Der Beobachter
Es ist mitten in der Nacht als der Kiffar wach wird. Das Gefühl beobachtet zu werden lässt ihn regelrecht hochschrecken. Die tanzenden Flammen des Kamins, sowie die einzelnen rot blinkenden Knöpfe sind die einzigen Lichtquellen in dem naturgebundenen Zimmer. Von draußen hört man leise die ratternden Maschinen der Industrieanlagen. Jaro’s Blick fällt auf seine Frau, die noch immer tief und fest schläft. Sorgsam zieht der hochgewachsene Mann die Decke über ihre Schultern, ehe er aufsteht und sich zu einem der Sofas bewegt. Die blinkenden Lichter der Nar Shaddaaischen Nacht scheinen immer wieder durch die leicht geöffneten Schalosien, als der Kiffar die Beine auf dem kleinen Tisch vor ihm ablegt. Es war nicht die erste Nacht in der er das Gefühl hatte beobachtet zu werden. Ob es an dem letzten Jahr lag das er und sein Team auf der Flucht verbracht hatten oder an einer mittlerweile antrainierten Paranoidität, so oder so hielt in etwas vom seelenruhigen Schlaf ab. Stunde um Stunde zieht ins Land, ehe der Kiffar endlich wieder etwas Schlaf finden kann. Nacht für Nacht wiederholt sich dieses Ereignis. Nacht für Nacht setzt er sich hin und schaut so lange HoloTV bis ihn die Müdigkeit wieder übermannt, doch in der letzten Nacht ist etwas anders. Besser gesagt ist es genau wie in jeder Nacht zuvor, nur mit einem Unterschied.
Als Jaro wieder einmal wach wird und sich in Richtung der Sofas bewegt, liegt dort plötzlich ein Stein auf dem Tisch. Unscheinbar und nicht sonderlich bearbeitet. Bei näherer Betrachtung wirkt dieser zwar wie eine Speerspitze, doch das hätte auch Interpretation sein können. Uneinig, ob der Stein dort schon vorher lag oder ob es doch ihr Hausgast war, macht er sich auf den Weg um in eines der anderen Zimmer zu schauen. Leise schieben sich die beiden Türen auf und ein Bett kommt zum Vorschein. Eine junge Frau liegt in diesem und macht keine Anstalten wach zu werden. Kopfschütteln dreht Jaro um und wandert wieder Richtung seines Zimmers. Paranoid, Verrückt, Übermüdet, redet er sich immer wieder selbst in Gedanken ein. Nach der letzten Zeit hätte es auch sein können, doch kurz bevor er es auch selber glaubt, tritt er mit den nackten Füßen auf den Stein. Scharf zieht der Kiffar die Luft ein. “Was zum Hutten?” verlässt es fragend seine Lippen als er den Stein aufhebt. Drehend ruht das speerförmige Stück eines Felsens in seiner Hand. “Wie kann das nur sein?” dröhnt es verwirrt in seinen eigenen Gedanken, denn er war sich sicher dass der Stein beim Verlassenen des Zimmers auf dem Tisch lag. Grummelnd setzt er sich dann in Bewegung. Sein Weg führt zu einer abgelegenen Stelle im Gebäude. Nur das Poltern und Klappern der Maschinen ist zu hören. Dampf schießt hier und da in die Luft, dann umfasst Jaro den Stein kräftiger. Für einen kurzen Moment schaut er ihn gedankenverloren an, ehe er noch einmal tief einatmet und seine Augen schließt. Seine Atmung verlangsamt sich sichtlich. Sein Herz beginnt hörbar zu schlagen, als er seine Sinne nach dem Machtecho des Gegenstandes ausstreckt. Sein Kopf senkt sich sachte gen Boden. Er bewegt sich einige Sekunden nicht, bis er plötzlich energisch Luft in seine Lunge zieht. Der Kopf schwenkt wieder hoch und die Augen reißen geradezu auf. Umrahmt von einem grünleuchtenden Schimmer, starrt der Kiffar in’s Nichts. Für keinen ersichtlich, aber für einige spürbar, streckt Jaro seine Sinne im Strom der Zeit aus und bedient sich dabei des Gedächtnisses der Macht. Schmerzverzerrte Schreie und ein Schleier der Dunkelheit liegen auf den Erinnerungen des Nutzers, dann sieht er es. Nacht um Nacht steht die Person an Jaros Bett und beobachtet ihn. Beobachtet ihn dabei wie sich sein Brustkorb langsam hebt und senkt. Bewegungslos steht der Benutzer über dem Kiffar und tut nichts außer Atmen. Langsame, wohl getimete atemzüge folgen einem Gefühl des Hasses. Abgrundtiefen Hasses. So sieht es Jaro es Nacht um Nacht vor seinem geistigen Auge. Stille und diese starren Blicke auf seinen schlafenden Körper.
Endlich kommt der Moment an dem Jaro sieht wie der Stein auf dem Tisch abgelegt wird. Fast wirkt es so als ob man dieses Machtecho nur für ihn gemacht hat. Nur um ihn abzulenken. Doch gerade als es dem Kiffar dämmert und er die Falle durchschaut hat, reißt ihn ein starker Griff um seinen Hals aus dem Echo. Mit voller Wucht knallt der durchschnittlich große Mann gegen die stählerne Wand der leeren Industriehalle. Intuitiv und vollkommen überrascht greift er nach der Hand seines Angreifers. Diese umklammernd, röchelt er, leicht in die Luft gehoben vor sich hin. Kein Wort, nichtmal ein Schrei verlassen seine Lippen als er in das Antlitz eines Mannes schaut. In das Gesicht seines Peinigers. In sein...eigenes? Fragend zucken die kybernetischen Augen von rechts nach links, als sich die leise Stimme seines Gegenüber einen Weg durch das maschinelle Poltern bahnt. “Endlich hab ich dich gefunden, Jaro Massa...” der Griff um seinen Hals wird stärker und langsam geht dem Kiffar die Luft aus. Sich nicht verteidigen könnend, japst und keucht er seinem Ende entgegen, bis sein Bewusstsein ihn verlässt.
Stunden später schreckt Jaro wieder hoch. Ein Traum? Nein, dafür waren die Würgemale an seinem Hals zu real und schmerzend, als dass sie hätten aus reiner Fantasie entstehen können...