• Der nicht enden wollende Geräuschpegel war mehr als sie ertragen konnte.


    Die schmalen Hände fest auf ihre Ohren gepresst, die Augen vor dem chaotischen Übermaß verschiedenster Spezies, Kleidungsstile und Anbiederungsversuche verschlossen versuchte sie, sich in die Erinnerung besserer Tag zu flüchten. Manchmal gelang ihr dies sogar und sie konnte sich für wenige kostbare Momente aus diesem täglichen Wahnsinn hinfort träumen.


    Was sie jedoch nicht aussperren konnte, waren die Gerüche. Nicht nur die verschiedenen Gerüche der teils absonderlichen Speisen, die für die Gäste zubereitet wurden und die Körperausdünstungen unzähliger Spezies prägten diese olfaktorische Kulisse. Der ganze Palast stank nach Angst.
    Sie alle waren auf mehr oder weniger fatale Art und Weise dem Hutten ausgeliefert und mühten sich ihres eigenen Wohlergehen willens darum, diesem jeden noch so absurden Wunsch zu erfüllen noch bevor er ihn überhaupt geäußert hatte.


    Heute wollte es ihr nicht zu gelingen, in ihre Traumwelten zu entkommen, zu unerbittlich drängte sich die Gegenwart in Gestalt einer anderen Sklavin in ihr Bewusstsein, die sie daran erinnerte, welche der Zimmer sie noch für die erwarteten Händler bereit zu machen hatte.




    Einige Stunden später …


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    Wie so oft drückte sie sich in den düsteren Gängen der Katakomben unweit der Arena herum. Sobald sie einen Hauch von Freiheit wittern konnte, sei es nun auf dem Rückweg eines Botenganges für einen der Köche oder nachdem sie eine ihrer Aufgaben im Gästebereich nachgekommen war, legten ihre Füße diesen Weg fast schon automatisch zurück.


    Der Anblick des hellblonden Mädchens war nicht einmal mehr für die gamorreanischen Wachen, die häufig durch diese Gänge zogen, eine Besonderheit. Dank ihrer Hilfsarbeiten in der Küche gelang es ihr gelegentlich sogar, mit einer Flasche Potwa-Bier dafür zu sorgen, dass die Gamorreaner ihre Anwesenheit weiterhin stillschweigend duldeten.

    In einer für sie beide wohlbekannten Ecke wartete sie auf die schweren Schritte, die sein Erscheinen üblicherweise ankündigten, in ihren Fingern drehte sie den winzigen weißen Stein, den er ihr anvertraut hatte. Sie konnte sich freier bewegen als er, hatte Zugang zu mehreren Möglichkeiten, das kostbare Kleinod vor dem Zugriff anderer zu verstecken und ihm so oft sie konnte zu seiner Erbauung in die schwieligen Hände zu legen.
    Er hatte sich verändert, in diesen letzten harten Jahren. Zwar mochte für andere die grobe Haut seines knorrigen Gesichtes nicht wesentlich anders erscheinen, für sie jedoch, der dieses Gesicht seit beinahe einer Dekade der einzig verlässliche Bezugspunkt in diesem Leben darstellte, war der Wandel seiner Erscheinung mehr als auffällig.
    Sicherlich war augenscheinlich, dass mittlerweile bereits zehn geflochtene Zöpfe auf seinen breiten Rücken fielen. Nicht mehr lange würde es dauern und es wäre an der Zeit für ihn, einen weiteren hinzu zu fügen, der fünfte innerhalb ihrer gemeinsamen Gefangenschaft würde dies werden.

    Der Wandel jedoch, der sie noch dann verfolgte, wenn sie sich gemeinsam mit den anderen Sklavinnen zur Ruhe gelegt hatte und der sich bisweilen sogar in ihre Träume schlich, war der, der von seinen Augen ausging.
    Wie zwei bodenlose schwarze Seen hatten sie das Zentrum seines ledrigen Gesichtes gebildet, im Lauf ihrer gemeinsamen Jahre hatte sie dort kalte Wut, rasende Energie aber auch meditative Ruhe lesen können. Niemals jedoch waren sie so leer gewesen, wie nun in Erwartung des fünften Jahres ihrer Zeit im Palast des Hutten. Ihre einzigartige Klarheit hatten sie verloren, fast schon milchig trüb blickten sie nun in die Welt, immer häufiger ins Leere starrend.


    Bei ihrem letzten Treffen war sie plötzlich zornig geworden, wirkungslos waren ihre Fäuste auf seine blutverschmierte Lederrüstung getroffen, als sich ihre Verzweiflung einen Weg bahnte. Kein Tag in den letzten Jahren war einfach gewesen, aber stets hatte sie sich an die Hoffnung geklammert, dass all dies vorüber gehen würde.
    Er würde einen Weg finden, dessen war sie sich sicher, er hatte immer einen Weg für sie beide gefunden. Sie hatten sich in diesen Jahren gegenseitig Halt gegeben, noch mehr als in den unsteten Jahren zuvor. Eine Weile war es ihr geglückt, seine schwindende Hoffnung auszugleichen, hatte den kleinen weißen Stein häufiger aus seinem Versteck geholt und unter größeren Risiken durch den Palast geschmuggelt. Hatte seine Zöpfe zwischen den Fingern gedreht so wie damals, als sie noch ein kleines Kind gewesen war und er dieses Bedürfnis des menschlichen Kindes nach Nähe erst unter großen Mühen kennen - und schließlich sogar dulden gelernt hatte.


    Immer mehr jedoch schien er zu schwinden, schien sie in all dem Wahnsinn allein zu lassen und hatte so ihre Wut auf sich gezogen. Sogar die gewohnte Aura seines Geruches schien sich zu verändern auf eine Weise, die sie nie zuvor wahrgenommen hatte.
    Zwar blieben ihr die Eigenarten seiner rassetypischen Pheromone ohnehin verborgen, angesichts seiner übrigen Veränderungen konnte dies jedoch nichts Gutes bedeuten.


    Sie verbalisierte ihre Emotionen nicht, das war nicht nötig. Die beiden hatten nie besonders viel durch das gesprochene Wort kommuniziert, nicht nur weil beide wenig den Drang danach hatten, zu sprechen, sondern auch weil sie mit sprachlichen Problemen zu kämpfen hatten. In ihrem alltäglichen Zusammenleben war Sprache nach einer Weile nicht notwendig, Beobachtung der Körpersprache und Mimik des anderen genügte ihnen. Für Außenstehende wirkte dieses blinde Verständnis dieser beiden so gegensätzlichen Wesen mitunter ziemlich befremdlich.



    Unruhig schlich sie in ihrer Ecke hin und her, versuchte die fernen Geräusche aus der Arena bewusst zu überhören und die abstoßenden Laute der Zuschauermenge zu ignorieren.




    Vielleicht war es heute noch eine Spur lauter als sonst.




    Als es endlich leiser wurde, lugte sie aus ihrer Ecke, versuchte vergeblich im Halbdunkel des Ganges etwas zu erkennen nur um sich kurz darauf wieder zurück zu ziehen.


    Sie verstand nicht, warum es so lange dauerte, der Jubel für den siegreichen Kämpfer war schon längst verklungen, er hätte bereits zurück sein müssen.


    In diesem Augenblick schlich ihr, langsam aber unerbittlich, die Erkenntnis ins Bewusstsein, welcher Umstand die Erklärung seines Ausbleibens sein könnte. Die grünen Augen des jungen Mädchens wurden feucht, sie schluckte.
    Es muss eine andere Erklärung geben. Nicht diese, versuchte sie sich einzureden. Sie schloss die Augen während die Tränen ihre Wange hinab rannen, ihre rechte Hand ballte sich um den kleinen Stein, so fest, dass die Knöchel weiß hervor traten.



    Wenig später trugen sie ihn an ihr vorbei. Vor den Augen der Wachen verborgen sah sie zu, wie er auf den Hügel der heutigen Abfälle der Arena geworfen wurde um dort auf den Abtransport am nächsten Morgen zu warten.



    Der Gewölbegang leerte sich schnell, anderweitig musste für Unterhaltung der blutrünstigen Meute gesorgt werden, an jenen, die ihr Leben zu diesem Zweck bereits verloren hatten, bestand keinerlei Interesse mehr.



    ...



    Der Schritt ihrer nackten Füße ist auf dem sandigen Boden nicht zu hören. Noch ein letztes Mal streicht sie über die raue, borkige Haut seiner Hände und sucht den Blick seiner gebrochen Augen. Einem plötzlichen Impuls folgend, benetzt sie den kleinen weißen Stein mit dem noch frischen Blut aus der klaffenden Wunde, die sich quer über seinen Brustkorb zieht.



    Mit dem Stein in der Handfläche wendet sie sich ab und wird nach wenigen Metern von der Dunkelheit des Ganges verschluckt.

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