Von Corellia nach Nar Shaddaa

  • Stille. Was für ein unangenehmes Gefühl. Ein tauber Druck auf den Ohren, der nach und nach drohte an ihrem Verstand zu kratzen. Nur sachte, regelmäßige Atmung verschiedener Menschen war im Raum zu hören. Und sie könnte schwören, dass ihre Atemzüge die kräftigsten waren, während sie gleichsam träge dahintröpfelten, als würden sie überhaupt nicht geschehen. Es war ein unwirkliches Gefühl. Sie konnte sich selbst in der Spiegelung der Fensterscheibe sehen und doch entschied ihr Gehirn sich, diese Spiegelung einfach zu ignorieren. Stattdessen beobachtete sie unweit von sich das sachte und rhythmische Rascheln verschiedener Grashalme. Vermutlich eine Grasschlange, die sich heimlich ihren Weg durch das kniehohe Gras suchte, auf Beutejagd. Oder einfach nur auf der Reise.


    Erst eine Bewegung riss ihre Aufmerksamkeit aus dem unangenehmen Ambiente ihrer eigenen Gedanken. Mit einem Wimpernschlag fuhr sie herum, als die Türe zur ruhigen Stube geöffnet wurde. Es war ein hochgewachsener, kräftiger Mann der das Zimmer betrat. Bestimmt doppelt so groß wie das Mädchen, das in einer unruhigen, fahrigen Bewegung über den kratzenden Stoff an ihrem Arm glitt und ihn – zur Linderung des Juckreizes – etwas hin und her schob. Auch die anderen Blicke der Menschen richteten sich gen des Neuankömmlings. Eine gealterte Frau, deren dunkle Haare von grauen Strähnen durchzogen wurden, brachte sich wankend auf die Füße. Sie hatte ihre Haare streng zurückgebunden, die Augen schienen schwer und verquollen, als habe sie tagelang geweint und wäre nun von dieser Fähigkeit verlassen wurden. Und doch zeichneten sich feine Fältchen um Mundwinkel und Augen ab. Ein Schatten anderer Zeiten, in denen herzlich gelacht wurde.


    Eine ganze Weile kehrte die Stille in das Zimmer des farmähnlichen Hauses zurück. Dichte Grasfelder umschlossen das Gebäude und nur in der Ferne mochte man die Skyline Coronets ausmachen. Eine sehr weite Ferne, kaum zu erahnen.
    Die kräftige Pranke des Mannes - der wohl etwa desselben Alters entsprach wie jene wankende Frauengestalt, die sich mit Mühe und einem letzten Rest Würde auf den Füßen hielt – schloss sich um die Türe, als er sie hinter sich zudrückte. Er schüttelte den Kopf. Ganz schlicht. Ganz einfach. Eine Geste, die er sicherlich schon tausende Male zuvor vollführt hatte. Diesmal jedoch war es anders. Es war ein anderes Kopfschütteln. Jenes, was so viele Worte ersetzen sollte. Es war ein Kopfschütteln von Trauer, Mitgefühl, Leid und Resignation. Und es provozierte eine wahre Flut an Emotionen in dem engen Raum, der durch die Präsenz des Hünen noch enger geworden war. Die gealterte Corellianerin brach mit dem Versuch sich auf den Füßen halten zu wollen und sank wie eine Stoffpuppe ohne Gelenke in sich zusammen. Erst auf die Knie, dann zurück. Nur knapp entkam sie dabei der Tischkante, mit der ihr Hinterkopf beinahe kollidiert wäre. Man hätte meinen können, sie würde ohnmächtig. Tatsächlich erstarrte sie jedoch mehr. Nachdem sie auf die Knie gefallen war, wurde ihr Blick steif und ausdruckslos. Es war ein Moment tiefster Emotion, ein Moment der Trauer und ein Moment der Schwäche. Sie – das Mädchen am Fenster, das das Schauspiel geradezu reglos beobachtet hatte – zog den Vorhang vor die spiegelnde Fensterscheibe, schloss die Außenwelt aus, hielt die Schwäche im Innern dieses Raumes.

  • Ihr Onkel hatte immer zur republikanischen Armee gewollt. So erzählte man zumindest. Liva, wenn sie ehrlich war, hatte niemals das Bedürfnis verspürt sich einer von beiden Seiten anzuschließen. Es war die Wahl des kleineren Übels. Sie hatte es spätestens dann gewusst, als ihr Onkel in einem sinnlosen Kampf der Republik verheizt wurde. Wenngleich sie noch ein Mädchen war, war es wohl der Moment, der für sie festlegte, welchen Weg sie gehen würde. Und dieser Weg, würde sie nicht zum Imperium führen, noch weniger jedoch zur Republik.


    An diesem Tag erst mal, führte ihr Weg sie jedoch von Corenia nach Coronet. Corenia war eine corellianische Siedlung – kaum groß genug um Erwähnung auf Karten zu finden, nicht mal groß genug um sich wirklich eine Siedlung zu nennen. Tatsächlich waren es exakt drei Häuser, die im Nacken der jungen Frau kontinuierlich kleiner wurden, während die Skyline Coronets dazu proportional größer wurde. Der getrampelte Weg durch die Graslandschaften wirkte geradezu etwas primitiv, altertümlich. Welch Ironie, wenn man bedachte, welch herausragende technische Leistungen die corellianischen Ingenieure vollbringen konnten.
    “Unsere Dreijährigen setzen dir ein Raumschiff binnen zwei Stunden zusammen. Das liegt uns Corellianern im Blut“, hörte sie ihren Vater gegenüber eines nicht-corellianischen Händlers prahlen, der ihm ein Ersatzteil aufschwatzen wollte. Vermutlich nicht zwingend die klügste Idee extra nach Corellia zu kommen um Technik zu verkaufen. Gerade nach Corellia. Einen Moment schmunzelte sie, ehe sie einen Satz über einen züngelnden Bach machte, der ihren Weg kreuzte.


    Raumschiffe, Alkohol, Schmuggelware. Das war das allgegenwärtige Bild Corellias. Manchmal fragte Liva sich, ob es noch einen zweiten Planeten gab, der mit sich so uneins war, wie es Corellia war. Oder so egozentrisch. Wirklich. Gab es einen zweiten Planeten wie Corellia? Im Corellianischen Sektor, im Corellia-System?
    Überraschenderweise heißen nicht alle Kinder Corelliana oder Corellio.
    Es war eine absurde, narzisstische Form der Egozentrik, während man gleichsam versuchte die Waage zwischen Unabhängigkeit und republikanischen Idealen zu halten. Tatsächlich stammte sie aus einer sehr republikanischen Familie. Daran hatte auch der sinnlose Tod ihres Onkels nichts geändert. Zumindest hatte sich nichts, außerhalb des Denkens Livas, geändert. Es war nur ein kurzer Moment von Trauer und Schwäche im engsten Familienkreis gewesen. Danach lief es wie routiniert. Die Bestattung wurde vorbereitet, der Onkel verbrannt, dann zu einem synthetischen Diamanten gepresst. Und nun zierte er – geehrt und geliebt – den Kaminsims neben seiner Mutter, seinem Vater und deren Eltern. Liva hatte nichts gegen den Brauch, nein, tatsächlich erfreute es sie, dass ihrem Onkel die Möglichkeit der Unsterblichkeit gegeben werden konnte. Andere Leichname kehrten aus den Schlachten gar nicht erst zurück. Und doch war es ein seltsames Gefühl den Staub von den Überresten ihrer Vorfahren zu wischen. Als Kind hatte sie danach regelmäßig geträumt, man würde sie lebendigen Leibes zwischen die Schwerkraftgeneratoren stecken. Als Kind hat man ja aber ohnehin eine ganz besondere Phantasie.


    Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie nahe sie Coronet bereits gekommen war. Nun aber stieg ihr der vertraute Geruch von Smog, Abgasen und Metall in die Nase. Als sie den Blick hob, war die Skyline kein Punkt am Horizont mehr, sondern eine aufragende Stadt. Die Straße unter ihren Füßen war befestigt, sie war in der Zivilisation angekommen. Und ihr Herz flatterte. Sie war 15, jung, schön. Und sie hatte es satt in Corenia. Sie hatte die Stille satt, sie hatte die Farm satt. Hier in Coronet schlug der Puls der Zeit im Gleichklang mit dem Ihren. Obwohl man versucht hatte die Industrie weitmöglich aus dem Planetenherzen zu verbannen, war es doch spürbar. Händler unterschiedlicher Spezies gaben sich hier die Klinke in die Hand. Musik drang schallend, freudig und verlockend aus dem Innern der nahen Cantina – einer Cantina von vielen – nachdem sie die Stadt betreten hatte. Aus allen Ecken drang die süße Musik von Metall, Technik, Ingenieurskunst und Handwerk. Wäre ihre Familie nicht, sie hätte schon lange ihre sieben Sachen gepackt und damit angefangen sich eine Bleibe in Coronet zu suchen. Oder noch besser: Auf einem Schiff, das die Hyperraumrouten der Galaxis durchquerte.


    Die Galaxis durchqueren, andere Sektoren sehen, den Huttenraum besuchen und in zwielichtigen Cantinas rumhängen. Es war ein sehr klischeehafter Traum eines jungen Mädchens, das mehr Adrenalin im Blut und mehr Flausen im Kopf hatte, als gut für sie gewesen wäre.
    Wenigstens für eine Weile könnten andere mal den Staub und Dreck von unseren Vorfahren wischen.
    Sie schalt sich für den Gedanken, noch ehe er vollends zu Ende gedacht war. Es war respektlos so zu denken – und doch war es wahr. Liva war Corenia schon lange, schon sehr lange entwachsen. Und in ihr brodelte der tiefsitzende Wunsch ein Raumschiff zu besteigen und den Planeten, vielleicht sogar den Sektor zu verlassen.


    Für heute allerdings war wenig Abenteuer eingeplant. Nicht mal ein Raumschiff. Mit einem tiefen Seufzen schlug sie den Weg in Richtung Marktplatz ein, auf dem die Händler diverse Waren anboten. Viele davon waren nicht corellianisch. Einige Twi’leks aus dem Huttenraum, ein paar republikanische Händler. Die meisten hatten aufgegeben Ingenieurskunst in Coronet verkaufen zu wollen – die corellianischen Ingenieure waren da sehr eigen. Einige boten Waffen an, andere Stims oder Datenpads. Wieder andere jedoch verkauften Lebensmittel variierender Exotik und wirkten geradezu deplatziert zwischen all den anderen Händlern. Nur bedingt hatte sie Blicke für den einen oder anderen Stand übrig, während sie zielgerichtet auf ein Gebäude zuhielt, das sich ebenfalls auf dem Marktplatz befand, seine Sachen jedoch nicht auf der Straße anbot. Eine kleine Biegung, sie wollte das Gebäude gerade betreten, als eine Stimme von der Seite sie innehalten ließ:
    „Hey Schönheit.“
    Eine Stimme wie ein Reibeisen, rauchig und verrucht. Gerade das richtige Maß, das ihre feinen Nackenhärchen aufstellte und sie schaudern ließ. Ihr Blick fuhr herum, suchte nach dem Urheber und fand ihn relativ zügig. Locker angelehnt stand ein junger Mann Anfang 20 hinter einer improvisierten Theke, auf der diverse Blaster und Gewehre arrangiert wurden. Dunkles Haar, dunkle Augen, ein Zahnstocher zwischen den Zähnen. Die Sorte Mann, vor der sogar corellianische Mütter warnten.
    “Hey..“. Als sie feststellte, dass sie einen Moment zu lange reglos im Türrahmen gestanden hatte um nicht lächerlich zu wirken, wandte sie sich herum, ließ ihren Auftrag zunächst außer Acht und näherte sich dem Waffenverkäufer langsamer Schritte. Der junge Mann raffte sich indes etwas auf, nachdem sie den Köder seiner Angel nicht nur angeknabbert, sondern mit einem Happs verschluckt hatte.


    “Waffen, eh..“ machte sie und schlug sich noch im selben Atemzug gedanklich vor die Stirn. Fest fixierte ihr Blick die Blaster vor ihr, während ein ruhiges Reibeisenlachen vom Verkäufer an ihr Ohr drang, der seine Hände auf seiner improvisierten Theke abstützte und sich etwas vorneigte. Schwielen waren an seinen Fingern, womöglich war er ein Handwerker und hatte die Waffen selbst hergestellt.
    “Hast du denn schon mal so ein Ding in der Hand gehabt, hm?“
    Es ging schneller, als sie es mitbekam – er hatte einen Blaster erfasst, umgedreht und den Griff zu ihr gewandt, sodass sie mit Leichtigkeit danach zu greifen vermochte. Seine Mundart erschien ebenso corellianisch wie die Machart der Waffen. Vermutlich ein einheimischer Händler.
    “Na klar..“, erwiderte sie und log, dass sich die Balken bogen. Sie hatte zu Tausenden ihre Modellraumschiffe repariert, aber geschossen hatte sie noch nie. Entsprechend stümperhaft wirkte es wohl, als sie nach dem Blaster griff und ihn vor sich hielt, als halte sie eine corellianische Grasschlange am Kopf erfasst und von sich weg. Wieder ein Reibeisenlachen.
    “Bestimmt schon tausendmal, eh?“ feixte der junge Mann und rückte den Blaster in ihrer Hand zurecht. Es war so klischeehaft, dass sie am liebsten vor Scham im Boden versunken wäre. Leider hatten die Seismologen für heute keine Erdbeben oder sich plötzlich öffnende Felsspalten vorausgesagt.


    Also musste sie mit der Schmach leben, als sie der Lüge überführt wurde. Ihr Verstand war da allerdings nicht so willig.
    “Naja,.. ein anderes Modell..“
    “Mh-hm – wahrscheinlich läufst du immer schwerbewaffnet herum, meine Schöne“, grinste der Händler und schob den Zahnstocher vom linken in den rechten Mundwinkel, während er hinter der Theke auf einer Kiste Platz nahm und die Arme locker vor sich auf der Theke verschränkte.
    “Selbst wenn, würde es dich einen Scheiß angehen“, sie legte den Blaster wieder ab und schob die Brauen etwas zusammen, als sie den Blick zu ihm lenkte, während er abwehrend die Hände hob.
    “War doch nur Spaß, Kleines. Regs.“
    Er streckte die Hand aus, wohl um ihre Hand dazu zu provozieren sich ihm ebenso entgegen zu strecken. Und es funktionierte blendend. Offenkundig hatte ihr Verstand die Kontrolle über ihren Körper nur allzu bereitwillig abgegeben.
    “Liva..“, erwiderte sie dabei einsilbig. Nicht, weil sie einsilbig sein wollte, sondern weil es ihr schlicht die Sprache verschlagen hatte.
    “Liva, ich bin noch ein paar Tage hier. Wie wäre es, wenn wir beide uns etwas privater treffen und ich zeige dir, wie man mit den Babies hier umgeht?“ – deutend raste sein Blick von ihr zu den Blastern und wieder zurück, während der nicht-zahnstocherlastige Mundwinkel sich zu einem halbseitigen Grinsen in die Höhe schob.
    “Ja, ja sicher..“, sie antwortete, noch ehe sie darüber nachdenken konnte. Und das überraschte sie. Ziemlich sogar. Als er ein Datenpad rüberschob, neigt sie sich bereitwillig vor, tippte ihre Adresse und sogar eine kleine Anfahrtsskizze hinzu und wandte sich dann hinab. Zu ihrem Ärgernis vergaß sie sogar sich zu verabschieden. Und erst nachdem sie ihre Besorgungen getätigt hatte und bereits wieder auf dem Heimweg war, musste sie innehalten und einige Male verärgert im Kreis springen, weil sie nicht nur auf dumme, klischeehafte, frauenromanwürdige Anmachen hineinfiel, sondern sich auch noch darauf freute.

  • ( Diesmal bin ich nicht ganz zufrieden. Es war ungewöhnlich zäh für mich diese Passage zu schreiben. Vermutlich auch, weil ich möglichst schnell von dem aktuellen Thema weg will um nicht am Ende doch noch einen Liebesroman hier schreiben zu müssen. :face_with_open_mouth: )


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    Der Weg zum Fenster hin war wiederkehrend eine Verlockung. Schon vor einer Weile hatte sie aufgegeben dem zuckenden Häufchen Technik auf ihrem Schreibtisch Beachtung zu schenken. Es war mal das Modellraumschiff eines Nachbarjungen – war, bevor dieser es mit steigender Begeisterung gegen die Häuserwand hatte fliegen lassen. Mehrfach. Und noch ehe sie es sich versah, hatte sie die sterblichen Überreste des geschändeten Spielzeugs auf ihrem Schreibtisch liegen, weil sie die ‚kleineren Finger‘ habe – so jedenfalls, wollte man der Aussage ihrer Mutter trauen. Der Nachbarsjunge war ein Bengel, Einzelkind und geizig. Man brauchte kein Diplom um die strahlende Zukunft des kriminellen Verbrecherbosses vorauszusehen.


    Mit einem Ächzen brachte sie sich wieder auf die Füße, nachdem sie sich in einem halben Schneidersitz auf dem Stuhl steifgesessen hatte. Etwas humpelnd, und einen sehr undamenhaften Fluch ausstoßend, hievte sie sich wie der bucklige Lakai eines Professors zum Fenster hinüber und starrte auf die fast unbewegten Grasflächen. Ein Schnaufen entkam ihr. Regs hatte nicht gesagt, wann er sie besuchen wollte. Aber eigentlich war es ihr auch egal. Es war doch normal alle halbe Stunde aus dem Fenster zu starren. Total.


    “Liva“, sie wurde sehr unsanft aus ihren Gedanken gerissen, als die Türe zu ihrem kleinen Zimmer sich öffnete, in dem so gar nichts an Mädchen erinnern wollte. Werkzeug und Einzelteile übersäten das Bett und den Schreibtisch, halbfertige – oder halbkaputte, wie man wollte – Holokoms und andere Kommunikatoren verteilten sich im Raum. Die meisten wirkten nicht, als würden sie jemals wieder laufen, mehr, als lägen sie dort zu Übungszwecken. In das heillose Chaos des corellianischen Teenagers trat dessen Mutter und ließ den Blick nur einen Moment schweifen. Locker verschränkte die gealterte Frau die Arme vor der Brust und lehnte sich in den Türrahmen.
    “Wie geht es mit dem Spielzeug voran?“ – noch während sie fragte, ließ die Mutter den Blick schweifen um an dem Häufchen Elend am Tisch hängen zu bleiben und “Ah“ zu machen, als habe sie eine unausgesprochene Antwort auf ihre Frage erhalten.
    “Ist es dir zu schwer?“, ein kleines Feixen breitete sich auf den Lippen aus und provozierte ein töchterliches Stöhnen.
    “Nein, Mum“, erwiderte sie langgezogen – ganz in töchterlicher Manier und hob die Schultern.
    Es waren kleine Momente, in denen Eltern die Nähe ihrer Kinder suchten, die über die Jahre verloren ging. Und wie in allen Fällen, war auch Liva keine Ausnahme, dass sie diese Momente als nervig und Aufdringlichkeit abtat. Und ihre Mutter zog sich zurück, überließ ihrer statt den Hormonen die Bühne, die das Mädchen wieder ans Fenster trieben.


    Ziemlich genau zwei Tage ließ er auf sich warten. Und eigentlich hatte Liva bereits angenommen, dass das Großmaul sich entweder verlaufen hatte, oder sie das Opfer von viel heißer Luft geworden war. Vorsorglich hatte sie niemandem von ihrer Begegnung auf dem Markt von Coronet erzählt um sich im Zweifelsfall nicht lächerlich zu machen. Außerdem war schwärmen nicht ihr Ding.. zumindest nicht öffentlich.
    Viel zu kindisch – und sie war erwachsen und reif und völlig verantwortungsbewusst. Und statt einem Tagebuch kratzte sie bereits seit Stunden kleine Herzchen in Technikteile. Eine Handlung, derer sie sich nicht bewusst war. Die Hormone führten wahrlich ein straffes Regime in ihrem Körper. Aus der nächsten Anfertigung eines winzigen, silbrigen Herzchens fuhr sie hoch, als es an der Türe klopfte. Und noch ehe sie sich versah, stürzte sie mit einem polternden “Ich gehe!“ durch die Flure. Es war jedenfalls kein Moment voll Grazie und Eleganz, als sie wie ein Bantha durch den Flur galoppierte um scheppernd vor der Türe zum Stehen zu kommen und die Automatik manuell zu bedienen – welch Ironie.


    Mit einem schabenden Geräusch schob die Türe sich beiseite, die seit Jahren wirklich mal wieder eine Wartung nötig hatte und gab den Blick frei auf den jungen, corellianischen Händler davor. Diesmal ohne Stand, dafür mit Blastern, die er in zwei Holstern am Gürtel trug, gesichert durch einen Riemen vor Diebstahl. Anzunehmenderweise.
    “Hey..“ – so gerade konnte sie sich noch davon abhalten mit den Augen zu rollen. Stundenlang war sie diesen Moment gedanklich durchgegangen und hatte sich schlagfertige, beeindruckende und ganz besonders coole Begrüßungsstrategien ausgetüftelt, ganze Gespräche im Kopf vorgefertigt mit verschiedenen, optionalen Antworten. Und jetzt fiel ihr nicht ein Wort mehr davon ein.
    “Hey, Schönheit. Bereit für ein paar Schüsse?“
    Statt einer Antwort, nickte sie einige Male ganz besonders eifrig. Das musste reichen – und sah auch bestimmt nur ein klein bisschen erbärmlich aus.


    “Wohin können wir gehen?“, der Schmuggler richtete seinen Blick über die Schulter Livas ins Innere des Hauses, wohl in Erwartung eintreten zu können. Für einen Moment folgt Liva seinem Blick mit dem eigenen, ehe sie nachdrücklich den Kopf schüttelte.
    “Rein können wir nicht. Wir haben keine Zielscheiben und Mum würde mir den Hals umdrehen, wenn wir das Haus in Schutt und Asche legen. Komm.“, sie setzte sich in Bewegung, verfolgt von dem bewaffneten Schmuggler, der ungesehen die Augen rollte, als sie ihm voraus stapfte, etwas abseits, wo Kompost aufgehäuft wurde.
    “Wir sollen also auf Scheiße schießen“, langsam schob sich der Mundwinkel Regs in die Höhe, als er seinen Blick langsam von dem Haufen hin zu seiner jungen Begleitung gleiten ließ, die in einer hilflos anmutenden Geste die Schultern hob.
    “Ich wüsste nicht, worauf wir sonst schießen sollten..“
    Mit dem Daumen entsicherte der Schmuggler einen der Blaster, während der rechte Mundwinkel noch etwas weiter hochwanderte.
    “Im Zweifelsfall würden mir bestimmt diverse andere Möglichkeiten einfallen, wie wir uns die Zeit vertreiben könnten.“
    Er griff nach ihr um sie romanwürdig vor sich zu ziehen und Hände und Blaster irgendwie zusammen zu bringen, die Lippen gleichsam an ihre Kopfseite, die Stimme senkend.
    “Schön ruhig halten.. Du willst doch keine Schwielen an den Fingern..“


    Es wäre eine ziemlich unfeine Lüge zu behaupten, Liva hätte sich bei ihren ersten Schießübungen irgendwie besonders gut angestellt. Genau genommen war der arme Regs nur knapp dem Verlust des Augenlichts entkommen und Liva konnte froh sein, dass sie noch 10 Finger und zwei Hände zählen konnte. Entsprechend stumm war sie, als sie nach einigen Stunden den Weg zurück zu dem Elternhaus der jungen Frau wählten. Erst als sie ankamen, wagte der - still vor sich hin grinsende – Schmuggler, die unangenehme Stille zu durchbrechen:
    “Mit etwas Übung…“
    “Halt die Klappe, Regs..“ – die Antwort kam prompt und unwirsch, während dunkle Röte nach und nach kriechend ihren Platz auf den Wangen fand.
    Am Haus hielten beide inne, es war still im Innern, wenngleich Liva wusste, dass ihre Mutter Zuhause sein musste. Ihr Blick pendelte sich auf ihrem neuen ‚Schießlehrer‘ ein, der sich mit einer Hand an der stabilen Hauswand abstützte.
    “Also, Scharfschütze. Wie ist es – kann ich noch mit rein?“, deutend schnellte sein Blick hin zum Haus, wo er von dem Blick des Mädchens verfolgt wurde, die die Brauen etwas zusammenschob.


    Retrospektiv betrachtet, hätte sie an diesem frühen Abend ‚Nein‘ sagen sollen und den charmanten Corellianer zum Teufel jagen sollen. Das dumme an Retrospektiven ist, dass etwas geschehen muss, damit das zukünftige Ich die Gelegenheit hat sich Optionen daraus zu spinnen, was alles hätte passieren können, wenn man etwas an einem entscheidenden Punkt geändert hätte.
    Faktisch hatte Liva an diesem Tag nicht ‚Nein‘ gesagt, sondern beflügelt von hüpfenden Hormonen genickt. Und wie von jedem gesunden Menschenverstand anzunehmen, war das Ziel des Schmugglers keine Sichtung der technischen Einzelteile.
    Als der junge Mann das Haus wieder verließ, mit diversen Versprechen in Bälde wiederzukommen, war er zumindest guter Dinge.


    In der frustrierten Mittvierziger Romanvorlage hätte Regs den Planeten verlassen und sich nie wieder gemeldet, stattdessen eine weitere Kerbe in seinen Bettrahmen geschlagen. In diesem Fall jedoch hielt er sein Versprechen und stand am nächsten Tag wieder auf der nicht vorhandenen Türmatte um schlechte Nachrichten zu übermitteln.
    Der junge Mann betrat das Haus gute 24 Stunden später, die Daumen locker in den Gürtel gehakt, empfangen von einer peinlich berührten Liva, die offenkundig noch fieberhafter nach den richtigen Worten suchte und am Ende doch nur ein “Hey“ hervorbrachte – nicht nur unkreativ, sondern auch noch nicht besonders originell.
    “Hey Schönheit, hör mal.. schlechte Nachrichten“, der junge Mann war kein schlechter Schauspieler. Zumindest wirkte er sehr betroffen, als er die rechte Hand in den Nacken hob und hindurch rieb, während Liva – in Erwartung aller möglicher Nachrichten – sich an die Wand des Flurs zurücksinken ließ und den Blick abwartend anhob.
    “Ich hab eine ziemlich dringende Ladung zur republikanischen Flotte zu bringen. Das duldet keinen Aufschub mehr“, mit einem tiefen Durchatmen brachte er die dunklen Haare in Wallung. Liva indes schob die Brauen etwas zusammen – eine Miene aus Bedauern und Skepsis.
    “Wusstest du das nicht gestern schon?“
    Eilends erntete sie ein Kopfschütteln, gleich mehrfach nacheinander, während er die Rechte an die linke Brust hob.
    “Ich schwöre. Mein Boss hat mich letzte Nacht kontaktiert. Irgendeine Ladung Elektroschrott, der dringend von der Flotte gebraucht wird. Warum auch immer. Man sollte Republik oder Imperium nicht hinterfragen – die haben alle gehörig einen an der Waffel.“


    Einige Momente kehrte Stille in das Szenario ein, während Liva reglos an der Wand gelehnt verweilte und nur still und schwerfällig die Brust hob und senkte in unregelmäßiger Atmung. Ihr Verstand ratterte und ratterte. Hormone oder Loyalität. Sie war noch nie jemand, der spontan die klügsten Entscheidungen traf. Das rächte sich auch dieses Mal. Verhältnismäßig kurzentschlossen entkam ihr ein “Ich komme mit“ – ein Satz, der Regs das aufmunternde Schmunzeln aus dem Gesicht schlug.
    “Du kommst.. mit. Was ist mit deinen Eltern?“, nun war es an ihm die Brauen etwas zusammen zu schieben.
    “Ich habe ja nicht vor Selbstmord zu begehen. Ich komme mit.“
    Weitere unangenehme Momente der Stille vergingen, ehe der Schmuggler seine Raison zurückfand und die Mundwinkel ein Stück anhob.
    “Super. Zwei helfende Hände sind manchmal goldwert.“
    Und eigentlich war es schließlich genau das, was sie eigentlich wollte. Auf ein Schiff, die Galaxis bereisen, etwas davon sehen. Dass der Mann, der sie ungewollt zu dieser Kurzschlussreaktion verleitet hatte, in ihrem Rücken alles andere als begeistert aussah, verdrängte sie für den Moment geflissentlich.

  • Als sie knappe drei Stunden später den Hangar Coronets betrat, in dem das Schiff des Schmugglers wartete, war sie sowohl freudig-aufgeregt, wie enttäuscht beim Blick auf das geradezu antike, kleine Frachterschiff, das seine glorreichen Zeiten sicherlich noch lange vor ihrer Zeit hatte. Und für den Bruchteil einer Sekunde, überlegte sie, ob ein drohender Tod im Weltall den Streit mit ihren Eltern wert gewesen war. Natürlich war ihnen bewusst, dass jeder Teenager – und gerade ein corellianischer – insgeheim den Wunsch hegt so schnell wie möglich Flügge zu werden und, trotz Liebe zur Familie, all das überschüssige Adrenalin loszuwerden. Nur war ihren Eltern bei dem Gedanken wohl kaum behaglich, dass ihre junge Tochter schon so bald verschwindet. Letzten Endes war die Renitenz des Mädchens aber doch der Sieger.


    “Willst du es anstarren, oder gehen wir auch rein?“, riss Regs sie schließlich sehr unsanft aus ihren Gedanken, während derer sie wie eine Marmorstatue dagestanden und das Schiff angestarrt hatte. Sie klappte den Mund zu, als sie etwas Undamenhaftes und Unverständliches zwischen den Zähnen hervorbrummelte und sich in Bewegung setzt. Es klirrte, als sie einen von beiden Rucksäcken, den sie mit sich führte, neu schulterte, sodass sie ihn auf dem Weg zum Schiff nicht verlor.
    “Hast du eigentlich deine komplette Technik dabei?“, der Schmuggler hob eine Augenbraue und beäugte einige Herzschläge lang den unförmigen, klimpernden Rucksack, mit dem seine Begleitung sich offenkundig abmühte. Allerdings hatte der junge Mann seine Manieren ganz augenscheinlich im Schlafzimmer zurückgelassen.
    “Teilweise nur.. Und ein paar Werkzeuge. Irgendwie muss man sich doch auch die Zeit vertreiben, oder nicht? Was machst du denn während der Raumreisen?“
    Regs hob die Schultern, als er die Automatik außerhalb der Frachtertüre betätige, die sich langsam, mit einem hydraulischen Schnaufen öffnete.
    “Dies und das. Manchmal habe ich Gäste auf dem Schiff, die ich gegen einen kleinen Obulus vom einen Planeten zum anderen chauffiere. Dann spielen wir Sabacc oder amüsieren uns ein wenig. Je nachdem.“ Nachdem die Türe geöffnet war ging der Captain zuerst ins Schiff und ließ seine Begleitung mit einem kleinen Schnaufen, ähnlich der Rampentüre, folgen.


    Im Innern erwartete ein ebenso wenig beeindruckendes Bild die, klein wenig desillusionierte, Corellianerin. Dunkle, schlichte Farben, noch die Betriebseinstellungen, wie es schien. Hier und da waren klappen offen und ließen Einblick in die Elektrik – wohl, weil sie nicht mehr geschlossen werden konnten. Zumindest jedoch der Einblick schien sie für einige Herzschläge jeweils zu interessieren, denn sie lugte in jede Möglichkeit hinein, während sie dem Schmuggler den winzigen Flur in das Schiffsinnere folgte, wo neben einem Sabacctisch, drei weitere Türen abgingen. Sie stellte beide Rucksäcke ab und ließ die Schultern einmal rollen, bis ein leises, erlösendes Knacken ertönte.
    “Schlafzimmer, Lagerrum, Cockpit.“ – er deutete relativ knapp in erklärender Manier auf die jeweilige Türe, ehe er zu seinem Schmunzeln zurückfand.
    “Und ich bin sicher hinter zwei von dreien werden wir anteilig die meiste Zeit verbringen.“
    Sie räusperte sich, als könne sie damit aufziehende Verlegenheit überspielen, als sie sich beugte um ganz intensiv an ihrem Rucksack rumzuspielen, als verlange dieser nach ihrer Aufmerksamkeit.
    “Wo kann ich denn mein Zeug abladen?“ erkundigte sie sich nach einem weiteren Räuspern und hob den Blick. Selbstverständlich war sie – nichtsdestotrotz – hilflos errötet. Und wiederum deutete Regs auf die Türe, die er zuvor mit der Erklärung ‚Schlafzimmer‘ belegt hatte. Sie nickte einmal und schaffte sich mit ihren Rucksäcken in Richtung Schlafzimmer, während ihr Gastherr sich mit einem “Ich bin im Cockpit“, auch in Richtung eben dieses begab.


    Das Schlafzimmer, das sie betrat, war erwartungsgemäß schlicht, bis auf ein ausladendes Bett, das knapp 40% des Raumes einnahm. Jenes durfte auch sogleich als Unterlage für ihre Rücksäcke herhalten, als sie den Blick einige Momente schweifen ließ und die Brauen kraus zog. Die Einrichtung war mehr als spartanisch. Es gab einen Spind, auf dem Hochglanzbilder diverser, nackter Damen verschiedener Spezien zu sehen waren, daneben eine kleine Türe, die beim Aufstoßen offenbarte, dass es eine kleine Abseite mit Sanitäranlagen war. Eine Schalldusche und ein WC. Nichts, was sie länger aufhalten konnte. Sie wandte sich herum und setzte sich in Bewegung um das Schlafzimmer nun ebenfalls in Richtung Cockpit zu verlassen.
    “Ah, da bist du ja.. ich dachte mir, du willst das sehen.“, Regs grinste und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück mit einem lockeren Klatschen auf seinen Oberschenkel, der sie wohl dazu animieren sollte, eben dort Platz zu nehmen. Die Aufmerksamkeit des Mädchens galt allerdings allem voran dem Astromech, der gerade an der Sternenkarte des Schiffes zu Gange war und die Koordinaten einspeiste. Als sie das Cockpit betrat, wandte der Droide seine Linse allerdings für einen Moment herum und piepte eifrig in einem irrsinnigen Tempo, während der kleine, kompakte Roboter dabei vor Freude beinahe von den Rollen fiel.
    “Er freut sich, dass noch jemand da ist“, übersetzte Regs dabei grinsend und hinterließ ein Schmunzeln auf ihren Lippen.
    “Freut mich ebenso“, sie wusste nicht ganz, ob und wie man mit Droiden umging. Die einzigen Roboter, die sie Zuhause kennengelernt hatte, waren Erntehelfer ohne bedeutend ausgeklügelte KI. Erst verspätet nahm sie nun auf dem Oberschenkel des Raumschiffcaptains Platz und wurde von einem Arm gestützt, sodass sie nicht herunterfiel.


    Noch waren durch die Scheiben des Cockpits lediglich die massigen Türen des Hangars zu sehen.
    “Und nun?“ sie wandte den Kopf ein Stück – gerade weit genug, dass sie den zweckentfremdeten Landsmann fragend ansehen konnte.
    “Wir bekommen jede Sekunde Starterlaubnis. Das ist doch deine erste Reise ins All, oder? Die muss man hier aus dem Cockpit miterleben“, schmunzelte er und deutete erklärend auf den recht unbeeindruckenden Blick der Hangartüre. Sie nickte lediglich bestätigend und wandte sich wieder herum. Tatsächlich vergingen nur noch wenige Wimpernschläge, ehe Licht durch einen Spalt der Hangartüre fiel, das zunehmend das Innere des Cockpits erhellte, als die Türe sich langsam, wie der Vorhang eines Theaters, auseinander schob. Schließlich vermochte man Baumwipfel der Stadt zu sehen. Der Hangar war etwas höher gelegen, sodass man beim Starten nicht die Stadt verwüstete – machte durchaus Sinn.


    “Mech, bring uns raus. Schön langsam“, er richtete das Wort gen des Astromech, gefolgt von einem Blick des Mädchens, die seinen Worten folgte, als wären es Sabacckarten, die über den Tisch glitten. Rasch erwiderte der Droide piepend etwas, ehe das Schiff sich mit einem Rumpeln in Bewegung setzte. Nach diesem ersten Ansetzen änderte sich kaum etwas in dem Gefühl im Cockpit, im Vergleich zu vorher, wo die Landefüße des Schiffes noch festen Kontakt mit dem Boden hatten. Und doch redete Liva sich ein, dass das Gefühl des Schwebens im Innern des Schiffes einen gänzlich anderen Eindruck machte. Ein weniger statischer, flexibler Eindruck. Sie vermied es allerdings tunlichst, ihre Gedanken auszusprechen. Vermutlich würde man sie eh nur für verrückt halten. Stattdessen richtete sie ihren Blick umso intensiver aus den Scheiben, als die Landschaft in Bewegung geriet und das Schiff schnurstracks auf die Bäume zuhielt, vor deren Wipfeln es erst knapp bremste und schließlich seine Richtung von einer Waagerechten in eine Vertikale änderte. Dann ging es recht schnell. Durch den Druck des Steigflugs wurde sie etwas auf den Oberschenkel des Landsmannes gedrückt, sie selbst stützte sich beidseitig auf den Armlehnen noch etwas ab um im Zweifelsfall nicht ausversehen einen Knochen zu brechen, sollte der Druck sich noch erhöhen – was die Technik und die Beschaffenheit des Schiffes offenkundig jedoch zu verhindern wussten. Wolken, Himmelsfetzen, Gebäude wischten an ihr vorbei, wie unwirsche Erinnerungen, die einen Wimpernschlag lang ihre Gedanken passierten, einen Moment glühte es und dann, still und reglos, umfing das Schiff ruhige Schwärze. Es blitzte und blinkte verlockend aus allen Richtungen, als das Schiff ins Weltall eintauchte und ihr einen Moment den Atem raubte. Der Druck des Steigfluges verschwand, das Schiff schien wieder ruhig, als hätte es wieder festen Boden und sie brachte sich auf die Füße um überwältigt zum Fenster zu gehen. Um den Planeten herum konnte sie die Stationen ausmachen, in denen zum Teil gearbeitet wurde um den Planeten zu schützen. Sie sah Fähren, die von den Stationen abflogen und andockten und es vergingen bestimmt 10 Sekunden, ehe sie die vergessene Atmung schnappartig wieder nachholte und dabei ein “Wow“ verhältnismäßig atemlos ausstieß. Wenn es Liebe auf den ersten Blick gab, hatte das Mädchen sich soeben in das Weltall verliebt.

  • Das Weltall. Welch ein Anblick. Auch in den kommenden Tagen, erwischte sich das Mädchen wiederkehrend dabei, wie es an den Scheiben des Cockpits stand und die Vielzahl vorbeirauschender Sterne und Planeten beäugte, wenn sie gerade von einer der Hyperraumrouten abwichen und die Möglichkeit bestand, mehr zu sehen, als nur einen unscharfen Wirbel aus Farben und verschobenen Eindrücken. Sie waren nun wieder etwas langsamer unterwegs, denn in der Ferne wähnte sie bereits ein neues Schauspiel in all seiner Pracht: Die republikanische Flotte.


    Selbstverständlich hatte sie Bilder davon gesehen. Es gab ganze Bücher auf Corellia von der Flotte, von der Republik, von dem Wiederaufbau von Coruscant. Es aber mit eigenen Augen zu sehen, war eine ganz andere Geschichte. Locker stützte sie die Arme auf dem Amaturenbrett des Schiffes ab, streng darauf bedacht, nicht ausversehen einen Knopf zu drücken, der den schmerzhaften Tod oder das Abweichen von der Spur zur Folge hatte. Der Astromech hatte allerdings auch alles ziemlich gut im Griff. Sie seufzte leise auf, als die drei riesigen Schiffe in der Ferne immer schärfer wurden und alsbald wie eine überlappende Stadt über ihnen schwebten. Offenkundig reihten sie sich gerade ein, denn vor ihnen, konnte sie mehrere Raumschiffe ausmachen, die im stillen Schwebeflug auf ihre Erlaubnis warteten einfliegen zu dürfen. Hinter ihr piepte Mech ganz aufgeregt, übermittelte offenbar einen ähnlichen Antrag auf Erlaubnis an die Flotte, wie es die Schiffe vor ihnen bereits getan haben.


    Regs kam verspätet und müde ins Cockpit, nur mit einer Hose bekleidet. Für einen Captain verbrachte er reichlich viel Zeit damit im Schlafzimmer zu liegen oder Sendungen via HoloNet zu verfolgen, wenn er nicht gerade die Zeit nutzte um seine tendentiell zunehmend skeptische Begleitung mit Süßholz wieder um den kleinen Finger zu wickeln. Und Liva ließ sich recht leicht wickeln. Erst Retrospektiv würde sie wohl bemerken, wie viel sie falsch gemacht hatte.
    Mit einem Ächzen ließ der junge Mann sich in den Captainsstuhl sinken und führte das Glas mit dem dunkelbraunen Whiskey an die Lippen, um einen kräftigen Schluck daraus zu nehmen. Liva, die noch immer in der Hocke an der Scheibe des Cockpits kauerte, wendete den Kopf ein Stück, sodass sie einen Blick über ihre Schulter werfen konnte.


    “Wir sind schon da, sehr gut. Mech, hast du unsere Daten schon übermittelt?“
    Der Astromech piepte schnell und aufgeregt und entlockte dem Schmuggler damit ein zufriedenes Grinsen, ehe seine Aufmerksamkeit sich auf Liva einpendelte.
    “Die republikanische Flotte, meine Schöne. Beeindruckendes Schauspiel, nicht wahr?“, er grinste halbseitig und klopfte mit der Linken einmal locker auf seinen Oberschenkel um seine Begleitung dazu zu bewegen, sich aus der Hocke zu erheben und stattdessen auf seinem Schoß Platz zu nehmen – mit Erfolg.


    “Wir werden den Technikschrott dann im Hangar abladen, ich bin sicher, dass die Kunden bereits da sind, um ihn in Empfang zu nehmen.“
    Liva nickte einmal sachte, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte und lenkte den Blick dann wieder in Richtung der ausladenden Fenster, sodass sie das Vorrücken in der kleinen Raumschiffschlange beobachten konnte.
    “Sollten wir nicht die Lagerung noch einmal überprüfen, ehe wir andocken?“, sie lenkte ihren Blick nicht von der sich nähernden Flotte ab, wenngleich die Worte eindeutig für ihren Begleiter bestimmt waren, der gerade als Stuhl zweckentfremdet wurde und sich nun mit der freien Rechten über das stoppelige Kinn kratzte. Ein schabendes, raues Geräusch entstand dabei, das Liva eine Gänsehaut auf die Arme zu jagen wusste.


    “Wäre vielleicht gar nicht so unklug, eh?“ er grinste, als er sein Glas vor sich abstellte und mit dem Abstützen beider Hände auf den Armlehnen signalisierte, dass er wohl im Begriff war aufzustehen. Liva verstand, erhob sich und machte zwei Schritte zur Seite um es dem Captain zu ermöglichen seinen Plan in die Tat umzusetzen.
    “Allerdings glaube ich nicht, dass den Leuten auffallen würde, wenn zwei Technikschrottteile fehlen“, er grinste und vollführte mit der Rechten eine einladende Geste um Liva dazu zu bewegen voranzugehen. Und wiederum tat sie wie geheißen. Sie hatte die letzten Tage bereits desöfteren den ein oder anderen Blick in das Lager geworfen, die Anhäufung von Technik aus der Ferne begutachtet, die zum Teil – dafür dass sie Schrott waren – in außerordentlich gepflegtem Zustand erschienen. Zum Teil keine Ölflecken, keine Gebrauchsspuren. Als hätte sie jemand poliert, bevor er sie weggeschmissen hatte. Dementsprechend neugierig war sie, was Regs wohl dazu sagen würde. Sie hatte sich nicht wirklich getraut etwas anzufassen um es näher zu begutachten.


    Sie trat vor Regs ein und beäugte noch einmal die glänzenden Haufen Metall, die sich im Lager stapelten, ehe ihr Blick in Richtung des Corellianers glitt, dessen Reaktion sie beäugte. Allerdings enttäuschte der junge Mann mit einer recht sorglosen Miene, wähend er den Technikschrott beäugte und schließlich die blanken Schultern ein Stück anhob.
    “Sieht mir aus, als wäre alles da. Ich glaube aber auch, ich habe nichtmal im Detail alles auf meiner Lieferliste stehen. Da steht nur ‚Technikschrott‘. Also..“, er holte aus und vollführte eine vage Geste, die absolut alles bedeuten könnte, ehe er fortfuhr: “.. natürlich steht das da nicht wortwörtlich. Aber es ist der Kern dessen, mh.“
    Seine Miene war von Desinteresse geprägt, als er eines der Teile anhob, das aussah, wie die Tankklappe eines Gleiters. Selbst diese schien außergewöhnlich sauber.


    Nachdem er selbst Hand anlegte, traute sich offenkundig auch Liva. Sie ging neben einem der Stapel in die Hocke und beäugte sie eingehend, die Brauen etwas zusammenschiebend.
    “Wundert es dich gar nicht, dass der Schrott so sauber ist, Regs? Wer poliert seine defekte Technik, wenn er sie wegschmeißt?“, sie griff nach einem der Teile und drehte es langsam zwischen den Fingern. Es war ganz augenscheinlich defekt, denn zwei gleichmäßige Verbiegungen machten die Chipkarte unmöglich. Wüsste sie es nicht besser, würde sie behaupten, diesen Defekt hätte jemand gestellt. Aber – wusste sie es überhaupt besser?
    Regs indes, hob lediglich die Schultern etwas an und ließ sie wieder fallen.
    “Keine Ahnung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man nicht alles hinterfragen sollte. Du auch nicht.“
    Es klang nachdrücklich, entschieden. Eine Tonlage, die eine Diskussion beendete. Und so schwieg das Mädchen, während es vereinzelte Technikteile anhob und zwischen den Fingern drehte. Sie erkannte keinen Sinn hinter dem, was sie sah. Die Teile wirkten insgesamt – mit wenigen Ausnahmen – äußerst gepflegt und geordnet. Sogar die verschiedenen Defekte schienen ein System zu haben, als existiere irgendwo eine Firma, die kaputte Technikteile auf Wunsch auslieferte.


    “Komm, Süße. Hier ist offenbar alles vorhanden..“, er grinste als er eine Hand nach ihr aussttreckte.
    “Und wir haben die Ladung korrigiert, so wie du es wolltest“, fügte er noch an, als wolle er das Mädchen gutmütig stimmen, das sich wieder auf die Füße schob und in seine Richtung, sodass er den Arm um sie legen und einen feuchten Kuss an ihre Wange drücken konnte. So ganz überzeugt schien sie allerdings nicht. Dennoch glitt ein kleines Schmunzeln für einige Momente über ihre Lippen, als sie sich vom Lager fortführen und auf einer Bank positionieren ließ.
    “Hast du nochmal was von deinen Eltern gehört? Sie schienen mir ja nicht ganz so begeistert von deiner Abreise?“, ganz augenscheinlich versuchte er das Thema zu wechseln – und ganz augenscheinlich ließ Liva das problemlos zu, als sie den Kopf sachte schüttelte.
    “Nein, bislang noch nicht. Allerdings haben sie ja auch keine Möglichkeit mich zu kontaktieren. Ich werde mir bei Zeiten ein Com besorgen müssen“, sie hob die Schultern ein Stück und ließ sie wieder sinken.
    “Und natürlich waren sie nicht begeistert. Sie hatten damit gerechnet, dass ich irgendwann mein Glück in der Ferne suchen werde – das tun ja nicht wenige Kinder von Corellia – aber vermutlich hatten sie nicht gedacht, dass es so schnell passiert. Immerhin bin ich die einzige Tochter.“
    Regs, der selbst das Thema gewechselt hatte, verließ sich nun jedoch wieder darauf schlicht zu nicken, während er den Blick kurz in Richtung des Cockpits wandte.
    “Ich nehme an, wir werden jeden Moment andocken. Ich sollte mir etwas anziehen“, er grinste, als er sich wieder auf die Füße brachte und eine kurze Geste vollführt, die ihr wohl andeuten sollte, zu warten. Als er jedoch im Schlafzimmer verschwunden war, setzte auch sie sich in Bewegung um erneut das Cockpit anzusteuern. Tatsächlich waren sie in der kleinen Raumschiffschlange indes ziemlich weit vorgerückt und ein kleines Piepen des Astromechs verriet, dass es wohl bald losgehen würde.


    Sie ließ sich auf einen der Stühle im Cockpit nieder und schlug die Beine locker übereinander, während sie das Geschehen beobachtete. Mittlerweile waren sie die Ersten in der Schlange und vor ihnen öffnete sich die Türe zur Schleuse in den Hangar, bot ihnen die Möglichkeit einzufliegen, während sich eine blecherne Stimme meldete und ihnen den Einlass bestätigte. Auch Regs kehrte wieder, als der Astromech Kurs auf die geöffnete Schleusentüre nahm und das Raumschiff sicher in den ausladenden Bauch der Flotte navigierte, in dem sie von dem Raumschiff geschluckt wurden. Es wurde dunkel, als sich das Tor zur Schleuse hinter ihnen schloss und eine Weile schwebten sie bewegungslos in der Dunkelheit, ehe ein Spalt vor ihnen aufging und sich die Tore träge zum Hangar öffneten und sich endlich die Möglichkeit bot, das Schiff zu landen.
    Es war ein unbestimmtes Gefühl, als das Schiff, zum ersten Mal seit Tagen, wieder festen Boden unter den Füßen hatte – selbst wenn es nur der feste Boden eines anderen, größeren, Raumschiffs war, das seinerseits durch das All schwebte.


    “Willkommen auf der republikanischen Flotte“ – Regs trat erst ein, als das Schauspiel bereits vorbei war und ließ die Schultern einmal rollen, während er den Hangar kurz mit seinen Blicken abzusuchen schien. Und er fand, wonach er suchte. Nahe der Treppe mit den Terminals, stand eine kleinere, offiziell wirkende Delegation, die sich nicht bewegte, sondern wohl darauf wartete, dass man auf sie zutrat. Und tatsächlich, machten sich nach der Landung, sogleich einige Droiden an der Ladeluke zu schaffen um die Ladung aus dem Lager zu transportieren.
    “Das hier wird eine Weile dauern. Schau dir in der Zwischenzeit doch die Flotte an, hm?“ Regs klopfte ihr sachte einige Male auf die Schulter – eine Geste, die wohl motivierend erscheinen sollte. Liva jedoch schüttelte einmal den Kopf.
    “Mir wäre es lieber, wenn du dabei wärst, Regs. Dieses Schiff ist so groß, ich würde mir nur verlaufen“, sie brachte sich auf die Füße und richtete den Blick gen des Schmugglers, der langsam nickte.
    “Na gut, ich muss nur eben mit den Herren dort hinten sprechen“, er nickte gen der kleinen Delegation und setzte sich in Bewegung, dicht gefolgt von Liva.


    Die Herren – überwiegend Menschen – bewegten sich auch nach wie vor kein Stück, während Regs quer durch den Hangar auf sie zuhielt und auf zwei Meter Distanz zu ihnen stehen blieb. Liva hielt neben ihm an und nickte einmal grüßend, stellte jedoch bald fest, dass sie nicht wirklich Beachtung fand.
    “Captain Klicks“, die Stimme schien schneidend, als der vordere der Herren zu Sprechen ansetzte.
    “Ich hoffe, unsere Lieferung ist vollzählig und unversehrt angekommen. Nicht so, wie beim letzten Mal.“
    Regs schob sich eine Hand in den Nacken und versuchte sich an seinem charmantesten Lächeln, das jedoch offenkundig lediglich eine Wirkung auf seine Begleitung hatte, die ihren Blick einen längeren Moment auf den Zügen des jungen Mannes hielt. Die Herrschaften der Delegation hingegen schienen mehr als nur unamüsiert.
    “Na klar ist alles da, wir haben eben noch alles durchgeschaut, nicht wahr, Schatz?“
    Kosenamen. Bisher hatte er von einem derart intimen Kosenamen abgesehen, der eine Form von Beziehung suggerierte – bisher waren sie allerdings auch noch nie in der Öffentlichkeit gemeinsam gewesen und sie konnte einfach nicht leugnen, dass ihr Herz einen kleinen Hüpfer vollführte. So ganz hatte sie nicht zugehört, doch sie nickte dafür umso eifriger um zu bestätigen – was immer er gesagt hatte. Die Delegation schien davon allerdings genauso überzeugt, wie in den letzten fünf Minuten und der Sprechende gab ein schnatterndes Geräusch von sich, das sowohl gruselig, wie lächerlich war und dafür sorgte, dass das Mädchen für zwei Herzschläge lang die Luft anhalten musste um nicht zu lachen.


    “Ich würde an ihrer Stelle die Flotte noch nicht verlassen, bis wir die Lieferung kontrolliert haben, Captain Klicks. Fühlen Sie sich bis dahin wie Zuhause.“
    Der Mann ließ einmal den Blick zwischen beiden hin und her schweifen, als nehme er zum ersten Mal Notiz von Liva, bevor er sich abwandte.
    “Captain. Miss.“, er nickte beiden zu, steuerte dann – Gefolgt von seinen Begleitungen – die Treppe an um darüber zu verschwinden und Liva in Ratlosigkeit zurückzulassen, die sich in einem sehr fragenden Blick äußerte, den sie dem Captain sandte.
    “Ich sag’s doch. Republikaner haben alle einen an der Waffel..“, er winkte ab und versuchte das Geschehen offenkundig abzutun, als er seinen Arm um das Mädchen schob.
    “Komm, ich zeige dir die Flotte. Wir müssen eh noch warten.“ Sie nickte einmal und ließ sich führen – doch die Skepsis war aus ihren Zügen nun nicht mehr fortzuwischen.

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