Coruscant, eine Umkleidekabine in einem größeren Bekleidungsgeschäft, früher Abend
„Oh fuck...“, kommentiert sie stumpf das ihr entgegenblickende Spiegelbild und lacht irritiert auf während sie am unteren Rand des Kleids herumzupft – das Ding erfüllt die Definition eines Kleids, denn es ist ein Einteiler, wenn es auch genau genommen nicht mehr als ein verdammt enger, irgendwie in Form gebrachter und verstärkter Stoffschlauch ist, der gerade mal bis zur Mitte ihrer Gravballer-Oberschenkel reicht. Das Ding gewinnt noch an Absurdität dadurch, dass die schweren Stiefel, die knapp unter den Knien einsetzen, sich so gar nicht in das sowieso schon falsche Bild einfügen wollen.
„Fuck“, kommentiert sie ein weiteres Mal, verengt die Augen und reckt das Kinn, greift nach ihrem Gürtel und schlingt ihn um die Hüfte, als wäre er der Holstergurt eines Pistoleros. Das mit technischem Gerät behängte Teil verbessert das Ganze nicht gerade, aber immerhin behindert die Klamotte nicht, und das ist entscheidend!
“Fuck'eeh, in'der scheiß Klamotte hätt'ich 's nie bis'aufs Dach geschafft...“
„Alles nur Ausreden! Wo ist dein Sinn für Herausforderungen? Ich mein, statt im Kleid einfach hier quasi ohne etwas hochzuklettern...“
„O-kay... ich kletter'im Rock irg'ndwo hoch wenn du 's auch tust, damit'de überhaupt beurteil'n kanns' wie'scheiße ätz'nd das is' nich' feststitz'nden Stoff um'die Beine zu hab'n.“
„Ich kletter dir höchstens unter den Rock... außer es wäre was drin für mich. Ich mein, außer Recht haben.“
„Eeh, 's war'ne wenn-dann-Feststellung. Warum'genau soll'ich ne Herausforderung annehm'n für'die ich kein'n Kontrahent'n hab an'dem ich'mich mess'n kann?“
„Keinen Kontra... von wegen keinen Kontrahenten! Warte nur, wir klettern im Kleid um die Wette! Nenn nur Ort und Uhrzeit, Trig.“
„Kriegste!“
Grinsend schüttelt sie den Kopf. Er hat sie gebissen! Und verdammt, der Plan hat vorgesehen dass es die bizarre Vorstellung abschmettert, sie könne in einem verdammten Kleid durch die Gegend klettern, nicht dass es herausfordert. Zugegeben, dafür ist die Formulierung nicht gerade geschickt gewesen, aber wer hätte denn bitte damit rechnen können dass etwas anderes als ein Nein auch nur eine Option ist!
Ort und Zeitpunkt auf sie abzuschieben ist gar nicht dumm gewesen; sie könnte es einfach verschleppen und er wäre fein raus, ganz ohne gekniffen zu haben. Nur würde er ihr genau das nach einer angemessenen Zeitspanne des Totschweigens unter die Nase reiben, das ist so sicher wie Meditation im Tempel – und das ist natürlich auch keine Option!
Aus schmalen Schlitzen mustert sie noch einmal das Spiegelbild und strafft die Schultern – was ein unangenehm knartschendes Gefühl im Brustbereich des Stoffs mit sich bringt.
Cheatin' on a Cheater – es ist ein Kleid und erfüllt damit vollkommen die getroffene Absprache. Dass es durch seine Cocktailversion den Sinn torpediert, weil sie nicht mit überflüssigen, viel zu wallenden Stoffmassen um die Beine klarkommen muss, ist zwar nicht fair, aber vollkommen legitim!
Abrupt wendet sie sich ab, schiebt den Vorhang der Umkleidekabine zur Seite und geht schnellen Schrittes zur Kasse des Bekleidungsgeschäfts, ignoriert die mehr als seltsamen Blicke auf ihrem Weg.
„Ich behalt's gleich'an“, quatscht sie trocken in die irritierte Starre des Kassierers, winkelt den Arm hinter dem Kopf an und zieht das Preisschild aus dem Rückenteil, schnippt es locker auf den Tresen.
„Sicher“, räuspert der Mann sich und konzentriert seinen Blick auf die Abrechnung. Das Ding kostet gerade mal ein Zwanzigstel der Variante, die sie für Aldera gekauft hat – aber gut, es ist ja auch viel weniger Stoff.
Grinsend wünscht sie dem Kassierer noch einen schönen Tag, schiebt den Credstick zurück in den Gürteleinschluss und verlässt mit übertriebenem Hüftschwung das Bekleidungsgeschäft, schlägt den Weg in Richtung der Turbolifte zur Tiefgarage ein, in der sie ihr Swoop geparkt hat.
Es ist ein guter Tag, etwas Bescheuertes zu tun; nicht dass ihr nicht auch irgendwas Sinnvolles einfallen könnte, das sie beschäftigen würde, aber nichts davon ist akut, nichts davon kann nicht auch noch ein bisschen warten, dazu die Dinge, die zeitlich sowieso von anderen abhängig sind. Ein perfekter Zeitpunkt für ein paar Stunden Freizeit.
Freizeit
Stirnrunzelnd verlässt sie den Lift, schlägt den Weg zu ihrer Parkbucht ein. Arbeitsfreie Zeit, frei von Verpflichtungen. Arbeitsfrei von einem Job, der sie noch immer mit seichter Verwunderung erfüllt. Er ist so... offiziell. Es ist ein vollkommen ungewohnter Zustand, sich weder Informationen erschleichen zu müssen noch immer und überall darum kämpfen zu müssen, Gehör zu finden.
Dass er dem Braten nicht trauen würde, hat Alan gesagt, als sie nach dem letzten Meeting darüber gesprochen haben. Wahrscheinlich hat er Recht. Wahrscheinlich sollte sie das auch nicht tun – je höher man steigt, desto tiefer ist der darauf folgende Fall. Aber verflucht, sie will!
“Ey, aber'vielleicht... wird’s ma' Zeit, hum? Ich'mein... schätz, mehr tun, das'zu mein'n Gunst'n verläuft als'ich 's ganze verdammte letzte'halbe Jahr getan hab, kann ich'einfach nich'... un'ich hab'das gewusst. Ich'hab gewusst dass'ich mich'mit den Dat'n als'jemand oute der'was Infiltration angeht in'ner Oberliga spielt un' nich' irg'ndwo an'nem Spielautomat'n gelernt'hat, 'n Schloss'zu knack'n. Ich'hab gewusst, dass'die mich genauer in'den Fokus nehm'n. Ich'hab gewusst dass'nem Typ'n dess'n verdammter Job 's is' Commandos auszubild'n merk'n wird dass'ich 'ne militärische Vorbildung'hab...“
Sie zieht die Brauen zusammen, schüttelt irritiert den Kopf.
“Voraussetzung dafür ist, dass Sie an den zuvor geäußerten Befragungen teilnehmen um die Lücken in Ihrer Vergangenheit zu schließen. Nicht weil man Ihnen nicht traut, das wäre im Angesicht Ihrer jetzigen Positionen auch ein furchtbar schlechter Zeitpunkt für Zweifel, sondern weil man natürlich auf Intel, Kontakte und eine genauere Vorstellung Ihres erworbenen Skillsets hofft.“
Sie blinzelt, schüttelt nochmal den Kopf.
“Was hypothetisch kriminelle Handlungen angeht, da haben Sie den Status eines Überläufers der von höchster Instanz bereits Pardon erfahren hat. Da sollten Sie keine Befürchtungen haben, vor Allem nicht, da von unserer Seite natürlich Interesse besteht Sie zu integrieren.“
Na klar, der Kerl könnte auch lügen. Aber, ganz nüchtern betrachtet, warum sollte er? Wenn die ihr irgendwas an Ärger hätten machen wollen, hätten sie das lange getan; an Gelegenheitsmangel wäre es wohl kaum gescheitert. Also hat sie beschlossen, ihm zu glauben, die Fakten sprechen für ihn. Und sie respektiert ihn; die Art wie er seinen Job macht. Ergebnisorientiert. Anders als dieser kleine Wichser, der sich einbildet seine Arbeit auf sie abwälzen zu können und glaubt, er könne sie mit geschlossenen Türen, Stühlen und Cafbechern ärgern. Der nachtragende Typ – hoffentlich hat er sich eingehende Gedanken darüber gemacht, dass Handlungen auch Konsequenzen haben können!
Sie erreicht ihr Swoop, öffnet den Clip hinter dem Sitzpolster um den Helm zu befreien, streicht sich routiniert mit links die Dreads aus dem Gesicht um das Ding mit rechts über den Kopf zu stülpen, schließt die Gurte und öffnet die Sitzklappe, um Shirt und Hose zu dem Mantel und diversem anderen Kram den sie da deponiert hat, zu stopfen. Dann schwingt sie sich auf das Swoop, stockt und lacht irritiert auf.
„Oh my...“, murmelt sie leise und zerrt mit beiden Händen am unteren Rand des Kleids herum um es zumindest grob wieder dahin zu verfrachten, wo es hingehört – zum Swoopfahren ist das Zeug also schonmal nicht entworfen worden!
Den Bruchteil einer Sekunde ist sie versucht, das Unternehmen abzublasen, dann wird der Gedanke von Starrsinnigkeit weggewischt; sie zieht ihr Pad vom Gürtel und tippt eine kurze Textnachricht, Koordinaten eines Industriehofs auf Coruscants dritter Ebene und einen Zeitpunkt in einer Standardstunde, gefolgt von einem “Abendgarderobe nicht vergessen!“.
Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: “Du hast sie nicht mehr alle! Ich muss mir ein verdammtes Kleid kaufen! Fuck! Was meinst, in welche Größe passe ich rein? 34? XS? Ich mein, was ist wenn ich keine Modelmaße hab, dann muss ich mich erst runter hungern...“
Sie schnaubt, ihre Lippen verziehen sich zu einem spöttischen Lächeln. Das wird jetzt durchgezogen, verdammt nochmal! Es ist ja wohl kaum ihre Schuld!
Ein paar Nachrichten lang liefern sie sich einen textbasierten Schlagabtausch, bis irgendwann keine Antwort mehr eingeht, scheinbar ist er unterwegs.
„Na dann...“, murmelt sie, hängt das Pad zurück in den Gürtel, verengt die Augen und startet das Swoop.