konnte er zumindest mit einem Crashkurs an Informationen in dieses Gespräch gehen und gedachte der verwitweten Lord Everyndar sein freundlichstes Lächeln zu, als er den Raum betrat.


    Manche Reinblüterin hätte in ihren privaten Empfangsräumen zumindest eine Art von Stil einziehen lassen, nicht so Anechours Mutter, in deren Salon er sich stets wie in einem Trainingsraum fühlte. Schlicht, nüchtern, zweckmäßig - nicht mehr. Noch nicht einmal ein einziger Ziergegenstand oder ein Bild - in diesem Raum gab es nur Sitzgelegenheiten, einen Beistelltisch und raumhohe Fenster. Wer so etwas einladend fand, war sicher auch begeistert davon, einen Hinrichtungsplatz im Schlafzimmer zu besitzen, aber über die Einrichtung im Schlafraum seiner Mutter wagte Anechour nicht einmal zu spekulieren.
    Die beiden nebeneinander sitzenden Reinblüterinnen waren sich erschreckend ähnlich. Beide wirkten energisch, wie Frauen, die alle Fäden in ihren Händen hielten und nicht einmal daran dachten, sie jemals abzugeben. Allenfalls der etwas dunklere Hautton der Lord Everyndar mochte andeuten, dass die Wurzeln ihres Hauses an einem anderen Ort kultiviert wurden als die seiner Familie.
    "Wir haben gerade von Lord Everyndars Tochter Vrynasha gesprochen," warf Gahaar ihrem Sohn nach der unvermeidlichen Vorstellung schon den ersten Huttenball direkt vor die Füße. "Sie ist eine geborene Kriegerin und im Feld sehr erfolgreich!"
    Das war ja zu erwarten gewesen - eine weitere Kriegerin, welche die Männer seines Hauses nach Herzenslust terrorisieren würde. Aber das würde auch bedeuten, dass diese Vrynasha unweigerlich mit seiner Mutter aneinander geraten würde, und das könnte dann schon wieder recht amüsant werden.
    "An welchen Einsatzorten hat sie denn in der letzten Zeit gekämpft?" fragte Anechour und musste eine recht umfangreiche Schilderung der jüngsten Erfolge der Reinblüterin über sich ergehen lassen. Manche Fragen durfte man einfach nicht stellen, musste es aber, um höflich zu bleiben.


    "Und wo habt Ihr in den letzten Monaten zum Fortschritt des Imperiums beigetragen?" erkundigte sich Lord Everyndar zuckersüß, doch mit einem lauernden Blick in ihren gelben Augen. Wenigstens konnte er sich nun angemessen revanchieren: Neben einer eingehenden Schilderung der Planeten, die er in den vergangenen zwei Jahren aufgesucht hatte, durfte sich die Matriarchin von Haus Everyndar auch einen für Laien vollkommen langweiligen Vortrag über die geborgenen Sith-Relikte und deren absolut wichtige Bedeutung für die weitere Forschung der Sith-Akademie zu Korriban anhören. Dieses Mal musste sie aus Höflichkeit Interesse heucheln und zuhören, während er, je länger sein Vortrag andauerte, immer bösere Blicke seiner Mutter abwehren musste.
    "Ihr seht, mein Jüngster ist vollkommen von seiner Forschungsarbeit begeistert," schnitt Gahaar ihrem Sohn schließlich energisch das Wort ab und schenkte Lord Everyndar von dem würzig duftenden Rotfrucht-Tee nach, der im Haus oft getrunken wurde. "Es ist doch schön, wenn jemand seine Bestimmung gefunden hat," erwiederte Lord Everyndar und betrachtete Anechour nicht zum ersten Mal von oben bis unten. Auch in diesem Punkt glaubte er, die meisten Prüfungen bestehen zu können: Er hatte das breite Kreuz und den hohen Wuchs eines Kriegers gepaart mit der Sauberkeit und Pflege eines Lebemannes, dazu die klaren und markanten Gesichtszüge seines Vaters. Und er war sich sicher, dass die goldlastige Mode der Tiefkernwelten an ihm sehr gut aussah. Wieder quittierte er die Aufmerksamkeit der Matriarchin mit einem Lächeln. Ihr Ehemann war vor einigen Jahren unter bislang eher mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, böse Zungen behaupteten gar, die mysteriösen Umstände hätten den Namen Vrynasha Everyndar. Seine anscheinend künftige Gattin.


    "Es ist eine Leidenschaft," bekannte Anechour freimütig. "Und das Leben als Sith wäre doch wohl kaum ein wahres Sith-Leben ohne Leidenschaften, findet Ihr nicht auch?" Er ließ seinen Blick tief in den dieser gelben Augen tauchen und probierte sein bestes Aufreißer-Lächeln an Lord Everyndar aus, die ganz offensichtlich nicht mit einer solchen Attacke gerechnet hatte. Sie hob die Brauen an, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt.
    "Leidenschaften, die zum rechten Zeitpunkt entfesselt werden sollten," verwies sie den lächelnden Reinblüter in seine Schranken, der sich davon aber nicht beirren ließ. Vielleicht würde ein Schwerenöter die Pläne ihre Tochter bezüglich in andere Bahnen lenken.
    "Manche Leidenschaften überfallen einen doch sehr plötzlich und nachhaltig, und wie es uns die Regeln lehren, machen uns Leidenschaften frei von allen Zwängen," führte Anechour den Gedanken fort und ließ seine Brustmuskeln zucken. Ein Trick, der bei der richtigen Frau durchaus Interesse wecken konnte, bei der falschen hingegen ...
    "Mein Sohn, ich glaube mich zu erinnern, Dein Vater hätte vorhin nach Deiner Hilfe verlangt. Würdest Du vielleicht nachsehen gehen, wobei?" Innerlich musste der Reinblüter schallend lachen. Wie immer war es seine Mutter, die den Schaden zu begrenzen wusste. "Aber natürlich," sagte er mit dem unschuldigsten Lächeln der Welt auf seinen Lippen. "Ihr entschuldigt mich, Lord Everyndar?" Anechour erhob sich, um dann eine höfliche Verneigung und einen ziemlich schmutzigen Blick in Richtung des Gastes seiner Mutter folgen zu lassen, bevor er den Raum verließ. Und er war sich sicher, dass sie seinen Rücken, die durch fortwährendes Training gut definierten Muskeln und seinen Hintern dabei ausgiebig begutachtet hatte.

  • Einkaufsmeile "Golden Credit "von Kaas City
    nachmittags


    Der reinweiße Stoff schmeichelte sich fließend über die ausgestreckten rechten Hand des Reinblüters, während ein menschlicher, allzu serviler Verkäufer ihm die Vorteile des Gewebes anpries. "Sehr klarer Faltenwurf, bei dem auch nach Stunden noch die eingeplätteten Falten perfekt sitzen," schwadronierte der junge Mann mit dem zurückgegelten blonden Haar und wagte nicht, seinen Besucher allzu oft anzusehen. Bei Reinblütern konnte man schließlich nie wissen, vor allem nicht, wenn es einer dieser Reinblüter mit Lichtschwert am Gürtel war. "Ihr werdet gewiss feststellen, dass unsere Nanoseide die Beste auf ganz Dromund Kaas ist, die Wartelisten sind sehr lang."
    Anechour Theress hob eine Augenbraue an. Wartelisten mochte es geben, aber auf der imperialen Hauptwelt waren sie für Sith gegenstandslos. So wenig er das eitle Gepränge und machtverliebte Getue so mancher anderer Sith zu schätzen wusste, wenn es um den Einkauf besonderer Stoffe ging, war er nur allzu bereit, diesen Vorteil auszunutzen.
    "Ich nehme den kompletten Vorrat," sagte er und winkte Ulari, die blauhäutige Twi'lek Sklavin seines Vaters, zu sich heran, damit sie das finanzielle des Verkaufs regelte. Ein Sith-Lord bezahlte nicht selbst, er ließ zahlen. "Selbstverständlich. Lord Theress, wir lassen Euch diese Seide natürlich auch gerne zum Anwesen Eurer Familie liefern." Der Reinblüter nickte zu diesen Worten nur und ging schon weiter durch die kleine, exclusive Stoffboutique inmitten einer der bekannteren Einkaufsmeilen von Kaas City. Hier gab es alles, was ein verwöhntes Auge zu schätzen wusste. Schon ein Ballen der teureren Stoffe hätte das Konto eines einfachen Soldaten überbelastet, aber für eine Familie wie die Theress', welche auf diversen Einkunftsquellen saß, war eine solche Ausgabe kein nennenswertes Problem. Als der Verkäufer versuchte, ihm zu einem anderen Regal zu folgen, winkte der Reinblüter mit einer knappen, herrischen Geste ab. Hierbei wollte er allein sein.


    Allein das pure Betrachten der Stoffe verschaffte ihm eine gewisse innere Zufriedenheit. Üppige Ornamente erfreuten seine Sinne ebenso wie klare, leuchtende Farben. In der Vorstellung des Reinblüters waren diese Stoffe nicht nur pures Gewebe, sondern der Ausgangspunkt unendlicher Möglichkeiten. Die passende Kombination von Mustern, Farben und Schnitten war wie die erfolgreiche Suche nach einem seltenen, vielleicht gar verschollenen Artefakt: Das Kleinod letztlich in Händen zu halten und zu wissen, dass es so leicht nicht von anderen nachzumachen oder zu gewinnen war, vermittelte eine tiefe Befriedigung.
    Heute war er allerdings nicht nur wegen seines stillen Genusses in diesem Laden gelandet, sondern auch wegen der Notwendigkeit, seine Garderobe zu aktualisieren und ein passendes Einstandsgeschenk für seine Braut zu finden. Seine Mutter hatte diese Sache in einem Nebensatz erwähnt, was einem strikten Befehl gleichkam und ernste Konsequenzen bei Nichtbeachtung nach sich ziehen würde. Diese Hochzeitsangelegenheit begann schon jetzt, ihm auf die Nerven zu gehen, aber zumindest konnte er sich seiner Verpflichtungen auf seine Weise annehmen. So würde Vrynasha Everyndar von ihm kein fertiges Kleid bekommen, keinen Schmuck, keine Delikatessen, keine Trainings-Utensilien, sondern tausend und eine Möglichkeit. Die Bilder seiner künftigen Ehefrau hatte er bereits eingehend betrachtet, kannte den Rotton ihrer Haut ebenso genau wie die Kurven und Kanten ihrer Gestalt. Für eine Kriegerin hatte sie ein sehr attraktives Äußeres, aber ihre Akte hatte ihn über ein weiteres, eher unschönes Detail unterrichtet: Sie war älter als er.


    Nicht, dass sein Selbstbewusstsein unter dieser Tatsache gelitten hätte. Wer sich gegen eine Frau wie Gahaar Theress durchsetzen musste, ließ sich von älteren Frauen nicht mehr wirklich einschüchtern oder aber verbrachte ein Leben als willfährtiges, im Winde ihrer Zuneigung schwankendes Etwas. Aber wer wusste schon, wie sehr sie diese Tatsache in Gesprächen heraus lassen würde? Noch waren sie sich nicht begegnet. Schweigend betrachtete er die vorhandene Auswahl an Stoffen mit eingewirkten Goldfäden, bis er schließlich vor einer dezent cremefarbenen Komposition stehen blieb. Nicht zu viel Gold, es schimmerte bei der Bewegung nur gerade so durch. Ein dezentes Muster an dünnen Linien mit reichlich Abstand zwischen den einzelnen verschaffte dem Gewebe eine augenschmeichelnde Struktur. Anechour nickte zu sich und winkte Ulari zu sich heran.
    "Zehn Meter hiervon,"
    sagte er nur knapp und wurde für einen Moment von der duftigen Nähe der jungen Frau mit der verlockend schimmernden blauen Haut abgelenkt. Ihre Lekku wippten, als sie die Zahl notierte und sich ihm in einer halben Drehung wieder zuwandte. Große Augen blickten ihn stumm und bittend an. Diese Sprache verstand er nur zu gut, auch das zarte Lecken ihrer Zungenspitze über ihre geschwungenen, üppigen Lippen. Den zurück bleibenden, feuchten Schimmer auf dieser verlockend bebenden Unterlippe.


    "Such Dir auch was aus, vier Meter maximal," fügte er mit einem leisen, inneren Seufzen an. Kein Wunder, dass sein Vater ihm die Twi'lek für die Zeit seiner Anwesenheit überlassen hatte. Von wegen, die Sklavinnen im Haus Theress seien unterdrückte, meinungslose Wesen. Chouran Theress hatte wohl vor allem seinen Geldbeutel schonen wollen! "Oh, vielen Dank, Herr, Ihr macht eine kleine Sklavin sehr, sehr glücklich," gurrte sie mit diesem Unterton in der Stimme, der klar machte, dass sie ihn heute abend auch sehr glücklich machen würde. Natürlich wusste sie genau, was sie wollte, und hatte ihre Wünsche dem servilen, eifrig nickenden Verkäufer innerhalb Rekordzeit mitgeteilt. Anechour hob amüsiert einen seiner Mundwinkel an und schritt das Regal weiter entlang. Er hatte schließlich einen Ruf zu verlieren - und irgendwie gefiel ihm der Gedanke, dass er seiner Mutter zumindest indirekt Widerstand leisten würde. Denn Vrynasha Everyndar würde ihr Geschenk erhalten - aber die Matrone des Hauses Everyndar ebenso etwas, das nur ihr zugedacht war.


    Nach einigen Minuten stiller Suche ließ er die Fingerkuppen über einen Stoff gleiten, der ein vages Echo in seiner Aufmerksamkeit zurückließ. Man konnte das Muster mit dem bloßen Auge kaum erkennen, doch die Finger ertasteten es mit ein wenig Übung. Überrascht folgte er den Linien und lachte schließlich auf, als er die Formen erkannte. Hier hatte sich der Stoffhersteller anscheinend einen Scherz erlaubt und recht freizügige, heteroerotische Darstellungen eingewebt. Genau der richtige Stoff, um ein bisschen mit dem Feuer zu spielen. Beides würde den Damen noch heute überbracht werden, der harmlose Stoff für seine künftige Gemahlin wie auch der weniger harmlose Stoff für ihre Mutter - und dann würde er abwarten. Bei solchen Dingen hatte Anechour Theress Geduld. Sehr viel Geduld. Schmunzelnd winkte er Ulari wieder zu sich, die sich um den nächsten Kaufauftrag kümmern würde, ohne zu ahnen, was es damit auf sich hatte.

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Versammlungsraum der Familie, nachmittags


    "Er tut es schon wieder!"
    Lord Chouran Theress blickte von seiner Lektüre nicht einmal auf, als seine Gemahlin durch den Raum schritt, jeder Zoll ein Bündel mühsam beherrschter Wut. Gemächlich scrollte er den Datensatz, den ihm sein Datapad anzeigte, weiter nach unten und tat so, als würden ihn die Haushaltsabrechnungen der letzten Monate brennend interessieren. Seine lange Ehe mit Gahaar hatte den Lord so einiges darüber gelehrt, wie er mit bisweilen erfolgter Zustimmung dem größten Sturm aus dem Weg gehen konnte, und auch dieses Mal verlegte er sich auf diese Methode, um sich nicht wesentlich mit ihr beschäftigen zu müssen.
    "Seit zwei Stunden dröhnt dieser Lärm durch das Haus! Wie kann er sich diesen Schund nur freiwillig anhören?" Klirr! Irgendein unschuldiger Ziergegenstand, von denen es ohnehin nur wenige im Hause Theress gab, diente als kurzzeitiger Blitzableiter für Gahaar und landete auf dem polierten Boden. Fast sofort näherte sich geräuschlos ein kleiner Mausdroide und begann, die Scherben aufzusaugen, damit auch weiterhin der Theress'sche Fußboden staubfrei bleiben würde. Chouran hob den Blick an und versuchte angesichts der Haltung seiner wütenden Gemahlin abzuschätzen, wie lange ihr Wutanfall noch dauern würde.
    Wie sie die Schultern hielt, musste er noch mit mindestens zehn Minuten ungehemmtem Geschrei rechnen, das durch den durch das Gebäude dröhnenden Lärm passend ergänzt wurde. Lärm, den musikinteressiertere Zeitgenossen zweifelsohne als eine Sith-Oper erkannt hätten, deren Zauber allerdings an Mystiker Chouran vollkommen verschwendet war. Er schätzte die Stille, welche es ihm ermöglichte, seine Gedanken zu sammeln und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren - allerdings schien sein jüngster Sohn Anechour noch immer anderer Meinung zu sein.


    "Irgendwann hört er damit auch wieder auf. Immerhin ist es ein Geschenk seiner Zukünftigen, die Du ausgesucht hast. Würde er sich dem überhaupt nicht widmen, wärst Du auch nicht zufrieden," wandte der Lord gleichmütig ein und beobachtete interessiert, wie eine Ader auf Gahaars Stirn zu pochen schien, als sie sich ihm wieder zuwandte. Sie schnappte nach Luft, und fast schon erwartete er, dass sie auf ihn zuspringen würde, das Lichtschwert gezückt. Aber dieses Mal hatte sich die Matrone des Hauses Theress besser im Griff. Vor zwanzig Jahren wäre er wohl nicht so glimpflich davon gekommen - vor zwanzig Jahren hatte Chouran allerdings auch darauf geachtet, ihr bei derartigen Wutanfällen sehr weit aus dem Weg zu gehen.
    "Du meinst also, dass er die Sache endlich ernst nimmt?" fragte Gahaar und zog mühsam Luft ein. Fast schien es, als könnte Chouran die Gedanken hinter ihrer Stirn beim Arbeiten verfolgen, die sich in neue Richtungen wandten und Verknüpfungen herstellten. Dass ihr das noch nicht aufgefallen war, erstaunte ihn, aber bisweilen erwies sich seine Gemahlin bei zwischenreinblüterigen Empfindungen als erstaunlich blind. Vor allem, wenn es darum ging, wie ihr jüngster Sohn wirklich funktionierte.


    "Es liegt zumindest im Bereich des Möglichen. Überlege doch: Der Holonet-Bericht war positiv und bringt seinen Namen vorteilhaft ins Spiel. Es war richtig, ihm den Empfang anzuvertrauen, er zeigt das passende Talent. Und es wird uns nicht schaden, als Veranstalter wahrgenommen zu werden, wenn die Gäste auch nur einen leidlich positiven Eindruck mit nach Hause nehmen." Politisch gesehen war vor einigen Tagen veranstaltete Salon sicherlich kein schlechter Schachzug gewesen, und er hielt Anechour auf Dromund Kaas fest. Zwei Anliegen, die mit einer Handlung erfüllt wurden - dabei konnte man auch auf ultralaut gestelle Sith-Opernmusik irgendwie ertragen, die sich für Chouran immer so anhörte, als würde jemand über mehrere Stunden hinweg gefoltert und würde versuchen, das in gesungene Töne zu gießen.


    "Das ändert die Musikproblematik nicht," knurrte die Sith-Kriegerin frustriert und hieb mit der geballten Faust auf ein unschuldiges Tischchen ein, das ihrer Wut allerdings standhielt. Die Erfahrung vieler Jahre hatte Chouran gelehrt, nur sehr stabile Möbel neu anschaffen zu lassen.
    "Es wird vorbei gehen. Immerhin sind diese Opernaufnahmen ein Geschenk seiner Zukünftigen," beschwichtigte der Lord seine Gemahlin und öffnete eine neue Datei aus der Haushaltsverwaltung. "So steht zu hoffen, dass sie sich zumindest nicht aus tiefstem Herzen hassen und wir umso schneller an das gewünschte Ergebnis gelangen."
    "Ich gehe trainieren," schnappte Gahaar und rauschte unter Aufbietung all ihrer Würde hinaus - nur um nicht zugeben zu müssen, dass ihr Ehemann wahrscheinlich sogar Recht hatte. Kurz zuckten die Mundwinkel Chourans empor, dann schottete er seinen Geist gegen das Geschrei ab und verlor sich in der Buchhaltung, die er auch nach vielen Jahren peinlich genau überprüfte.


    Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Privatraum Anechour Theress, nachmittags


    Die Musik schwoll an und füllte seinen Kopf aus, als stünde er direkt neben dem Orchester, welches einst die Aufnahme gemacht hatte. Die feinen Klänge der Streichinstrumente mischten sich in den gewaltigen Rausch der Trompeten, ein Kloo fügte sich harmonisch in den Gesamtklang ein. Doch die Stimmen waren der Gipfel der Perfektion: Die weibliche Heldin umschiffte alle Klippen der Partitur mit einer Eleganz, dass Anechour es bedauerte, ihr niemals begegnen zu können, um ihr selbst für ihre außergewöhnliche Leistung zu gratulieren. Von dieser Aufnahme konnte er nicht genug bekommen, der subtile Schmerz ihrer Darstellung, gemischt mit dem jähen Triumph über alle Untiefen der Handlung, der sich in jeder gesungenen Note wiederschlug.


    Und, was ihm am Besten an allem gefiel, gemischt mit dem süßen Geschmack der Wut seiner Mutter, die schon eine halbe Stunde lang durch das Haus tobte und sich keinerlei Grenze unterwarf. Ihre Emotionen lieferten den Hintergrundklang seines Genusses, weil er wusste, dass sie ihm dies nicht verbieten würde, nicht verbieten konnte - schließlich durfte sie ihn nicht dafür bestrafen, dass er so handelte, wie sie wollte. Dass er sich mit dieser unseligen Vermählungsgeschichte zumindest vordergründig anfreundete.
    Gemütlich auf seinem breiten Bett zurückgelehnt lag er auf den Kissen, dirigierte das unsichtbare Orchester mit einer Hand und dankte abermals Vrynasha Everyndar für den hervorragenden Einfall, ihm als Erwiederung auf sein Geschenk diese seltene Sith-Opernaufnahme zu verehren. Etwas an ihrem Verhalten hatte ihn ahnen lassen, dass sie auch nicht gerade von der Aussicht auf eine Heirat erfreut war - vielleicht war das Geschenk gerade deswegen so ausgefallen.


    Er ließ seinen Blick über die Einrichtung schweifen und rekapitulierte abermals die Ereignisse des Abends, der nun schon zwei Wochen zurück lag. Wie ein Klangteppich war auch der Salon verlaufen, im großen und Ganzen einigermaßen harmonische Töne. So harmonisch, wie man es eben von einem Raum voller Raubtiere, die versuchten, kultiviert zu wirken, erwarten konnte. Keine allzu großen Auswüchse, keine wirklich langweiligen Gäste. Dafür aber viele neue Bekanntschaften und Gesichter, und auch das Wissen darum, dass seine Anwesenheit in Kaas City anscheinend Interesse weckte. Gerade Lord Eldira Variss mit ihren Fragen war ihm im Gedächtnis geblieben. Neugierde war etwas, das ihn stets vorsichtig machte, wusste er doch nur zu gut, wohin sie einen Sith führen konnte.
    Auch die anderen Mitglieder des Hauses Variss erschienen kultiviert, gesellschaftstauglich - es würde umso spannender sein zu beobachten, wann die Masken fallen würden. Die Akademie-Vertreter hatten fast für ein Zerwürfnis gesorgt, jedenfalls Hüterin Eidoki - zu schade, dass es kein echter Konflikt geworden war. Nichts verriet einen Sith mehr als sein Umgang mit Konflikten. Wie Lord Vrynasha es geschafft hatte, die Gäste mit ihrer Ansicht immer wieder sanft vor den Kopf zu stoßen, ohne sie direkt zu beleidigen, verlangte einen gewissen Respekt. Es würde sicherlich amüsant werden, ihr bei der nächsten Gelegenheit mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Und natürlich denjenigen, denen sie ihre Ansichten zum Besten gab.


    Als die Musik einen neuen Höhepunkt erreichte, streckte er sich genüsslich aus und ließ die Gesichter der vergangenen Gäste vor seinem inneren Auge Revue passieren. Es würde interessant sein zu sehen, wer beim nächsten Mal erscheinen würde - und ob aus dieser Runde jemand einen eigenen Salon veranstalten würde, bei dem er selbst Gast sein konnte.Anechours Blick glitt über die ausgesuchten Stücke seiner Sammlung, die er zu seinem Vergnügen auf eine besondere Weise angeordnet hatte - und er stutzte.
    Eine der Statuen stand nicht mehr so, wie er sie hinterlassen hatte, der Brechungswinkel des von draußen hereindringenden Lichts war völlig falsch. Ein Missklang, der sich so deutlich abhob, als hätte jemand mit roter Farbe einen Pfeil an die Wand gemalt. Jemand hatte also in seiner Abwesenheit sein abgeschlossenes Gemach betreten und diese Statue bewegt. Fast sogleich war die Musik vergessen, und er widmete sich dem Gedanken, wie er herausfinden würde, wer es gewesen war - und vor allem warum. Was war ihm in der letzten Zeit entgangen?

  • Imperialer Abfangjäger Fury-Klasse 'Sharp Blade'
    Hangar 87D, Raumhafen Dromund Kaas
    nachts


    Das leise Wispern der auf den Bildschirmen herunter scrollenden Datensätze umgab ihn wie eine elegante Symphonie. Wo sein Lord in der Opulenz vielstimmiger Klangfolgen schwelgte, vertiefte sich Rukan mit Vorliebe in Dingen, die weit weniger greifbar waren als Musik, und doch so unglaublich viel wichtiger. Die zwölf Bildschirme waren um seinen Sitzplatz angeordnet, sodass er nur mit einer leichten Kopfbewegung die Inhalte aller Screens erfassen konnte. Das Halbdunkel des kleinen Raumes auf dem Raumschiff seines Lords gefiel dem Nautolaner, denn es erlaubte ihm, die Augen zu schließen und seine Vorstellungskraft ungehindert auf die Reise schicken zu können. Im Augenblick hatte er nicht viel weiter zu tun, als bestimmte Dinge im Blick zu behalten. Suchbegriffe, allgemeine Informationen, Klatsch in Holonetforen, Bilder. Vor Jahren hatte es jemanden gegeben, der ihn gefragt hatte, warum ihm das Leben als Schoßhündchen eines Sith so sehr gefiele. Immerhin müsse er beständig Befehlen folgen, und mache sich zum Spielball der Launen eines Machtanwenders, was im besten Fall zu einem deutlich verkürzten Leben führen könne.
    Rukan lächelte bei der Erinnerung an die entgleisenden Gesichtszüge des anderen, als er ihn darüber aufklärte, dass es sehr viel Spaß machen konnte, mit einem ganz bestimmten Sith-Lord zusammen zu arbeiten. Das eigentliche Geheimnis hatte er indes für sich behalten, wenngleich in seiner Aussage viel Wahrheit gelegen hatte. Es machte ihm wirklich Spaß, das Leben dieses forschenden Nomaden zu teilen.


    Denn in einer Sache waren sich beide, der Reinblüter mit dem enormen Hang zu den schönen Dingen des Lebens, und der nachdenkliche, etwas eigenbrötlerische Nautolaner fern seiner Heimat, sehr ähnlich: Sie waren grenzenlos neugierig auf die Galaxis und ihre Bewohner. Dass sein Lord nebenher noch Artefakte aufstöberte, war ein angenehmer Nebeneffekt, der ihm und seinem Gefolge ein sehr bequemes Leben ermöglichte. Irgendwo her mussten die Credits für die vielen Goldkragen schließlich kommen. Rukan streckte gemütlich die Beine aus und parkte seine Fersen auf der Kante seiner Arbeitsoberfläche, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ seine Gedanken schweifen. In welchem Job konnte man schließlich noch so viele Mußestunden haben wie in diesem? Und eine erweiterte Freigabe für sehr interessante Datenbanken, die ihm einiges an mühseliger und ziemlich illegaler Arbeit ersparten.
    Im Augenblick waren seine Suchalgorythmen eindeutig fleißiger als er, aber genau dafür hatte er sie auch erschaffen und wie kleine, ausgesprochen neugierige Insekten auf den Dschungel der Datennetze losgelassen. Rukan hingegen beschäftigte sich in Gedanken mit den letzten Holonachrichten seiner Frau und den Kindern. Sie hatten ein gutes Leben, ein sicheres Leben, das er ihnen verschafft hatte. Dass seine Kinder einmal eine hervorragende Ausbildung erhalten würden, war sein Verdienst, und er liebt es, die Briefe seiner Kinder immer und immer wieder zu lesen. Wenn der Preis dafür war, wenig Zeit mit ihnen an einem Ort verbringen zu können, war es das wert. Lächelnd rief er sich das Bild seiner ältesten Tochter ins Gedächtnis. Wie groß sie geworden war. In einigen Jahren würde er die liebeshungrigen Teenager in ihrer Umgebung nur mit einem Blaster von ihr fern halten können. Schon jetzt hatte sie ein Lächeln, bei dem Steine schmelzen konnten.


    "TWIEP!"
    Der laute, enerviertende Ton durchbrach die Folge an Bildern, in denen seine Kinder spielend auf einem der eingezäunten Areale ihrer Wohnanlage herum tollten und sich gegenseitig mit Grashalmen bewarfen. Blinzelnd streckte sich der Nautolaner und warf einen Blick auf den dritten Bildschirm oben rechts, auf dem das rote Warnzeichen aufgetaucht war, welches ihn davon unterrichtete, dass einer seiner Suchalgorythmen etwas aufgestöbert hatte. Einige betätigte Tasten später hatte er die Suchergebnisse auf seinem Hauptarbeitsscreen und betrachtete die Ansammlung von kurzen Textnachrichten, die in einem Chatraum im Holonet aufgetaucht waren. Und das dazugehörige Bild. Die Augen des Datenspezialisten - er würde sich selbst niemals als Hacker bezeichnen - weiteten sich, als eine ihm durch seine Recherchen inzwischen sehr vertraute Person zu sehen war, mit einem ausgesprochen peinlichen Kostüm ausgestattet, und einer Haltung, die man selbst im besten Betrachtungsfall nur als recht aufreizend bezeichnen konnte.
    Die Kinnsporne und ausgeprägte Kochenform der Stirn waren unverkennbar, aber real entstanden sein konnte dieses Bild nicht. Soviel wusste er über Reinblüter inzwischen - sie legten unglaublich viel Wert auf ihr Ansehen, die Ehre ihrer Häuser. Also musste dieses Bild im knappen Dress ein Fake sein. Schon wenige Sekunden später zeigte ihm seine Software, was passiert war - man hatte das Bild eines menschlichen Models alteriert, ein passendes Portraitfoto geschickt auf einen sexy Körper montiert. Wieder flüsterte Rukan mit dem Holonet und ließ seine kleinen Helferlein erneut los, um sich auf die Suche nach der Quelle zu machen. Mit einem Mal war er hellwach und seine Neugierde geweckt. Bilder dieser Art entstanden nie ohne Grund, vor allem nicht in einem derart verlächerlichenden Kontext. Irgend jemand hatte es darauf abgesehen, Lord Vrynasha Everyndar zu treffen, und sich eine ziemlich interessante Waffe dafür ausgesucht. Sinnierend verfasste er einen Bericht an seinen Lord und machte sich dann daran, einige neue Suchvarianten auszuprobieren, die ihm in diesem Fall passend erschienen ...


    Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Privatraum Anechour Theress, morgens


    Es war nur ein sehr leises Geräusch, aber es reichte aus, um den ohnehin nur leichten Schlaf des Reinblüters zu unterbrechen. Gemächlich schob er den blauen Arm von seiner Brust und richtete sich auf. Ulari räkelte sich im Schlaf, aber sie war für gewöhnlich nicht leicht zu wecken und schlief auch dieses Mal weiter. Ihr geschmeidiger Körper wirkte selbst im Schlaf erschlafft anziehend, der leichte Schimmer auf ihrer blauen Haut, das Wissen um die Dinge, die sie tun konnte, verstärkten diesen Reiz nur noch. Kein Wunder, dass sie ihren Platz unter den Sklaven des Hauses so lange behalten hatte. Anechour schwang die Beine aus dem Bett und tappte unbekleidet, wie es seine Art beim Schlafen war, in Richtung der Konsole seines Gemachs. Gähnend rief er die Nachricht ab, die ihm sein Gefolgsmann Rukan zugesandt hatte und hätte fast überrascht gekeucht, als er den Bildanhang öffnete.
    Nicht, dass er etwas gegen Frauen in erotischer Pose hatte - aber diese Frau in einer erotischen Pose, deren Bild offensichtlich aus dem Netzwerk eines Kampfschiffs in das Holonet geschwappt war, war ein offener Affront. Mit gerunzelter Stirn las er die beigefügten Anmerkungen Rukans durch und ließ sich in den Stuhl vor der Konsole fallen. Heute würde er sicher keinen Caf brauchen, um wach zu werden, das Bild hatte gereicht. Was für ein vertracktes Timing des Schicksals mochte dazu geführt haben, dass er es ausgerechnet am Morgen nach seinem eingehenden Gespräch mit Lord Tryf Everyndar in seine Hände bekam? Nach einem so richtungweisenden und wichtigen Gespräch, welches ihm sehr deutlich gezeigt hatte, wie die Spielfiguren auf dem Brett verteilt standen und vor allem, wer die Spieler sein würden.


    "Ist das nicht Eure potentielle Verlobte, mein Sith-Lord?" Schmeichelnd schmiegten sich die Arme der Twi'lek-Sklavin um seinen Hals, sie presste ihren warmen Leib verführerisch an seinen Rücken und schien fast zu schnurren. Er schob sie mit Nachdruck von sich und deaktivierte die Bilddarstellung.
    "Geh," sagte der Reinblüter knapp und wandte sich sogleich von ihr ab, schritt in den kleinen Ankleidebereich seines Gemachs, wo er die für den Tag bereitgelegten Kleidungsstücke musterte, um sich dann doch wie so oft anders zu entscheiden. Heute bedurfte es einer auffälligeren Aufmachung, um einen Standpunkt deutlich zu machen. Dass Ulari einen beleidigten Schmollmund machte, glitt ebenso an ihm ab wie ihre betont langsamen Schritte, mit denen sie versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    Erst als sich die Tür hinter ihr schloss, atmete er auf und rückte den Goldkragen über seinem weißen Gewand sorgsam zurecht. Die Sache bedurfte unbedingter Aufmerksamkeit - Rukan würde sicherlich herausfinden, woher das Bild genau kam, und dann würde er sich entscheiden, was er in dieser Sache unternehmen würde. Denn dass etwas getan werden musste, daran bestand kein Zweifel. Routinemäßig ließ er den Blick über seine ausgestellten Artefakte und die besagte Statue gleiten, die ihm schon einmal aufgefallen war. Und wieder stimmte der Winkel nicht mit dem überein, den er selbst zwei Tage zuvor gewählt hatte. Einmal mochte ein Zufall sein, aber ein zweites Mal verdiente Argwohn. Sein nächstes Gespräch mit Rukan würde sich wohl auch mit diesem Aspekt beschäftigen müssen. Der Blick in seinen Spiegel zeigte, dass der gewünschte Eindruck vorhanden war, also machte er sich auf den Weg in die Tiefen des Anwesens, um seinen Vater aufzusuchen.


    Chouran Theress musste seit Stunden wach sein, sein geschäftiges Hantieren mit diversen Gewürzkräutern und Flüssigkeiten an seinem Arbeitstisch im Labor des Anwesens und die auf dem Tisch verteilten Kleinigkeiten verrieten dies deutlich. Was auch immer das Gemisch, an dem er gerade arbeitete, einmal ergeben würde, konnte sich Anechour nicht so recht vorstellen, und eigentlich wollte er das auch nicht wissen. Die Niederungen der Sith-Alchemie hatten stets seinen Argwohn erregt, wenn nicht gar dazu geführt, dieses Studienfach zu meiden.
    Aber vielleicht wurde es ein Trank, der dazu imstande war, die Wut seiner Mutter zu dämpfen? Sollte sie jemals von Lord Vrynashas peinlichem Pinup-Bild erfahren, wäre ein solches Gebräu sicherlich von unschätzbarem Wert. Erst als Chouran von seiner Arbeit aufblickte und den Steinbecher beiseite stellte, in dem er gerade Kräuter mit einem Stößel zerdrückt hatte, richtete der Artefaktforscher das Wort an ihn.
    "Vater ... ich denke, wir sollten uns einmal eingehend über Haus Everyndar unterhalten ..."

  • Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Privatraum Anechour Theress, Morgengrauen


    Die Zeichen auf dem Bildschirm seines Terminals flimmerten, aber der Sith-Lord hatte längst damit aufgehört, sie zu betrachten. Bläulicher Schein tauchte seinen Privatraum im Anwesen seiner Eltern in kühle, klare Farben, die mit der heraufziehenden Morgendämmerung konkurrierten. So, wie sich die Lichtverhältnisse vor dem raumhohen Fenster entwickelten, würde es wieder ein regnerischer Tag werden, aber nicht allzu trüb. Für Dromund Kaas also verhältnismäßig gutes Wetter. Während Anechour Theress seine trainierte Gestalt auf dem Stuhl vor seinem Arbeitsplatz ruhen ließ, bewegten sich seine Gedanken pausenlos.
    Nach dem erforderlichen Update über die politischen Gegebenheiten der Reinblüter-Enklave von Panasch und die Stellung von Haus Everyndar im vorhandenen Gefüge hatte der Lord sein Spielfeld bereinigt und einige der vorhandenen Figuren neu aufgestellt. Die Angelegenheit begann ihn wirklich zu interessieren, vor allem die sich bietenden Chancen. In den vergangenen Jahren war es ihm ohnehin auf Dromund Kaas zunehmend zu eng geworden, auch ohne den Erwartungsdruck seiner Eltern darauf, aus dem letzten verbliebenen Sohn den geeigneten Erben zu gestalten. Er wusste genau, hätte er seinen Eltern gegenüber enthüllt, auf welche Weise er sich künftig einzusetzen gedachte, wären sie überglücklich gewesen. Es hätte ihre Last zweifelsohne verringert. Aber niemand hatte jemals von ihm behauptet, er sei besonders gnädig. Sie würden es genau dann erfahren, wenn es ihm gefiel, es sie erfahren zu lassen - und auf genau die Art und Weise, die er dafür wählen würde. Nicht vorher.


    Die einfache Zeile, welche Rukan für ihn in einem der Schlachtberichte der "Sword of Naga Sadow" gefunden hatte, war jedoch ein Zeichen dafür, dass nicht alle Dinge so liefen, wie sie laufen sollten. Nicht, dass er daran gezweifelt hätte, dass Lord Vrynasha noch lebte. Sie war nicht die Person, die man in einer Schlacht allzu schnell abschreiben sollte. Allein die Tatsache, dass anstelle eines KIA ein MIA hinter ihrem Namen stand, machte für ihn die Sache recht klar. Gegen ein KIA war niemand gefeit, Pech konnte man immer haben. Aber aus einem MIA konnte man sich immer irgendwie herauslavieren, und Anechour zweifelte nicht daran, dass ihr dies gelingen würde. Mit einem Tastendruck schloss er dieses letzte Dokument, welches ihm von seinem Gefolgsmann übermittelt worden war. Der Nautolaner hatte ganze Arbeit geleistet, was das missliebige Bild betraf. Die Datei war ausserhalb des Schiffsnetzwerks so unbrauchbar gemacht worden, dass sie nahezu vollständig aus dem Holonet getilgt worden war.
    Keine Datei konnte vollständig verschwinden, aber Rukan würde auch weiterhin die Augen offen halten. Er war geschickt in diesen Dingen, und er mochte die Herausforderung. Zwei gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Datenspezialisten. Und er hatte noch etwas gefunden: Den Namen des ursprünglichen Erstellers der Grafik, der sich nach der totalen Funkstille, in welchem der Flottenverbund operiert hatte, bei Aufnahme neuerlicher Holonettätigkeit der Schiffskanäle nicht mehr verbergen konnte. Es war zwar im höchsten Maße illegal, sich in die Kommunikation eines imperialen Kampfschiffes einzuklinken, aber ... Rukan war ein Spezialist. Ein sehr guter Spezialist. Diesen Namen würde er Lord Vrynasha zum Geschenk machen, wenn sie zurückgekehrt war. Mit einem kleinen, imaginären Schleifchen. Während ein anderes Geschenk, das ihre Mutter noch an diesem Tag erreichen würde, ein tatsächliches Schleifchen um sich gewunden haben würde.


    Anechour Theress erhob sich und griff nach einer bodenlangen Robe, mit der er seine nackte Haut bedeckte. Die Neuigkeiten hatten an seinem ursprünglichen Plan nur wenig verändert. Wann hatte er eigentlich begonnen, die Pläne seiner Eltern zu akzeptieren? Das Gefühl, diesen Wünschen entrinnen zu wollen, war zwar nicht kleiner geworden, aber andererseits würde eine Heirat und damit eine Konsolidierung zweier Machtbereiche auch neue Möglichkeiten bieten. Möglichkeiten, die ihn neugierig machten.
    Er schritt durch seinen Privatraum und griff nach der Hose, um sich nachlässig anzukleiden. Zu dieser Zeit war im Anwesen noch nichtt viel los, selbst der unermüdliche Dubnar, der ältliche menschliche Haushofmeister der Familie, war noch an anderen Stellen im Haus unterwegs. Ein Frühstück hätte er sich bringen lassen können, aber noch verlangte ihm nicht danach. Diese morgendliche Unruhe des Reinblüters ließ sich für gewöhnlich nur auf eine Art und Weise mildern.
    "Ulari!" Die Twi'lek-Sklavin war schnell zur Stelle, doch wirkte sie, als hätte sie gerade noch geschlafen. Ehrerbietig verneigte sie sich vor Anechour, nicht ohne ihm eine gute Gelegenheit zu verschaffen, die aufklaffende Vorderseite ihrer einfachen Robe zu betrachten, und natürlich das, was sich darunter verlockend und blau schimmernd wölbte. "Bereite mir ein Bad." - "Ja, mein Sith-Lord," flüsterte sie eilig, der Klang ihrer Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie sich ihm gerne im Wasser anschließen würde. Wurde diese Twi'lek eigentlich nie müde? Oder forderte er sie vielleicht nicht genug? Er wusste, dass er den Vergleich zu seinem Vater nicht scheuen musste, aber so langsam machte er sich über den fortwährenden sexuellen Appetit der Sklavin so seine Gedanken. Am Ende nahm sie noch Drogen, um allzeit bereit zu sein. Und wenn sie das tat, was versprach sie sich davon?


    Müßig betrachtete er den fadenförmigen Regen vor dem Fenster, der im neuen Tageslicht aussah, als hätte jemand versucht, alles auf dem Planet mit dünnem Silberdraht festzubinden. Wirklich schön fand er den Planeten nicht, aber solche Momente wusste der Reinblüter durchaus zu schätzen. Das Rumoren der Sklavin im Nebenraum eröffnete ihm die Gelegenheit, sich einem weiteren Dokument auf seiner Konsole zu widmen, das neben den alltäglichen Berichten seiner Gefolgsleute automatisch in seinem Posteingang gelandet war. Seit er seinen Privatraum von einer kleinen Kamera überwachen ließ, waren die Berichte bedeutungslos gewesen. Niemand, der sich an seinen Sachen zu schaffen machte. Er hatte sich schon eingestehen müssen, dass er sich vielleicht getäuscht hatte - bis auf diesen Morgen. Dieses Mal hatte er die Manipulation nicht bemerkt, doch war sie geschehen. Eine schlanke, grazile Hand mit blauhäutigen Fingern hatte sich an seinen Artefakten zu schaffen gemacht, und damit auch an dem Geheimversteck, welches sich innerhalb einer der Statuetten befand.
    Das leise, fröhliche Summen aus dem Baderaum nebenan klang mit einem Mal entsetzlich hohl und leer. Also doch. Einer der ältesten Tricks, die man im ewigen Spiel zwischen den Häusern einsetzen konnte, und doch hatte er funktioniert. Was mochte sie alles in der Nähe seines Vaters aufgeschnappt haben? Was in seiner eigenen Nähe? Ein weiterer Tastendruck verschlüsselte den Bericht und schloß ihn, bevor er sich in den Nebenraum begab, die aufsteigende Wut mühsam unterdrückend. Noch durfte sie nicht merken, was er entdeckt hatte. Noch musste alles so sein wie stets.
    "Zieh Dich aus," sagte der Reinblüter, als er hinter die kurvige Twi'lek trat, legte beide Hände auf ihre weichen Hüften und zog sie an sich, wie es ihnen schon längst zur Gewohnheit geworden war. Genüsslich räkelte sie sich in seine Arme und schmiegte sich enger an den Mann, der in genau diesem Augenblick ihren Tod plante.


    Anwesen der Panaschadi-Gesandtschaft
    Kaas City, Dromund Kaas
    Privatraum von Lord Tryf Everyndar
    , mittags


    Es gab für die Dienerschaft, egal wo sich die Mitglieder der Familie Everyndar befanden, immer reichlich genug zu tun. Eine der amüsanteren Pflichten bestand daraus, den täglichen Eingang von Geschenken und Nachrichten an den Empfänger weiter zu reichen, denn die Kästen und Pads versprachen immer eine gewisse Reaktion. Manche Geschenke wurden gerne gesehen, manche dienten alleine dazu, diplomatischen Kontakt aufzubauen und zu erweitern und landeten dann, weil kein Sith imstande ist, die eingegangenen Weine, Spezereien und Spezialitäten alleine zu essen, in den willigen Mägen und Mündern eben jener Diener, die sie ehrerbietig von den Boten angenommen hatten. Manches Mal verursachte eine Botschaft auch Wut, ein guter Grund, sich dann an einem anderen Ort zu beschäftigen und Lord Tryf nicht mit der Anwesenheit ihrer Untergebenen zu belästigen.
    Eine der Botschaften an diesem Tag wurde von einem Menschen ohne nennenswert herausragende Merkmale abgegeben, der sich als Lieferant eines Antiquitätenhandels aus der Stadt auswies und dessen Papiere der ersten Überprüfung ohne Mühe standhielten. Dass er neben einer verschlossenen Lagerkiste eine Nachricht überbrachte, bewegte sich im normalen Rahmen des Üblichen, der Absender indes verursachte vor allem eines: Neugierde. Lord Theress' letztes Geschenk hatte Lord Tryf toben lassen und Lord Vrynasha lachen - welches Echo würde wohl heute eintreten?


    Nach dem Auspacken der Transportkiste wartete auf einem Tisch in Lord Tryfs Gemach eine Schatulle aus dunklem, blank poliertem Edelholz, welche die verschiedenartigen Symbole eines Sabacc-Kartendecks eingraviert zeigte. Man könnte sich diese Schatulle auch hervorragend auf dem Schreibtisch eines würdigen älteren Herrn mit kleinen Lastern vorstellen, zu denen auch das Kartenspiel selbst zählte, eines Mannes, der seinem Freizeitvergnügen vor allem auf eine Weise begegnete: Mit Stil. So waren denn auch die innen sorgsam bewahrten, sechsundsiebzig Karten von hervorragender Qualität und wirkten nahezu wie neu, die holografischen Motive darauf waren von einem wahren Meister gestaltet worden. Gerade bei den Bild-Motiven wie der Königin der Luft und Dunkelheit und dem Tod verriet sich das Können des Unbekannten und machten die Karten zu einem ästhetischen Genuss.
    Das Datenpad mit der Botschaft des Lords wurde vom zuständigen Diener behutsam neben der Schatulle abgelegt und dem Blick von Lord Tryf überlassen.


    Lord Tryf,
    unser letztes Gespräch lässt mich vermuten, dass Ihr eine hervorragende Sabacc-Spielerin sein müsst.
    Lasst mich Euch deswegen ein besonderes Blatt zugedenken, das Euch in einer normalen Runde hoffentlich
    durch seine Machart erfreuen wird. Für eine besonders private Runde mit einem für Euch interessanten
    Mitspieler indes empfehle ich, den kleinen Knopf im Inneren der Schatulle zu betätigen, da er jeden neuen
    Stich gewiss zu einem Erlebnis machen dürfte. Versucht Euer Glück zunächst damit, die Königin und den
    Idioten aufeinander zu legen.


    Anechour Theress


    Ps.: Es ist bedauerlich, nicht durch Euch von Lord Vrynashas Status erfahren zu haben, doch hege ich gute
    Hoffnung, dass dieser nicht von langer Dauer sein wird.


    Sollte Lord Tryf den Knopf tatsächlich betätigen und wie vorgeschlagen mit den beiden Bildkarten verfahren, so wird sie Zeugin eines interessanten holographischen Schauspiels: Die beiden Bildmotive erheben sich aus dem Hintergrund der Karte und stürzen sich einander in die Arme, um sich einem ausgesprochen eindeutig unzüchtigen Spielverlauf hinzugeben. Dies ist bei allen anderen Kartenmotiven ebenfalls möglich und wird vor allem bei den Zahlenkarten zu einem ausgesprochen orgiastischen Schauspiel ...
    Amüsanterweise sind die Handelnden der gesamten Kartenerotik ausschließlich Reinblüter.

  • Ritualräume des Anwesens von Haus Zelaar
    Korriban
    vor langer Zeit, abends


    Die Sith wirkten angegriffen, von den vorherigen Arbeiten erschöpft. Die dunkle Seite verlangte einen harten Tribut, wenn man tiefer in ihre Mysterien vordringen wollte, und zehrte an denen, die es versuchten. Auch für geübte Sith stellte sich diese Wirkung stets ein, doch manche Dinge mussten getan werden, wenn man ein bestimmtes Ziel zu erreichen versuchte. Arcoun dankte im Stillen der Genetik dafür, dass er eine sehr gute Genmischung von seinen Eltern mitbekommen hatte - vor allem seine hohe körperliche Widerstandskraft war für derlei kraftzehrende Rituale stets von Vorteil.
    Überhaupt war er überzeugt, dass er von all seinen Geschwistern die beste Kombination der Fähigkeiten seiner Eltern erhalten hatte. Ishaar war zu weich, um sich durchzusetzen, Angaar verlor sich lieber in den theoretischen Tiefen der Machtmystik und von seinem jüngsten Bruder Anechour wollte Arcoun gar nicht sprechen. Dieser schien bei weitem das am wenigsten nützliche Mitglied der Familie, auch wenn er sich an der Akademie bislang recht gut gehalten hatte. Aber irgend etwas musste auch dieser unwürdige Sproß der Lenden seiner Eltern gut sein, und sei es nur, nicht allzu unangenehm aufzufallen.


    Arcoun raffte seine Robenteile an sich und verbarg das müde Zittern seiner Hände im Schutz der Ärmel. Heute waren sie weit gegangen, erstaunlich weit. Das Ziel würde sich jedoch lohnen. Wenn alles verlief wie geplant, würde es einen mächtigen Sith-Lord zu Fall bringen und denen, die ihn stürzten, die reiche Ernte seiner Besitztümer und Einflussphären. Lange genug hatte er sich diesem arroganten Menschen angedient, ihn ausgeforscht, Geduld bewiesen, bis ihm das geschickte Konstrukt von Lord Ascens klar geworden war.
    Bis er erkannt hatte, welche Hebel gezogen werden mussten, um eine bestimmte Wirkung zu erlangen. Ganz der Vater, dachte Arcoun mit nicht geringem Stolz auf seine Geduld. Das heiße Blut seiner Mutter war an ihm weitestgehend vorüber gegangen, in seiner Art schlug er mehr nach dem grüberlischen, planerischen Vater.


    Er schritt den Gang entlang, der ihn zu seinen Räumlichkeiten führte und schloß die Türe hinter sich. Endlich Stille. Das verlangende Drängen in seinem Inneren ebbte ab, während er mit schlafwandlerischer Sicherheit den Möbeln auswich, die nicht die seinen waren. Hier war er nur Gast, aber es wäre sträflich nachlässig gewesen, diese Dinge im Anwesen seiner Eltern zu vollführen. Kein Makel und keine Spuren durften zurückbleiben, um alle Beteiligten zu schützen. Dafür gab es Unterstützer, die durch vielerlei Bande an ihn gekettet waren. Oh ja, Arcoun hatte von seinem Meister gelernt, vieles gelernt.
    Auch, wie man sich andere verpflichtete und sich stets mindestens zwei Druckmittel in die Hand nahm, um Unterstützung zu sichern. Man durfte sich nicht auf ein schlichtes Wort verlassen, und schon gar nicht auf den guten Willen anderer. Furcht, Zwang und gut verborgene Begierden eigneten sich sehr viel besser, um Gefolgsleute bei der Stange zu halten. Arcoun Theress lächelte in der Finsternis des Raumes in sich hinein.


    Wieder hatten sie ein Artefakt aufgeladen, das ihm im Kampf gegen Lord Ascens hilfreich sein würde. Denn so ehrgeizig er auch sein mochte, verlor Arcoun niemals die Realität aus den glühend goldenen Augen. Noch war seine Kampfstärke der seines Meisters nicht gewachsen und so musste er jede Gelegenheit nutzen, die sich ihm bieten würde. Wer mit der geballten Kraft mehrerer Männer kämpfen konnte, erlangte eben sehr viel leichter einen Vorteil. Und Haus Zelaar trug seit langem Zorn gegen Lord Ascens im Herzen, als dieser sich eines Sith-Holocrons bemächtigt hatte, in dem der Geist eines Vorfahren des Hauses gespeichert war. Dass es Lord Ascens nie in den Sinn gekommen war, wie tief dieser Groll noch immer reichte?
    Aber er hatte Siika Zelaar als Schülerin akzeptiert und bildete die Reinblüterin in den Künsten der dunklen Seite aus. Siika ... kurz schweiften die Gedanken Arcouns ab. Sie hatte alles, was eine Frau für ihn haben musste: Rachsucht, eine ausgesprochen anziehende Gestalt, eine gesunde Genlinie und grenzenlosen Ehrgeiz. In ihr hatte er einen verwandten Geist gefunden, der nur für den Erfolg lebte. Und der sich nur zu gerne mit dem seinen vereinte, um Pläne zu schmieden.


    Als er die vertraute Präsenz der Reinblüterin in der Macht wahrnahm, hob Arcoun den Kopf an. Seine Augen mussten sie nicht sehen, damit er wusste, wer das Gemach betreten hatte. Er musste auch nicht fragen, was sie wollte, denn ihre Gefühle waren deutlich zu erkennen: Im brandroten Echo ihres Zorns loderte weitaus heißer eine schnell hochgeschlagene Lohe, die nach Arcouns Körper verlangte. Wenn sie sich in diesem Raum befanden, sprachen sie nie miteinander. Was sie verband, brauchte auch keine Worte.
    Ihre Arme umschlangen seine Tallie von hinten, sie schmiegte sich an seinen Rücken und schälte den ältesten Sohn des Hauses Theress aus seiner Robe. Ihre Finger folgten dem fallenden Stoff, dann glitt sie nach vorne und ließ die Wogen ihres Verlangens über seinem Kopf zusammem schlagen, als sie in die Knie ging und nacvh dem Körperteil Arcouns griff, der im Augenblick am meisten nach ihr verlangte. Geruhsam grub er seine Finger in ihr weiches Haar und führte ihren Kopf, sich den aufsteigenden Gefühlen hingebend. Mit ihr an seiner Seite würde nichts schief gehen können...


    Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    Trainingsbereich, nachmittags


    Mit einem unterdrückten Laut fuhr Lord Gahaar Theress auf ihren jüngsten Sohn zu, das gleißend rote Lichtschwert vollführte einen klaren Bogen und bewies abermals, dass die Matrone neben großer Effizienz auch Eleganz im Kampf vereinte. Sie trieb ihren jüngsten Sohn mit einer Vehemenz über den Kampfplatz, als wolle sie ihm ein für alle Mal beweisen, dass seine Lichtschwertkünste den ihren auch im hohen Alter noch nicht gerecht werden konnten. Auf dem markanten Gesicht des Sith-Lords zeigten sich dünne Schweißperlen, und zum ersten Mal seit langem war er darüber dankbar, dass es auf Dromund Kaas beständig regnete, denn seine Anstrengung wurde durch das Wetter passend versteckt. Gewandt wich er aus, ließ seine Mutter kommen, drehte sich in alle möglichen Richtungen. Hätte er die Macht einsetzen dürfen, wäre der Kampf anders verlaufen, das wussten beide, doch ging es hier nicht darum, zu gewinnen, sondern zu üben.
    "Los, Du kannst das besser! Gebärde Dich nicht wie ein Akholyt, sondern wie der Lord, der Du bist!" trieb die Reinblüterin ihren Sohn an und sprang aus dem Stand auf ihn zu, sodass er sie sich nur noch mit einer eiligen Parade vom Körper halten konnte. Dass auch noch einige der Haussklaven am Rand des Kampfplatzes standen und sich den eher ungleichen Kampf ansahen, machte die Sache nicht besser. Wenn ihm schon sein eigenes Unvermögen vor Augen geführt wurde, dann doch bitte nicht vor Zeugen.


    "Ich bin nunmal kein Schwertschwinger!" antwortete der Reinblüter gepresst und wich ihr abermals mit tänzerischer Eleganz aus, während Gahaar einige Schritte ins Leere machte. Sie war die bessere Kämpferin, ohne Zweifel, aber in seinen Jahren an der Akademie hatte Anechour gelernt, Geduld zu beweisen und so lange zu überleben, bis der Gegner einen Fehler machte. Irgendwann machte jeder einen Fehler, auch seine Mutter. Wobei ... einen entscheidenden Fehler von Lord Gahaar kannte er schließlich seit langem. "Du machst unserem Haus Schande, wenn Du dem Kampf nur ausweichst!" giftete sie zurück und griff erneut an, das Lichtschwert um die Hand wirbelnd.
    "Wusstest Du schon, dass Lord Vrynasha seit einigen Tagen im Kampfeinsatz vermisst wird?" Die Augen der Matrone leuchteten auf, während sie abermals einige schnelle Schläge gegen die Klinge ihres Sohnes vollführte. "Nein! Wie kann Haus Everyndar nur so kurzsichtig sein, sie in den Einsatz gehen zu lassen, bevor alles geregelt ist?"


    Anechour gab ihr den Angriff mit zwei harten, wuchtigen Schlägen zurück, die er einmal von seinem Bruder Arcoun gelernt hatte, und gewann etwas an Boden zurück.
    "Sie lässt sich wohl nicht allzu viel vorschreiben. Und nun heißt es, ihr Jäger sei abgeschossen worden und die Aussichten darauf, sie lebend zu finden, nahezu bei null!" Gahaar presste die Zähne aufeinander und verlieh ihren Hieben jene ungebärdige Kraft, für die sie auf dem Schlachtfeld zurecht gefürchtet wurde. "Wie kann sie uns nur so etwas antun?" Da war er, der Fehler. Ein zu weiter Schritt, der Anechour eine Lücke ließ. Mit aller Kraft trat er seiner Mutter gegen das Kniegelenk und brachte sie aus dem Tritt, sodass sie fast gestürzt wäre, brachte sich dann aber schnell ausserhalb der Reichweite ihrer Waffe. Nun keuchten beide, Anechour wegen der Anstrengung, Gahaar wegen des Schmerzes in ihrem Knie.
    "Genug," sagte die Matrone des Hauses Theress und winkte die Haussklaven herbei. Mit einem Zischen erlosch ihr Lichtschwert, und Anechour tat es seiner Mutter gleich. Dankbar reinigte er sich Hände, dann das Gesicht mit dem in einer breiten Schale dargebotenen Wasser und trocknete sich auch den Nacken gemächlich mit einem Tuch ab. Diesen Trumpf hatte er eigentlich nicht so schnell heraus rücken wollen, aber manche Situationen erforderten eben auch gewisse Opfer.


    "Wann hast Du davon erfahren?" Gahaar baute sich vor ihrem Jüngsten auf. Trotz der Tatsache, dass sie gut einen Kopf kleiner war als ihr Sohn, schien sie ihn geradezu zu überragen, ihr Zorn machte sie zu einer nicht zu unterschätzenden Größe. "Vor einigen Tagen," gab er vage zu und fügte dann an: "Einer meiner Gefolgsleute ist ein Fan von Kampfberichten aus der Flotte, und er entdeckte es zufällig." Gahaar runzelte die Stirn, und dieses Mal wirkte sie wirklich ungehalten. "Und man hat es nicht für notwendig gehalten, uns zu benachrichtigen? Ich bin mir sicher, Lord Everyndar war von Anfang an im Bilde!" Wie recht Du hast, dachte Anechour, klug genug, diesen Gedanken nicht laut auszusprechen.
    "Ich werde sofort eine Protestnote verfassen. Das können wir nicht mit uns machen lassen, das soll Hinterwäldlerin aus Panasch gar nicht erst versuchen!" Schon stob die Reinblüterin vom Platz und hinterließ nur einen konsterniert blickenden Anechour, der ihr nachdenklich nachblickte. Es gab noch so vieles, um das er sich heute kümmern müsste, und ein Teil seiner wartenden Pflichten hatte unmittelbar mit den Everyndars zu tun. Ein anderer war ein Gedanke, der ihm eben erst beim Kampf gekommen war.

  • Archive von Kaas City
    Dromund Kaas
    vormittags


    Wer aus dem All auf den Dschungelplaneten Dromund Kaas hinunter blickte, sah vor allem viele grüne Flächen, durchbrochen von den Lichtern der Städte und kleinerer Ansiedlungen. Doch wie bei allem, das mit dem Imperium zu tun hatte, war der erste Blick zutiefst trügerisch und enthüllte nur einen Bruchteil der Wahrheit. Man musste nicht nur sprichwörtlich in die Tiefe gehen, um wirklichen Einblick in das zu erhalten, was den Kern des imperialen Wesens ausmachte. Das wusste auch der Sith-Lord Anechour Theress nur zu gut, der hinter einem namenlosen wie unwichtigen Angestellten des größten Archivs des Planeten durch die dunklen und stillen Korridore schritt, viele Meter unterhalb der Planetenoberfläche.
    Würde der Angestellte ihn nun einfach stehen lassen und die Sicherheitsvorkehrungen aktivieren, hätte der Reinblüter ganz sicher einen eher unangenehmen Nachmittag, der vor allem damit angefüllt wäre, den Rückweg zu finden und sich von schusswütigen Droiden nicht abschlachten zu lassen. Dass die Arbeitsplätze zur Dateneinsicht für Externe sich nicht leicht finden ließen, verstärkte die Exclusivität der Möglichkeiten nur noch und er war sich vollauf dessen bewusst, wie besonders diese Möglichkeit war.


    Normalerweise langweilten derartige Rechercheaufgaben den Lord nur zutiefst, aber da keiner seiner Mitarbeiter in das Archiv eingelassen worden wäre, musste er sich selbst bequemen und zumindest für die kommenden Stunden nicht nur seine Augen und seinen Geist offen halten, sondern vor allem die Intuition, die einen Sith unter hundert alt werden ließ. Das war der Fehler seiner Brüder gewesen, sowohl des strahlenden Lord Odius, als auch des strebsamen Angaar, der nun einen Dämmerschlaf hinter orange flackerndem Kraftfeld führte, bis irgendwer ihn erlösen würde. Mangelnde Vorsicht, zu wenig Bauchgefühl. Anechour selbst mochte bislang wenig Ruhm erworben haben, doch hatte er sein Leben auf eine Weise führen können, die ihm gefiel - und das war weit mehr, als seine Brüder bislang erreicht hatten.
    "Wir sind da, mein Sith-Lord," sagte der Angestellte mit seiner so unendlich langweilig klingenden Stimme. In diesem Moment zog der Lord keinesfalls in Zweifel, dass er statt eines Schlafmittels während unruhiger Zeiten auch diesen Angestellten hätte engagieren können, denn sowohl Intonation als auch Mimik hätten ihn bei einer Vorlesung durch diesen gewiss innerhalb weniger Minuten einschlafen lassen. "Benachrichtigt mich bitte, wenn Ihr fertig seid. Die Kontrollen könnt Ihr mittels Daumenabdruck aktivieren." Ein dankendes Nicken des Reinblüters entließ den farblosen Mann unbestimmten Alters, bevor sich Anechour auf dem Sitz vor dem großen Terminal niederließ.


    So musste sich Rukan wohl fühlen, wenn er begann, auf die Jagd zu gehen. Mit einem gewissen Gefühl der Vorfreude öffnete der Sith einige Suchmasken und gab verschiedene Namen ein. Dass er hier sitzen konnte, hatte ihn insgesamt drei Gefallen gekostet, die alle nicht gerade kleiner Natur gewesen waren. Entweder lohnte sich diese Suche, oder aber er hatte die größte Fehlinvestition seit Jahren getätigt. Die ersten Namen waren recht simpel und umfassten sowohl Informationen zu Admiral Thurig selbst wie auch zu seinem persönlichen Umfeld. Die imperialen Augen blickten in viele Richtungen und sie sahen sehr viel, selbst wenn die Zuammenhänge zwischen den Daten nur dann hergestellt wurden, wenn es notwendig wurde.
    Interpretationen wurden meist von Geheimdienstmitarbeitern vorgenommen, aber nach derartigen Bewertungen suchte Anechour nicht. Er ließ sich nur verifizierte Fakten liefern und ließ seinen Geist schweifen. Es war gut, dass Lord Vrynasha heil und augenscheinlich weder physisch noch psychisch beschädigt von ihrem Einsatz zurückgekehrt war. Wahrscheinlich ein bisschen sexuell ausgehungert, anders konnte er sich den Zungenvorstoß der Sith beim letzten Salon des Hauses Baram nicht erklären, war ihr Partner doch weder anziehend noch besonders reizvoll gewesen. Dennoch wohlauf, und voller Wut darauf, wieviel Zeit bei der Suche nach ihr verschwendet worden war.


    Für sie war relativ klar gewesen, wem sie das Ganze zu verdanken hatte - Admiral Norman Thurig selbst. Die eindeutig klarste Lösung, die einem Krieger in den Sinn kommen mochte, und Vrynasha Everyndar war mit jedem Zoll ihres Körpers und Geistes eine vollendete Kriegerin. Der Sith-Archäologe Anechour Theress hingegen dachte weitaus verwinkelter und komplizierter, bezog nicht nur die wahrscheinlichste Möglichkeit in seine Überlegungen ein, sondern auch und vor allem die Unwahrscheinlichen. Jeder imperiale Offizier, der es zu einem Rang wie dem eines Admirals gebracht hatte, hatte einen oder mehrere Sith hinter sich. Sie wurden alle gelenkt, direkt oder indirekt. Also galt es herauszufinden, wer hinter Admiral Thurig stand und seine Strippen zog. Zum einen Lord Tulliris, dem die Flotte unterstand - eine offensichtliche Verbindung.
    Auch Lord Tulliris' Name fand den Weg in die Suchanfragen, sein Umfeld, seine Schüler. Seine Interessen, die Machtbasis des Lords und nicht zuletzt belegbare politische Entscheidungen. Anechour schloss die Augen und ließ die Worte durch seinen Geist driften, die schnell aufgetauchten Ergebnisse ordnete er in einem Punkteraster an, wie er es einst von seinem Lord gelernt hatte. Finde das Offensichtliche, verbinde das Offensichtliche und schließe dann diese Teile aus. Tauche tiefer, suche Wege, die unüblich sind. Es war, als könnte er die Worte noch immer hören, die er einst so oft vernommen hatte. So oft, bis er irgendwann einmal dagegen aufbegehrt hatte.


    Seine Finger huschten über das Tastenfeld und formten neue Worte, während sein Geist von der Kraft der dunklen Seite gestützt den Gedanken hinterher eilte, die sich verbanden, suchten, lockten, mit Möglichkeiten gaukelten, ohne recht zu wissen, wohin sie ihre Suche und Verformung führen würden. Er ließ sich auf jeden Querverweis ein und driftete mit rasender Gedankengeschwindigkeit durch das verworrene Konglomerat an Datenbeständen, die niemand auf diese Weise bislang in Relation gesetzt hatte. Neue Namen fanden den Weg in die Suchmaske, und diese Namen waren ihm sein Leben lang vertraut gewesen. Arcoun Theress. Angaar Theress. Vorfahren seiner Generation und deren Handeln. Dinge, die getan und gesagt worden waren. Auf den Lippen des Sith-Lords schmeckte das papierne Echo vergangener Zeiten, trocken und staubig, als seine Gedanken Dinge aufwühlten, nach denen schon lange niemand mehr gefragt hatte.


    Er konnte förmlich fühlen, wie seine Nadelstiche an Anfragen einstmals still vor sich hin dümpelnde Informationsvögel aufscheuchten und sie in einem kreisenden Schwarm an den Datenhimmel schickten, um mit ihrem Gekrächze und Gekräh neue Brocken Wissenswertes herabfallen zu lassen. Neue Verbindungen formten sich vor seinen geschlossenen Augen, dort, ein dünner Faden Erkenntnis, der sich hinter einigen anderen, viel größeren Haufen Unwichtigkeiten versteckt hatte. Haus Zelaar. Haus Ar'vaath. Ascens. War dort die Lösung zu finden? Das alles konnte doch kein Zufall sein. Eine neue Erkenntnislinie formte sich, verschlang sich mit der ersten, ließ ein unklares, aber vorhandenes Bild entstehen, dem er bereitwillig folgte, sein inneres Auge weit geöffnet. Tiefer stieß er in die Bestände an über Jahrhunderte gesammeltem Wissen vor, auf eine Spur gebracht, von der er sich nicht mehr abschütteln ließ und die er verfolgte, als sei er ein Rancor, der soeben Blut geleckt hatte...


    Anwesen von Haus Theress
    nahe Kaas City, Dromund Kaas
    abends


    Wenn man den Zustand völliger geistiger Erschöpfung neu erfinden müsste, dann war sich Anechour Theress sicher, hatte er dies soeben getan. Sein Kopf dröhnte wie nach einem fünf Tage lang andauernden üblen Besäufnis mit teuersten alkoholischen Derivaten, die er überreichlich genossen hatte, dazu noch ein leckerer Cocktail an verschiedenen bewusstseinserweiternden Drogen, deren Abklingen nun genau mit dem entstandenen Kater zusammen gekommen war. Dazu noch eine auch körperliche Müdigkeit wie nach ebenfalls fünf Nächten mit ausgesprochen anspruchsvollen Frauen auf seinem Bett, und es erreichte ansatzweise das Gefühl, mit dem er sich gerade in das elterliche Anwesen zurück schlich und hoffte, dass ihm weder seine Mutter noch deren Ansprüche auf dem Weg ins Bett begegnen würden. Weit gefehlt.
    "Du musst endlich dafür sorgen, dass sie damit aufhört!" Mit doppelter Lautstärke und ebensolcher Frustration empfing ihn Lord Gahaar bereits an der Schwelle zum Salon des Anwesens, an dem er sich vorbei mogeln wollte. Das Echo ihrer Worte hinterließ einen dermaßen heftigen Trommelwirbel an Schmerz in seinem Kopf, dass sich der Reinblüter sehr beherrschen musste, um nicht sichtbar zusammen zu zucken.
    "Was ist denn eigentlich los?" Es war klar, um einen Anschiss würde er jetzt nicht herum kommen, aber er konnte zumindest versuchen, ihn irgendwie abzukürzen. Sein nur wenige Schritte entferntes Bett ließ einen verführerischen Sirenengesang hören.
    "Diese .. Person!" Sein verwirrter Gesichtsausdruck schien Gahaar nur noch mehr auf die Spitze ihrer Wut zu treiben. "Diese Person, die Du zu Deinem Schutz angeheuert hast!" Anechour blinzelte und musste sich sehr bemühen, seine Gedanken in der Gegenwart zu behalten. Person? Schutz? Wovon ..ah, natürlich. Sith Kernsa, die Dame mit dem Hang zu interessanter Bekleidung. Auch ihr Name zirkelte im dumpf dröhnenden Schädel des Reinblüters herum und hinterließ grellrote Echos an den Rändern seines Bewusstseins.


    "Und was hat Sith Kernsa getan?" führte er die Befragung gleich zum Punkt. Gahaar, die von ihrem Jüngsten zumindest irgendwelche Ausflüchte erwartet zu haben schien, schnappte nach Luft, aber lange ließ sie ihn nicht warten.
    "Sie ist nahezu unbekleidet! Das bisschen Stoff, das sich über ihren Körper spannt, kann man wohl kaum als Kleidungsstücke bezeichnen. Der ganze Haushalt läuft aus dem Ruder, weil die männlichen Sklaven dauernd versuchen, in ihre Nähe zu gelangen, damit sie sie ungestört begaffen können. Hat sie denn gar kein Schamgefühl? Wie kannst Du Dir nur so eine Leibwächterin suchen? Das hier ist doch keine Huttenkaschemme auf Nar Shaddaa!"
    Gelbliche Blitze erschienen hinter den Augen des Reinblüters, als der Zornessturm seiner Mutter nun doch ungehindert losbrach. Natürlich. Dass seine neue Gefolgsfrau sich recht gerne etwas extravagant kleidete, war ihm auch schon aufgefallen. Nicht, dass er einen solchen Anblick nicht zu schätzen wusste, schon gar nicht, wenn die entsprechende Frau sich relativ häufig in seiner Nähe aufhielt und zudem eine gute Figur hatte. Aber musste man so etwas ausgerechnet jetzt ausdiskutieren? Seine Zunge hatte merkliche Mühe, die entsprechenden Worte auszuformulieren. Selbst die Muskulatur in seinem Mund wehrte sich gegen die Aufgabe, sinnvolle Worte zu produzieren.
    "Ich werde mit ihr sprechen, dass sie sich künftig etwas züchtiger bedeckt. Ist das jetzt alles?"


    Abermals schnappte Gahaar nach Luft, dann richtete sich der zornglühende Blick der Matrone auf ihren Sohn und schien ihn geradewegs zu durchbohren.
    "Was ist überhaupt mit Dir los? Du siehst aus wie etwas, das der Bantha nichtmal ausgespuckt liegen lassen würde! Warst Du wieder feiern? Auf Dromund Kaas?! Hast Du schon einmal daran gedacht, wieviel Schaden Du mit einem solchen Auftreten für die Familie anrichten kannst? Dir ist unser Ruf wohl gar nicht wichtig!"
    Anechour zuckte nun doch, schwankte für einen Moment und griff nach dem bereitwillig dargebrachten Strohhalm, den sie ihm unwissenderweise gerade vor die Füße geworfen hatte. Angriff war bei Gahaar Theress noch immer die beste Verteidigung.
    "Ich war nur einen trinken. Es gibt schließlich was zu feiern," sagte er und setzte unter heftigem inneren Schmerzsturm in der Wangenmuskulatur ein breites Lächeln auf. Die gerunzelte Stirn seiner Mutter sprach Bände und verleitete ihn zu einer schnelleren Formulierung der Erklärung.
    "Lord Vrynasha hat in die Verlobung eingewilligt und scheint zudem durchaus daran interessiert, mit mir Nachwuchs zu produz.." Er kam gar nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn nun stieß seine Mutter eine Art Freudenschrei aus, zog ihn im Überschwang ihrer auch zu ihm schwappenden Erleichterung in die Arme, drückte ihn heftig an ihre knochige Brust und verkündete: "Endlich! Ich dachte schon, das würde sich niemals mehr ereignen. Das muss ich sogleich Deinem Vater erzählen!" Schon fegte sie in den Salon herein, während der Reinblüter schwankend im Gang stehen blieb, unendlich froh darüber, dass der Wirbelsturm zunächst weiter gezogen war. Dann kippte er einfach der Länge nach um und blieb wie ein nasser Sack auf dem blank polierten Boden liegen.
    Wenigstens schmerzte nun auch sein Kopf nicht mehr.

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