(Bildnutzung mit freundlicher Genehmigung des Künstlers "AlexJoyce", Deviantart)
Die militärische Akademie zu Dromund Kaas, wir schreiben das Jahr 19 nach dem Vertrag von Coruscant (nVC).
Der Bereich für festgestellte Affinitäten / Fachrichtung Gefechtsfeld - Aufklärung, Kaserne 9, Paterre Trainingsanlagen, Verantwortlicher: Gunnery Sergeant des Moines.
Sergeant Anzorn des Moines bewegt sich unstet hin und her, die Linke hinter dem Rücken und mit der Rechten wild gestikulierend.
Ein junger blonder Mann befindet sich vor ihm am Boden in Liegestützpostition, zitternd, schweißnaß. Regungslos. "Was ist los mit Ihnen, Mayborne? Sie zittern ja wie die Beine einer unterernährten Nymphomanin, Mann! Runter!" Das penibelbst frisierte Haar des Angesprochenen liegt schon länger nichtmehr, wie es sollte. Er setzt den Befehl um, lässt sich langsam hinunter und achtet darauf, ja den Boden nicht zu berühren. "Und wieder halten. Und falls Sie sich fragen sollten, wielange wohl dieses Mal, dann kann ich Sie beruhigen. Kaum länger als Ihr nachgewiesenermaßen mehr als unnötiger Erzeuger sich wohl Zeit nahm, eine Spermienspur wie Sie zu zeugen. Hab selten was erbärmlicheres gesehen, Mann! Reißen Sie sich zusammen! Wo wären wir denn hingekommen, wenn die ruhmreiche Armee unseres glorreichen Imperiums - na?"
"Heil...dem Imperium, ...Sir!"
"Verflucht richtig, sie Einzeller! Wenn all unsere Reihen so abstoßend schwächlich wie Sie wären, Mayborne? Reden Sie schon, Mann! Und hoch!" Der Körper des drahtigen Blonden erbebt, als er sich mit letzten Reserven schier endlos langsam wieder nach oben drückt. Es ist seine Zweiundvierzigste an diesem Morgen. Binnen zweiundvierzig Minuten. "Ver...nicht..et, Sir!" entgegnet dieser flatternd. "Ganz recht, Mayborne. Vernichtet! Vernichtet von einem Rudel Samtträgern, die mit dünnen Lampen kämpfen, Mayborne! Das wären wir! Wären wir dann stolz, Mayborne? Wären Sie es denn? Sind Sie stolz, Mayborne?"
Eine angemessene Frage, von den aktuellen Umständen einmal abgesehen. Seine rechte Gesichtshälfte pulsiert heftig. Ja, er war stolz. Stolz darauf, es auch ohne aktive Elternteile geschafft zu haben, Asyl 39 sei dank. Er war stolz darauf, sich eine Chance erarbeitet zu haben, die es ihm ermöglichte, aus dem Schatten seines Zeit seines Lebens inhaftierten Vaters zu treten. Stolz darauf, ohne die Liebe einer Mutter durchgekommen zu sein ohne durchzudrehen, wie das Mädel aus seinem Jahrgang. Und er war stolz darauf, die Narben auf besagter Gesichtshälfte zu tragen.
"J..ja, Sir..!" kommt es stammelnd. Die leicht heisere, rauchige Stimme des Blonden bebt. "Das reicht, Mayborne. Auf was kann ein genetisches Wunder wie Sie denn stolz sein? Wenn ich Ihrem Gezittre noch ein wenig länger zusehe bekomme ich noch Wahrnehmungsstörungen! Gehn Sie duschen, Mann. Dreizehnhundert gehts weiter mit dem Mittagslauf. Abtreten!" Chester liegt am Boden, atmend, zitternd und im Versuch begriffen, die Gedanken zu sammeln. Siebzig Minuten, um zu Duschen, um Essen zu
fassen, die malträtierte Muskulatur aufzulockern. Bereit zu werden für den dreißigminütigen, stets in angezogenem Tempo zu absolvierenden Lauf. Er versuchte stets, sich darauf mental vorzubereiten indem er sich sagte daß genau jener Lauf ihn näher an sein Ziel würde bringen können: Aufklärer zu werden.
Es war nicht immer sein Traum, ein Scout zu sein. Im Grunde genommen hatte er wenige Träume, seine Zukunft betreffend. In einem der Asyle für "vormundsfreie Heranwachsende", wie es im allgemeinen imperialen Jargon eine übliche Bezeichnung war, wurden Träume aberzogen. Fantasie war fehl am Platz, persönliche Wünsche galten als psychologische Auffälligkeiten. Gerade hatte er die Kernprüfungen absolviert und in den Ergebnissen, welche auf übergroßen Monitoren im Hof der Akademie abgebildet wurden, zwischen den andren seinen Namen gefunden, als es ihm zum ersten Mal bewußt ins Gesicht sprang.
"Mayborne, Chester: Zuweisung nach Affinität und Talentschwerpunkten: Gefechtsfeld - Aufklärung"
Es traf ihn wie ein Schlag. Er hatte damit gerechnet, in irgendeiner Infanteriesache zu landen, wie die meisten anderen. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er sich...anders. Besonders. Im durchaus positiven Sinne. Keine zwei Wochen später saß er auf dem Gleiter, das Schulungs - und Testüberwachungspersonal checkte die Maschine. Er erinnert sich stets genau...wie er das Gerät startete. Anschlüsse und Sicherungen entfernt wurden. Wie er beschleunigte, erste Hindernisse umkurvte. Wie des Moines Stimme, markerschütternd wie eh, durch sein Helmcom knisterte.
"Raufschalten, Mayborne! Bei dem Tempo bringen sie ja nichtmal die Haare meiner Mutter durcheinander!"
"Beschleunigen Sie, Mayborne! So ein Ding macht erst Spaß, wenn die Tränen der Ergriffenheit waagerecht zum Ohr abfließen!"
"Was ist...Abbruch, Abbruch!"
Bilderfetzen. Die rechte Seite des Gleiters brach nach unten weg, Chester verlor den Halt und rutschte vom Lenker ab. Geröll und kleinere Felsbrocken jagten unter ihm vorbei, während sich die Ansicht näherte....dann verliert sich seine Erinnerung. Die Wochen danach verbrachte er im akademischen Militärhospital. Begnügte sich damit, zu lesen. Seinen Geist zu formen, sich vorzubereiten.
Aufklärung! Wie ein leuchtender Pfahl, übergroß, zentral stand dieser Begriff seit seinem Erwachen inmitten seiner Gedankenwelt. Alles drehte sich darum. Scout. Nur sieben Kadetten waren derartig einsortiert worden. Sieben von über Achthundert.
Natürlich gab es damals diese Kleine, eine der Schwestern. Sie hatte die Frühschicht und brachte ihm jedesmal sein Frühstück. Setzte sich, wenn es niemand bemerkte, auf den Rand seines Bettes und versuchte, ihn zu vergesellschaften. Wies ihm einen weiteren, persönlichen Mangel auf, obwohl sie offensichtlich nur vernarrt in ihn war. Chester war nicht sonderlich gut darin, persönliche Kontakte aufzubauen oder gar zu pflegen. Und Weibergeschichten, wie sie sich andere seiner Kameraden erzählten und damit prahlten, hatten ihn noch nie interessiert. Nicht, daß er das männnliche Geschlecht bevorzugen würde, nein. Es war einfach noch nie wirklich relevant in seinem Leben gewesen.
"Mayborne! Laufen Sie, oder ich verpasse Ihnen ein paar Treffer hiermit, dann können Sie sich Räder montieren lassen um schneller zu werden!" Gunnery Sergeant des Moines trabt, scheinbar locker und gerade erst eine glänzende Stirn entwickelnd, salbadierend neben dem angehenden Aufklärer her, der alles gibt. Das hellgraue, kurzgeschorene Haar des Veteranen, dessen Brust bei jedem Schritt metallbehangen klimpert, schimmert in der Mittagssonne. Irgendwann nahm man dessen Speicheltröpfchen einfach nichtmehr wahr, und sein Gefuchtel mit dem Jubiläumsblaster war zu einer peripheren Erscheinung verkommen. Der narbige, junge Blonde beißt die Zähne zusammen. "Ich schwöre Ihnen Mayborne, wenn wir nicht um Punkt Dreizehnhundertdreißig wieder auf dem Hof sind, schrubben Sie die Stiefel sämtlicher Offiziere hier. Schneller, hab ich gesagt! Mann, das scheint sie ja richtig geil zu machen, was? Mal auf Knien vor ihren Vorgesetzten, wie?"
"Nein Sir!"
Er hasst sexuelle Anspielungen jedweder Art einfach, erst recht, wenn sie ihm auf solcherlei Weise an den Kopf geschmettert wurden. Überhaupt versteht er nicht, weswegen darum teils ein solches Aufhebens gemacht wurde. Es lenkt ab, beschäftigt, wo man konstruktiver sein konnte und zieht allzu häufig langwieriges Leid nach sich. Er konnte Beispiele dieser Art zuhauf im Rahmen seines Umfeldes an der Akademie beobachten, und es erschien ihm...überflüssig. Sinnfrei. "Dann traben Sie endlich an, sie unterprivilegierte Pussie!" dringt es von rechts feucht in sein Ohr. Er zieht das Tempo nochmals an, mittlerweile mit geöffnetem Mund und deutlich hörbarem Keuchen. Als das Tor zur Ausbildungskaserne in sein Blickfeld gerät. zuckt sein gesunder Mundwinkel. Seine Art, zu lächeln.
"Bei allem was mir heilig ist, grinsen Sie etwa, Mayborne? Ich schwöre, sollten Sie diesen Kurs lebend zu Ende bringen, mache ich Ihnen ihr Leben zu einer Wallfahrt des Schmerzes, Mann! Laufen Sie! Bei den Sternen, ich fange gerade an zu schwitzen und sie sind nichtmal mehr in der Lage, Ihren eigenen Rotz zu kontrolliern, Mann!"
Dromund Kaas, wir schreiben das Jahr 21 nVC.
Nach Abschluß des Zusatzlehrganges für Gefechtsfeld-Aufklärungs-Affine ist es des Moines, einmal mehr, vor dem Chester steht.
"Ich bin stolz auf Sie, Mayborne. Hätte nie gedacht, daß Sie mich mal beeindrucken, Mann. Sie wissen vielleicht, daß es mir freisteht Empfehlungen auszusprechen. Ich habe Sie an Tengulans Bastards, Balmorra, empfohlen. Machen Sie mir keine Schande, Mayborne. Ich bin nicht gerade bekannt dafür, sowas zu machen. Und jetzt raus hier." Damit war seine Kadettenzeit offiziell beendet, und er war schneller auf Balmorra gelandet, als es ihm lieb war. Captain Molagen Tengulan war ein Brocken von einem Kerl und sah aus, als würde er Männer wie des Moines morgens zum Caf holen jagen - aus reiner Freude. Tengulans Bastards waren ein Regiment von Veteranen, sämtlichst hochgewachsene, brutale Erscheinungen von im Schnitt mindestens Mitte Dreißig. Kampferfahrene Recken, deren narbige Gesichter so ganz andere Geschichten zu erzählen wussten. Chester war eingeflogen worden, weil er diesem Regiment zugeordnet worden war - nicht zuletzt, sicherlich, aufgrund des Moines Empfehlung.
Allerdings war diese Erfahrung - glücklicherweise - lediglich eine Woche kurz, denn er schätzte die Regularien imperialer Militärs offensichtlich ein wenig zu sehr für diese Umgebung. Seine Kameraden sind nicht nur äußerlich grobschlächtige Gesellen, und sie halten mit ihren Ansichten nicht hinter dem Berg. Allein diese beiden wesentlichen Unterschiede hätten ihm beinah mehr als nur diese eine körperliche Auseinandersetzung eingebracht. Einer seiner neuen Kameraden hatte sich, wenn auch halblaut, konträr zur Imperatorin geäußert, und Chester hatte die Luft scharf hörbar eingezogen, weil er sich der Anmaßung des Anderen bewußt war. Allerdings schlugen die Chronos hier ein wenig anders, und so gingen beide - sehr zur Verwunderung Tengulans selbst - fast ansatzlos zur "manuellen Standpunktverteidigung" über.
Tengulan zitiert Chester in sein Büro, ein erwartetes Gespräch findet statt, Chester fliegt nur eine halbe Stunde darauf wieder gen Kaas ab. Zurück ins Kadettentum versetzt, fühlte es sich für ihn mies an. In seiner Hospitalzeit hatte er sich auch zu roten Weinen belesen, und so nutzte er die Wartezeit auf den nächsten, hoffentlich endlichen Marschbefehl zumindest in den Abendstunden gern einmal, um in das allseits bekannte Nexus zu marschieren. Rote Weine zu kosten. Verschiedenste Kameraden und solche, die es werden sollten, zu beobachten.
So vergingen Tage und Wochen, bis er seinen erneuten Marschbefehl erhielt: 17. Sturmregiment Kaas. Dieser Tengulan hatte ihm den Kopf gewaschen und ihn dann, beinah väterlich, zur Seite genommen. Ihm alles noch einmal erläutert, keine der möglichen Gefahren, interne inbegriffen, ausgelassen. Und ihm versichert, er würde in einer anständigen Kompanie seinen Dienst antreten können. Und nun das.
Das Siebzehnte war bekannt, wie berüchtigt. Was Chester Mayborne angeht, eher letzteres, denn besagtes Regiment war jahrelang verschwunden, und dies just nachdem die Angriffe durch das ewige Imperium auch auf Dromund Kaas begannen. Er hatte seine Ansichten, doch als er den Marschbefehl las, begannen die Zweifel. Waren sie aus Feigheit flüchtig geworden, oder hatten sie tatsächliche Schwierigkeiten gehabt? Welche Charaktere würden ihn erwarten? Oder waren sie vielmehr doch, wie diese Kleine, Lee, im Brustton der Überzeugung und bei jeder sich bietenden Gelegenheit von sich gab...Helden?
Es ist an der Zeit, sich ein eigenes Bild zu machen. Zumal Eindrücke und Ideen anderer Individuen nicht dazu nutzten - zu vieles davon war meist zu subjektiv, seiner Meinung nach.
Alle nötigen Unterlagen waren abgearbeitet und unterzeichnet. Eingangsuntersuchungen und Erstimpfungen erledigt, das Willkommen standesgemäß mit Frischfleisch wie ihm im Dreck vollzogen. Chester hatte eine Koje im Mannschaftsraum zugewiesen bekommen, und er war durchaus zufrieden - durch eines der Fenster konnte er immerhin die Sterne sehen, und er hatte einen eigenen Spind.
Private Chester Mayborne, 17. SRK. Das Licht war verloschen, und er liegt in seinem Bett. Sein gesunder Mundwinkel zuckt.
Warum nicht.