Geschichten von Proxarion

  • Wie konnte es nur soweit kommen?
    Captain Chris Rhaven sah unruhig auf die Anzeige des Navigationscomputers, wie so oft in der letzten Stunde. Noch gut zehn Minuten im Hyperraum. Zehn Minuten noch bis zum Einsatz. Unruhig strich er sich mit der Hand durch den Bart, kontrollierte die Steuerelemente im Cockpit, überprüfte die Bereitschaft der Waffensysteme und sah wieder auf den Navigationscomputer. Noch immer zehn Minuten.


    Eigentlich war es kein besonders schwieriger Einsatz, er war schon einige dieser Art geflogen. Das Briefing, das über einen verschlüsselten Kanal zu ihm kam, klang zuerst nicht nach etwas Besonderem. Ein weiterer Auftrag unter vielen. Eine Fregatte der Ceta-Klasse trieb manövrierunfähig, mit offenem Reaktorkern, am
    Rande eines Asteroidenfeldes. Missionsziel war die Vernichtung des Schiffes, mit Gegenwehr oder Geleitschutz wurde nicht gerechnet. Lebende Gefangene waren kein primäres Ziel.
    Doch dann sah er den Namen der Fregatte, Ingraham, und ihm wurde schlagartig klar, dieser Einsatz würde anders sein. Diesmal werden Kameraden sterben, ehemalige Kameraden.
    Vor vielen Jahren hatte er selbst auf der Ingraham gedient, als junger Testpilot der Proxarion Corporation. Oft war er im Verband mit ihr geflogen oder für Testflüge von ihr aus gestartet. Wie viele der Offiziere und Soldaten, die er damals kannte, würden heute noch auf dem Schiff sein, fragte er sich. Gesichter und
    Namen flackerten in seinem Gedächtnis auf, er versuchte sie wieder zu verdrängen. Zuviel war seit damals geschehen.


    Nach dem Putschversuch der Separatisten auf Proxarion entbrannte ein kurzer aber brutaler Krieg um dieses rohstoffreiche System. Die Loyalisten gewannen unter großen Verlusten und die Separatisten, die noch übrig waren, flohen zuerst an den Rand des Systems, dann in andere Systeme. Darauf folgten Friedensangebote der Regierung, doch die Differenzen, der entstandene Hass, war zu groß. Es blieb nur noch, die Flotte der Abtrünnigen zu verfolgen und auszuschalten, um einen erneuten Angriff zu verhindern.


    Jahre später war Captain Rhaven einer derjenigen, die die zweifelhafte Ehre hatten, diesen Kampf zu führen. Die von den Agenten von Proxarion Security aufgespürten Ziele kurz und schmerzlos auszuschalten. Er fühlte sich nie wohl bei solchen Aufträgen. Doch sie wurden besonders gut bezahlt und als Söldner hatte er keine große Wahl.


    „Noch zwei Minuten bis zum Ziel. Ihre Befehle, Sir?“
    Aus seinen Gedanken gerissen, blickte er zum Kopiloten neben ihm, der in stoischer Ruhe die Instrumente vor ihm fixierte. Als Droide hatte er wohl keine moralischen Bedenken, dachte sich Rhaven wehmütig. Es war für ihn einfach nur ein Auftrag, zu dessen Erfüllung ihn seine Programmierung zwang.
    „Sir, Ihre Befehle?“
    Der Droide wandte sich fragend zu Rhaven, als dieser keine Antwort gab.
    „Danke Pairo. Kontaktiere die Starlight.“
    Als der Kanal zur Thunderclap, die in Formation schräg hinter seiner Stingray flog, stand, gab er die letzten Einsatzbefehle durch.
    „Hier Gryphon an Starlight! Wir erreichen das Ziel in 1:27 Minuten. Alle Waffensysteme laden, Gefechts­formation einnehmen!“
    Er bemerkte, dass seine Stimme leicht zitterte.
    „Waffensysteme laden, Gefechtsformation.“ bestätigte Lieutenant Lakira prompt. Ob der Cathar die gleichen Gedanken über ihre Mission hatte? Wahrscheinlich nicht, er war noch nicht lange genug dabei.


    Wie aus dem Nichts materialisierten sich die beiden Schiffe im Realraum, nahmen ihre Rottenformation ein und rasten auf ihr Ziel, die Ingraham, zu. Rhaven sah, wie die Fregatte in seinem Blickfeld immer größer wurde, wie am Bildschirm des Zielcomputers der beschädigte und frei liegende Reaktor hervorgehoben wurde. Sie würden nicht einmal richtig merken, was passiert, dachte er sich.
    „Ziel aufgeschalten und eingerastet. Protonentorpedos feuerbereit.“ sagte der Droide neben ihm mit technischer Gleichgültigkeit.
    Rhaven starrte auf das blinkende Kreuz am Bildschirm, als er die Sicherheitsklappe am Steuerhebel öffnete. Er schloss die Augen und drückte den Auslöser.
    Wie konnte es nur soweit kommen?

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