Karteror, in der Hauptstadt Torkeror, ein Hotelzimmer im 'Iron Star', früh am Morgen
Sie steht am Fenster des Hotelzimmers und sieht auf die Stadt hinaus, am Horizont färbt die aufgehende Sonne die allgegenwärtige Bergkette langsam rot. Nachdenklich nippt sie kleine Schlucke Caf, den sie sich vom Zimmerservice hat bringen lassen.
Karteror. Kolonialregionen. Konstitutionelle Monarchie, die vor etwa hundert Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hat, als in den Gebirgskämmen Erzvorkommen entdeckt wurden, die so reichhaltig sind, dass die Kriegsindustrie noch heute in hohem Maß davon zehrt – und mit diesem Fund gab es einen Freifahrtsschein in die Republik. Total uneigennützig, Freiheit und Menschlichkeit geschuldet. Selbstverständlich.
Ein republikanisches Erfolgsmärchen in planetarem Stil – bis vor einem Monat der König des herrschenden Hauses Uhta verreckt ist, scheinbar ohne einen brauchbaren Erben zu hinterlassen, denn sofort hat die Familie Torka in den Startlöchern gestanden, 'in Zeiten der Not für Karteror an die Spitze zu treten'. Theoretisch ist es intergalaktisch vollkommen irrelevant, welcher Familienname nun an der Spitze eines Erzlieferanten sitzt – wenn nicht praktisch hinter dem Haus Torka im Geheimen rote Flaggen wehen würden und ein Umbruch den Hahn für die Republik zudrehen würde. Zusätzlich dazu, dass es einen weiteren Planeten in imperiale Umklammerung zwingen würde, was vermutlich in der Entscheidungsfindung der Köpfe ganz oben zumindest am Rande mal erwähnt wurde. Ihren Arsch drauf verwetten allerdings würde sie nicht.
Vier potentielle Thronfolger des Hauses Torka, vier Teams, zu verhindern dass einem davon die Krone die schicke Frisur platt drückt. Teams die autark operieren, jedes nur auf sein Ziel konzentriert, höchstens mit Agent Seth Refka als SIS-Kontakt vor Ort als Schnittstelle. Als sie noch Freelancer gewesen ist hätte sie bei diesem Jobabriss einmal laut gelacht, ihr Ale ausgetrunken und wäre gegangen - viel zu politisch, und das auch noch auf diese beschissene Alderaaner Art mit Häusern, Erbfolgen und der ganzen Scheiße, bei der es nicht darum geht, wer überhaupt fähig wäre einen ganzen verdammten Planeten zu regieren sondern nur darum, welcher Name mit welchem gefickt hat. Absolut unverständlich.
Das Ziel von ihr und ihrem Partner – Häftling 0049421 – ist Ardenas Torka, Nummer drei in der Liste der potentiellen Thronfolger, der siebenundzwanzigjährige Sohn des Familienoberhauptes. Frisch – und pressewirksam – verlobt mit Baroness Elena Zhor, einem großen und vor Allem reichen Namen auf Karetor, der den Finger auf einer Menge Minen hat und die von Agent Sefka charmant mit 'aber fuck, ist die Frau fett' beschrieben wurde. Gerüchteweise hat Torka Junior 'fett' nicht gerade auf seiner Fetischliste stehen und vögelt stattdessen lieber mit der Gräfin Priscilla Cantabella fremd – die in ihrer Freizeit modelt. Und den ja wohl beschissensten Namen der bekannten Galaxie hat!
Ardenas Torka gilt in der Öffentlichkeit als jung, dynamisch und sympathisch, ausgestattet mit wilden Jahren, die die Drogenpalette einmal von oben bis unten durchgegangen sind, wovon natürlich so gut wie alles aus der Öffentlichkeit herausgehalten wurde. Extremsportler, Skydiver, Stipendienstifter in weiterführende Bildung im Bereich Biochemie. Das Klischee eines jungen Bengels, der nicht weiß was Verantwortung ist und zu viel Zeit und Kohle hat. Das ganze Ding ist ein Fleisch gewordener Soap-Opera-Alptraum!
Wahrscheinlich wäre es sogar relativ leicht, Ardenas Torka umzubringen und es dabei wie einen Unfall aussehen zu lassen, Extremsport ist eine gute Grundlage. Aber sie haben sich dazu entschieden, Mord nur als Ausweichplan in Betracht zu ziehen, auch wenn ihr bei 'Sam' die Beweggründe unklar sind – er nannte es 'in diesem Zusammenhang so elegant wie ein stumpfes Bajonett', was für einen Mann, der als professioneller Attentäter gearbeitet hat ehe er in einer SIS-Zelle gelandet ist, eine irgendwie seltsame Ansicht zu der Thematik ist. Moralische Gründe kann er zumindest nicht gehabt haben, hat er im Brainstorming doch ziemlich beiläufig vorgeschlagen, seine eventuelle Geliebte umzubringen um den Mann psychisch anzugreifen – woraufhin sie ihn einen gewissenlosen kranken Bastard genannt hat. Das hat... die Zusammenarbeit nicht gerade erleichtert. Er ist eingeschnappt wie ein verfluchter Fünfjähriger, hat angekündigt, dass er bis auf 'Ja Ma'am' und 'Nein Ma'am' nichts mehr sagen würde und ist von dem Zeitpunkt an für Planungsgespräche so nützlich gewesen wie ein unter einen Barhocker geklebtes Kaugummi.
Ray hätte ihm das Kommando geben sollen, nicht ihr. Natürlich versteht sie, was den Senior Agent dazu getrieben hat, sie auszuwählen, aber für ihren eigentlichen Job hier – einer Einschätzung von 0049421 unter Einsatzbedingungen – wäre es anders herum sinnvoller gewesen. Verweigern hätte sie immer noch können. Ist sie nicht der verdammte Rebell in diesem vermeintlichen SIS-Häftlingsteam, von dem man Widerstand erwarten würde?
Plötzlich muss sie lachen. So plötzlich, dass sie sich an ihrem Caf verschluckt und das Lachen von röchelndem Husten unterbrochen wird, während die in die Luftröhre geratene Flüssigkeit ihren Weg über die Nase nach draußen nimmt.
Scheiße, es ist so absurd! Sie tut so als sei sie ein Häftling der mit dem SIS einen Deal eingegangen ist. Und arbeitet in diesem Undercover undercover. Während der Typ den sie beobachtet sich nachts auf eigene Faust davon macht, dabei unter Beobachtung von Agenten vor Ort steht, die ihr daraufhin verschlüsselte Nachrichten schicken, was er getrieben hat. Sie würde ihn nachher fragen wo er war – eine Frage auf die man die Antwort schon kennt hat wenigstens ein klares Wahrheit-oder-Lüge-Ergebnis.
Verdammt, was hat sie sich nur dabei gedacht als sie Supervisor Vanell vorgeschlagen hat, sich in den Zellenblock zu 0049421 einweisen zu lassen, um ihm auf direkter Augenhöhe zu begegnen? Sie kann den Kerl verdammt nochmal nicht leiden, er ist ein verschissener Feigling, ein Heuchler und ein Lügner, der in seiner kleinen Welt nicht klarkommt und sich deswegen in irgendein Phantasiekonstrukt von einer Galaxie der Gleichheit flüchtet, die nochmal naiver ist als republikanischer Idealismus. Und wie elend bigott er dabei selber ein riesengroßes Arschloch ist, das gedankenlos über Leichen geht!
Was hat Vanell in ihrer Einschätzung geschrieben? Sie könne 'eine zumindest grundlegend moralische Geisteshaltung auf Basis von Menschlichkeit verzeichnen'? Yeah, sure. Gemixt mit einer ordentlichen Prise irgendeines... pseudoreligiösen Fanatismus? Irgendwie sowas. Und Fanatiker sind ein Problem. Immer. Unfähig zu rationalem Denken, wenn sie mit ihrem Feindbild konfrontiert werden. Irgendeinem bescheuerten angeblich höheren Ziel verpflichtet, was sie in ihren Köpfen um eigene ethische Überlegungen bringt, das größere Ganze eine herrlich bequeme Entschuldigung, spontan durchzudrehen. Am Besten mitten in einem Einsatz. Was schert sich ein Fanatiker um sowas wie Befehle und Missionsparameter, wenn er glaubt, seinem Ding zu folgen?
„Fuck'eeh“, brummt sie, schüttelt den Kopf und wischt mit dem Handrücken Caf von der Nase. „Bah“, kommentiert sie die Flüssigkeit an der Hand und wendet sich vom Fenster ab, stellt die Tasse auf dem kleinen Tisch im Raum ab um zum Bad weiterzugehen. Nase putzen, Gesicht waschen!
Hoffentlich finden sie im Apartment etwas, womit sie den scheiß Thronfolger in Spe denunzieren können und müssen nicht irgendwas fingieren. Es würde ja schon reichen, wenn er Miss Model tatsächlich in seinem Stadthaus vögelt, ein paar Cams sind schnell angebracht.
Sie kann diese Stadt nicht mehr sehen, sie kann ihren Partner nicht mehr sehen, sie kann die scheiß SIS-Zelle nicht mehr sehen! Sie will verdammt nochmal nach Hause!