Operation Raindrop

  • 0400 - Anflug


    Der Boden des Shuttles erzitterte unter den schweren Stiefeln der Soldaten, als eine weitere enge Kurve geflogen wurde. Es war nicht zu sehen, was den Piloten dazu veranlasst hatte: Es gab noch kein Tageslicht und nur manchmal rasten hinter dem Fenster die Schemen von Wolken durch das sonst gleichförmige Schwarz der Nacht.


    Takematsu sah sich um und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie ein anderer der Soldaten im engen, schwach rot beleuchteten Innenraum des Shuttles, sich in seine Haltegurte krallte.


    "Keine Sorge, Specialist. Wir haben bald wieder festen Boden unter den Füßen. Dann gibt es nur noch Sie, den Sumpf, Ihr Gewehr und ein paar zehntausend feindliche Soldaten. Was soll Ihnen dann noch passieren, hm?" Takematsu grinste aufmunternd bei der Frage und der Soldat blickte ertappt auf.


    "Tut mir leid, Ma'am." antwortete er. "Werde nur nicht gern abgeschossen in der Luft. Lieber auf dem Boden."


    "Keine Sorge, Specialist. Dafür bekommen Sie noch genug Chancen."


    Ein Ziehen in der Magengegend signalisierte Takematsu, dass das Shuttle jetzt rapide an Höhe verlor. Unter ihr tauchten die Signallichter des Stützpunktes auf. Schemenhaft rasten Jäger und andere Shuttles vorbei und je weiter sie sanken, desto deutlicher wurden die schattenumwaberten Bewegungen der vielen Soldaten auf dem Stützpunkt. Wissen, was genau vor sich ging, konnte man nicht, aber trotzdem war ein Stützpunkt an der Front auf einen Blick von einem zu unterscheiden, der im Hinterland lag: Die unbestimmte, angespannte Geschäftigkeit des aktiven militärischen Dienstes war hier allgegenwärtig und fing das landende Shuttle wie eine Bärenfalle ein.


    Als die Hecklade des Shuttles sich öffnete und die Soldaten hinaus auf die Landefläche sprangen war der Lärm ohrenbetäubend. Nicht nur die Triebwerke des Fluggeräts dröhnten, sondern auch die Bewegungen der Wartungsfahrzeuge, die Schritte der vielen, umher rennenden Soldaten, die Start- und Landesirenen und der ferne Donner der Artillerie. Die Geräuschkulisse wirkte auf Takematsu, als hätte sie gerade die Tür zu ihrer eigenen Wohnung aufgeschlossen und hörte nun das laute Schreien der eigenen Kinder: Es zog an den Nerven, aber es war so etwas wie Heimat.


    "Lieutenant Ihak, Ma'am!" rief ein Offizier, der durch den strömenden Regen auf sie zulief und Takematsus Hand schüttelte. "Folgen Sie mir! Der Colonel will Sie sofort sprechen! Ihre Männer können direkt weiter zu Landeplatz 14! Dort drüben!"


    Er wedelte durch den Regen hindurch zu einem kaum sichtbaren, hinter Kraftfeldern verschanzten Shuttle. Takematsu hob eine Augenbraue, nickte dann aber. "Auf geht’s, Männer!"


    Ihak eilte in beeindruckendem Tempo über das riesige Flugfeld zu einem der Hangars, dabei stets dem landenden und startenden Fluggerät, den vielen Soldaten und Fahrzeugen ausweichend. Selbst der Lärm verschwamm langsam zu einer unförmigen Melange, als Takematsu ihm folgte und versuchte, sich wenigstens halbwegs die Geometrie des chaotischen Nestes einzuprägen.


    "Ehe ich Sie da unvorbereitet reinschicke, Ma'am." rief der Lieutenant. "Die Luft im Einsatzzentrum ist gerade so dick, dass man sie mit einem Vibromesser schneiden müsste. Wir haben Besuch vom IGD, der dem Colonel Ihren Einsatz aufgezwungen hat."


    "Und warum soll mein Trupp sich direkt wieder einsatzbereit machen? Die Männer sollten besser ein Einsatzbriefing bekommen." antwortete Takematsu und konzentrierte sich jetzt darauf, das Gebäude vor ihnen in Augenschein zu nehmen: In der Tat ebenfalls ein Hangar, aber deutlich besser gesichert. Zwei große Kampfroboter bewachten den Eingang, Soldaten standen herum. Ihak zeigte seinen Ausweis vor und trat mit Takematsu im Schlepptau ein.


    Vor den beiden erstreckte sich das Einsatzzentrum: Ein Wust an Bildschirmen und Konsolen mit Soldaten dazwischen, die beständig in ihre Headsets sprachen. Als sich die Tür hinter ihnen schloss verschwand auch der Lärm des Flugfelds fast vollständig und wich dem Lärm der Computer und dem Wirrwar der verschiedenen Stimmen. Ihak machte sich zielstrebig zur Rückseite auf, wo durch eine transparente Panzertür der Besprechungsraum zu sehen war. Ein ergrauter, hochgewachsener und kräftiger Mann in grauer Militäruniform war gerade dabei, mit auf den Rücken verschränkten Händen hin und her zu gehen und unhörbar mit jemand anderem zu sprechen, der hinter den Wänden verborgen blieb.


    "Die Details, Ma'am, fragen Sie den Colonel am besten selbst." sagte Ihak, als sich die Tür vor ihnen öffnete.


  • 0415 - Briefing


    "... habe ich nicht vor, noch Soldaten dafür zu opfern. Korrigieren Sie mich, aber meines Wissens ist es nicht Ihr Job, für Militärs militärische Entscheidungen zu treffen." sagte der alte Mann und seine Augen verengten sich. Die Antwort kam von einer Frau und in aller Seelenruhe. Sie hatte sich abseits aller äußeren Blicke an der Wand postiert. Eine deutlich jüngere Frau in schwarzer Uniform. Vielleicht dreißig, vielleicht älter. Athletisch und unauffällig. Ihr Gesicht zeichnete eine Abwesenheit irgendwelcher markanter Merkmale aus. Sie war nicht mal besonders hübsch. Einfach nur ein Gesicht.


    "Nur, wenn die militärischen Entscheidungen nicht im Sinne des Imperiums sind, Colonel. Wir sind ein Korrektiv im Imperium." sagte sie und lächelte höflich. Dann straffte sie ihre Uniform. "Der Captain ist eingetroffen."


    Takematsu salutierte sofort und ging in stramme Soldatenhaltung über, als der Colonel sich zu ihr umdrehte und sie mit zusammengekniffenen Augen musterte.


    "Captain Takematsu, richtig? 24 und schon Captain bei den Spezialkräften. Ihr Papi muss sich ja echt für Sie eingesetzt haben. Colonel Quinn, Luftwaffe. Sie können jetzt verschwinden, Lieutenant."


    "Sir." Ihak salutierte und verschwand, so schnell es ging. Takematsu blieb stramm stehen und versuchte, einen Blick auf die Karte hinter Quinn an der Wand zu erhaschen. Das einzige, was sie ausmachen konnte, waren bedrohlich viele Feindmarkierungen, ehe der Colonel weitersprach.


    "Das neben mir ist Operative Idrissou, Imperialer Geheimdienst. Wahrscheinlich hatten Sie mit den Brüdern und Schwestern schon mehr zu tun als ich, also klemme ich mir weitere Einführungen. Sie haben das Wort, Operative. Es war Ihre grandiose Idee, also dürfen Sie auch das Briefing übernehmen."


    "Gern, Colonel." sagte Idrissou lächelnd und stieß sich von der Wand ab. Elegant trat sie zum großen Kartenmonitor hinüber und begann in routiniertem Tonfall ihren Vortrag. "Wir haben Sie hinzugezogen, Captain, weil Sie und Ihre Männer Fachleute für Kommando-Operationen sind. Wir haben es hier mit einer Bergung zu tun. In diesem Areal ..." fuhr sie fort und deutete auf einen Bereich inmitten markierter Feindsichtungen. "... haben wir vor sechs Stunden den Kontakt zu einem Sith, Lord Yu, verloren. Bisher sind keine Notfallsignale aufgefangen worden. Dass der Lord und seine Begleiter umgekommen sind ist also eine reale Möglichkeit. Sie haben sicher bemerkt, dass jede Menge Feindkontakte gemeldet wurden. Dabei handelt es sich um Rakghule. Sie sind mit dem Phänomen vertraut, nehme ich an. Der Geheimdienst ist vor vier Stunden hinzugetreten und hat umgehend dafür gesorgt, ein Einsatzteam vorzubereiten. Die Lage ist seitdem im Fluss, Captain: Die Feindbewegungen deuten darauf hin, dass auch die Rakghule nach dem Lord suchen."


    Quinn schüttelte unwirsch den Kopf. "Das ist völlig spekulativ, Operative! Sie haben überhaupt keinen Beleg dafür, dass diese Viecher überhaupt intelligent denken geschweige denn Suchtrupps bilden können."


    Idrissou fuhr unbeirrt fort: "... Und der Feind hat also bereits einige Stunden Vorsprung. Sie werden Ihre Suche an der letzten bekannten Position beginnen und dann die Region absuchen. Versuchen Sie dabei, nicht allzu sehr aufzufallen. Für den Fall, dass Sie die Rakghule aufscheuchen und sich einer unbezwingbaren Übermacht gegenübersehen haben wir Ihnen mehrere Sprengladungen mitgegeben, um Ihre Waffen zu zerstören und noch möglichst viel Feindmaterial mitzunehmen.


    Ihr Einsatzziel ist denkbar einfach: Finden Sie Lord Yu, tot oder lebendig. Bringen Sie in jedem Fall seinen Körper wieder mit. Nutzen Sie die Sprengladungen, um alle sensiblen Daten, die hinterbleiben könnten, zu vernichten. Das wäre alles."


    Takematsu hob die Brauen etwas und schickte sich gerade an, eine Rückfrage zu stellen, als der Colonel ihr zunickte.


    "Sie haben es gehört, Captain. Das sind alle Informationen, die Sie haben. Wegtreten. Ihr Shuttle startet in 5 Minuten."

  • 0500 - Erstes Licht


    Nach den ersten Minuten des Fluges fiel die Anspannung langsam von den Soldaten ab und wich routinierter Konzentration. Takematsu hatte in aller Kürze die bekannten Informationen weitergegeben und die Sprengladungen inspiziert. Zehn Personen waren sie insgesamt, vier würden mit dem Transport der Ladungen und Zünder beschäftigt sein. Das bedeutete nur noch sechs Soldaten mit voller Bewegungsfreiheit - so weit man davon in einem Sumpf mit eingeschränkter Sicht überhaupt sprechen konnte.


    Der Himmel verfärbte sich langsam von einem tiefen Schwarz in ein schmutziges Grau, das sich freilich noch etwas aufhellen würde. Die grundsätzliche Atmosphäre aber würde bestehen bleiben. Unter ihnen wurde die von Nebel verhangene Sumpflandschaft ein wenig deutlicher. Zuweilen ragten Hügel und Bäume darauf hervor, die meiste Zeit aber bleib es einfarbig weiß bis gräulich und stellenweise war Takematsu sich nicht mehr sicher, was sie sah, wenn sie aus dem Fenster schaute: Himmel oder Erde. Grau war die alles beherrschende Farbe.


    Sie riss ihren Blick davon los und konzentrierte sich wieder auf den Einsatz: Es waren viele Fragen offen geblieben. Wieso hatte sich ein Lord der Sith überhaupt ohne hinreichende Sicherheitsmaßnahmen in den Sumpf begeben? Warum hatte der Colonel nicht selbst eine Rettungsaktion übernommen? Warum hatte erst der Geheimdienst hinzugezogen werden müssen? Und welches Interesse genau verfolgte der Geheimdienst in dieser Angelegenheit?


    Letztlich drehten sich ihre Überlegungen im Kreis. Sie hatte keine weiteren Informationen. Wenn sie überhaupt Antworten bekommen würde, dann nur im Sumpf, der unter ihr lag.


    "Haben Zielkoordinaten erreicht, Ma'am!" sagte der Pilot und riss Takematsu aus ihren Gedanken. "Sobald Sie raus sind gehe ich wieder in die Luft."


    Das überraschte Takematsu nicht. Der Colonel hatte ja bereits deutlich gemacht, dass das Gebiet unsicher war. Sie würden später eine Luftevakuierung anfordern müssen - oder alles sprengen.


    "In Ordnung, Chief." antwortete sie. "Bringen Sie uns rein."

  • 0510 - Sumpf


    Als das Triebwerk des sich entfernenden Shuttles verklungen war, war die Stille im ersten Moment schier überwältigend. Nur einige, wenige Tiere regten sich und ansonsten drang lediglich das schmatzende Geräusch der in den Schlamm einsinkenden und sich wieder entfernenden Stiefel ans Ohr der Soldaten. Die Sicht reichte kaum 10 Meter.


    "In Ordnung, Leute." sagte Takematsu und ihre Stimme im Funk der Helme durchschnitt die Stille. "Gehen wir weiter. Zak, Jenkins, Vian, Kopp, Sie tragen die Sprengsätze und halten sich in zweiter Reihe. Die erste Reihe breitet sich aus. Halten Sie ihre Nachbarn jeweils gerade noch auf Sichtabstand. Alle 30 Sekunden Sichtprüfung. Verlassen Sie sich nicht auf Ihr COM. Die Zielperson hat auch keinen Funkkontakt mehr. Langsam vorrücken."


    Die Soldaten bestätigten den Befehl und begannen, sich auszubreiten.


    Der Marsch durch den Sumpf war anstrengend, aber für den Trupp mehr eine psychische als eine physische Herausforderung: Nach wenigen Schritten verfiel man fast automatisch in einen Trott und die Gedanken schweiften ab, ließen sich von vermeintlichen Bewegungen im Nebel ablenken. Schemen, die vorüberzogen. Einige der Soldaten hoben bisweilen ihre Gewehre und richteten sie auf unsichtbare Ziele, senkten sie aber wieder, als die Schatten sich wieder im unförmigen Nebel verloren.


    Rakghule tauchten vorerst keine auf, aber das hatte nichts zu bedeuten: Bei den bestehenden Sichtverhältnissen mochten sie sich auch bloß 30 Meter weiter aufhalten und konnten unbemerkt an ihnen vorbei laufen. Nur einmal war das Triebwerk eines in der Ferne vorbeifliegenden Patroullienjägers zu hören.


    "Freund oder Feind, Captain?" fragte ihr Stellvertreter, Lieutenant Tusco.


    "Füße still und Schnauze halten, Lieutenant." blaffte Takematsu zurück und der Trupp blieb für den Moment stehen. Sie lauschten aufmerksam, aber das Geräusch entfernte sich weiter. Ein gutes Zeichen. Ein feindlicher Jäger hätte bei einer Sichtung entweder zur Bestätigung oder zum direkten Angriff eine weitere Runde gedreht. Also war es entweder ein imperialer Jäger gewesen oder er hatte sie nicht bemerkt. Es blieb dabei: Der Trupp, der Sumpf und die Rakghule waren unter sich.


    "Weiter." befahl Takematsu und setzte sich wieder in Bewegung.

  • 0557 - Signal


    Die Lichtverhältnisse wurden etwas besser, aber der Nebel blieb. Immer noch hatte kein Rakghul angegriffen, noch war sonst irgendein Zeichen der Feinde aufgetaucht. Die Bewegungsrichtung erfolgte entlang des zuletzt dokumentierten Weges von Lord Yu. Er hatte sich schlicht in einer Linie durch den Sumpf bewegt. Ganz so, als habe er etwas gesucht, als sei er zielstrebig auf etwas zugegangen. Aber auf den Karten gab es nichts. Nicht einmal eine verzeichnete Ruine, die das Interesse eines Lords gerechtfertigt hätte. Und es war auch kein Offizier des Reclematation Service auf dem Stützpunkt zu sehen gewesen. Ein Artefakt oder ähnliches schied entweder ganz aus, oder es war so bedeutend, dass Yu es vermieden hatte, irgendjemanden sonst in Kenntnis zu setzen.


    "11 Uhr, Captain." sagte Tusco plötzlich und deutete nach vorn. Aus dem Nebel schälte sich langsam etwas, das weder ein Baum noch ein Rakghul war; etwas unbewegliches, aber etwas, das sicher nicht in diesen Sumpf gehörte: Eine Notfallboje.


    "Ziel weitläufig umkreisen." sagte Takematsu ruhig in ihr Funkgerät. "Wahrscheinlich eine Falle. Getz, Sie gehen vor."


    Takematsu drehte sich um und sah sich die Umgebung an. Warum lag hier eine Boje herum? Und vor allem: Warum war das Signal nicht empfangen worden?


    Seargeant Tari Getz war die Technikerin der Gruppe. In ihrer Ausbildung hatte sie mehrere Modelle solcher Bojen kennen gelernt. Das vorliegende Exemplar war schon älter, aber immernoch effektiv. Denn im Grunde war die Technik banal: Sende ein möglichst weitreichendes Signal, so dass Verbündete es mitbekommen und Feinde nicht. Viel steckte nicht dahinter. Vor allem die Reichweite war in den vergangenen Jahren verbessert worden, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass diese Boje den Stützpunkt mühelos hätte erreichen müssen.


    Vorsichtig näherte sie sich und hielt ihr Gewehr oben. Feinde waren nicht zu sehen, aber am Gerät selbst fiel ihr etwas auf. "Die Boje wurde beschädigt, Captain." sagte sie in ihr Funkgerät. "Irgendjemand hat mit einer Plasmafackel oder so etwas die Seite aufgetrennt. Wahrscheinlich hat es deshalb nicht gesendet."


    "Weiter ran, Seargeant." lautete Takematsus Antwort.


    Getz pustete sich instinktiv eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Natürlich hatte sie ihr Haar ordentlich zu einem Zopf zusammengebunden, damit es im Helm nicht störte, aber manchmal befreiten sich einzelne Haare. Die störten nicht wirklich, aber es war eine Macke, die sie sich früh angewöhnt hatte und nie wieder losgeworden war. Sie legte den Kopf etwas zur Seite, umfasste ihr Gewehr fester und näherte sich in einem leichten Bogen, um die Beschädigung eingehender begutachten zu können. Nein, mit der Plasmafackel hatte sie definitiv falsch gelegen: Die wäre eher an der Oberfläche geblieben und hätte das Metall geschmolzen, aber nicht so einen klaren Schnitt hinterlassen. Hier war etwas deutlich tiefer eingedrungen. Eine primitive Hiebwaffe wie von Rakguhlen wäre denkbar gewesen, wäre die Kerbe nicht offensichtlich regelrecht eingebrannt worden.


    Getz runzelte die Stirn und trat noch einen Schritt heran. Dann fiel es ihr ein: "Ein Lichtschwert, Captain!" sagte sie, als sie den Bewegungsmelder des Sprengsatzes in der Boje auslöste und die Explosion sie von den Füßen holte.

  • 0559 - Flucht nach vorn


    "Position halten und sichern!" brüllte Takematsu, hob ihr Gewehr und blickte in gebückter Haltung in den Nebel. Die Explosion war laut genug gewesen. Selbst primitive Wesen mussten das gehört haben. Ein Angriff konnte nicht mehr lange dauern. Aber wenige Sekunden blieben noch. Takematsu wirbelte herum und rannte hinüber zu Getz' Körper.


    Der Seargeant war tot, keine Frage. Es ging jetzt nur noch um saubere Buchhaltung. Takematsu nahm die Identifikationsmarke mit und sah sich dann um - noch immer war kein Rakghul zu sehen. "Formieren und weiter! Los, los, los!" sagte sie deutlich, brüllte aber nicht mehr. Sie selbst brachte sich ebenfalls wieder auf die Beine und ging in einen regelmäßigen Lauf über. Eine Tortur im Matsch des Sumpfes, aber nichts, das jemand aus dem Trupp nicht ertragen würde. Die qualmenden Überreste der Boje wurden langsam vom Nebel verschluckt und auch das Fiepen in den Ohren, angerichtet durch den Explosionslärm, legte sich wieder. Der vorherige Hitzeschub wich wieder der Kälte des eigenen Schweißes auf der Haut, des Matsches unter den Füßen und der nebelgeschwängerten, eisigen Morgenluft.


    Ein Lichtschwert also. Was bedeutete das? Hatten Republikaner angegriffen und die Boje zerstört? Aber wenn, dann hätte die Boje vorher ihr Signal absetzen müssen - oder die Boje war zerstört worden, bevor sie senden konnte. Dann aber hätte der Angriff erfolgen müssen, als Lord Yu und seine Handlanger die Boje gerade erst errichtet hatten. Aber Kampfspuren waren keine zu entdecken ...


    "Immernoch kein einziger Feind, Captain." sagte Tusco und sein regelmäßiger Atem war durch das COM zu hören. "Wo bleiben die?"


    "Ruhig bleiben, Lieutenant. Die kommen noch." sagte Takematsu nüchtern und begann, einen Funkkanal zum Stützpunkt aufzubauen. Ganz gleich, was sie selbst dachte: Der Zwischenfall musste berichtet werden.


    "Central hier. Was gibt es, Captain?" meldete sich die regelrecht freundliche, enervierend ruhige Stimme Idrissous.


    "Wir haben eine imperiale Notfallboje gefunden, Ma'am. Militärisches Modell. Wurde mit einem Lichtschwert beschädigt und mit einem Sprengsatz versehen. Sprengsatz wurde ausgelöst. Ein KIA." antwortete Takematsu.


    Idrissou reagierte kein bisschen auf den Todesfall. Alles andere wäre auch überraschend gewesen. "Identifikation des Sprengsatzes?" fragte sie stattdessen.


    "Haben wir nicht vornehmen können, Ma'am. Haben die Position geräumt. Wahrscheinlich sind die Rakghule schon auf dem Weg."


    "Ein Lapsus, Captain." erwiderte Idrissou kühl. "Wir reden später darüber. Suchen Sie weiter und überstellen Sie alle Logdaten, die Sie haben. Central out."


    "Verstanden, Ma'am. Einsatzteam out." sagte Takematsu und beendete die Verbindung. Sie seufzte innerlich, ehe sie wieder auf ihr Team-COM umschaltete. "Lieutenant: Sie sammeln alle unsere Daten zur Boje zusammen und schicken das schon mal nach hause. Auch unsere Audio-Kommunikation. Kameras. Sensordaten. Alles."


    Takematsu lief weiter. Ihre Gedanken kehrten zurück zum Sprengsatz. Die Angreifer mussten ihn gelegt haben, weil sie damit rechneten, dass jemand vorbei kam. Hatte man auf ein Rettungsteam gewartet? Oder wollte jemand Lord Yu erwischen. Aber wieder galt: Die Boje hätte senden müssen. Was war hier geschehen?

  • 0617 - Abstieg


    "Weiter vorn, Captain." sagte Tusco und deutete in den Nebel. Sie waren wieder einige hundert Meter weiter gekommen, aber nichts hatte sich gezeigt. Der Sumpf war eine tote Ebene mit spärlichen, jämmerlichen Pflanzen geblieben. Inzwischen war der Regen der Basis herüber gezogen und die Kampfanzüge waren noch durchnässter als zuvor. Sehen ließ sich nun kaum noch etwas. Und doch: Etwas schälte sich weiter vorn aus dem grauen Dunst. Ein massiver, unförmiger Block, der wie eine Gruft aus Horrorgeschichten vor ihnen aufragte.


    "Irgendwelche Scannerdaten, Lieutenant?" fragte Takematsu und bedeutete ihrem Trupp mit einer Geste, langsamer zu gehen und die Waffen zu heben.


    "Nichts besonderes, Captain." antwortete Tusco. "Massiver Bau. Kein Schiffswrack oder so etwas."


    Takematsu verengte die Augen ein wenig und bewegte sich langsam weiter. Ringsum gab es keine Anzeichen für weitere Gebäude. Ein antiker Tempel oder ein isolierter, militärischer Stützpunkt waren denkbar. Aber nichts war auf den Karten verzeichnet gewesen. Wenn Lord Yu also hier hin gegangen war, hatte er nicht mehr davon berichten können oder wollen. "Achtsam bleiben." sagte sie.


    Als sie näher kamen wurde deutlich, dass es sich um eine Art Bunker handelte: Ein flacher Bau in der Form einer Pyramide, deren Spitze man abgenommen hatte. Das Baumaterial wirkte relativ frisch. Es waren keinerlei Risse oder andere Spuren von Verfall zu sehen.


    In langsamem Tempo bewegte sich der Trupp um das Gebäude herum. Fenster waren keine zu sehen, auch keine Schießscharten, Selbstschussanlagen oder ähnliches. Wenn es Sicherheitsmaßnahmen gab waren sie besser versteckt oder abgeschaltet.


    Auf der Nordseite schließlich fand sich der Eingang des Bunkers: Eine massive, verschlossene Panzertür mit einer Zugangssicherung - nach imperialem Standard.


    "Was bedeutet das, Captain?" fragte Tusco und Takematsu konnte an seiner Stimme erkennen, wie verwirrt er war.


    "Ich weiß nicht." antwortete sie und trat langsam zum Zugangspad. "Ich wurde nicht darüber informiert. Bleiben Sie zurück und sichern Sie die Umgebung."


    Tusco schien einen Moment zu zögern, folgte aber dem Befehl. Takematsu selbst sah sich das Pad genauer an: Es war noch immer eingeschaltet und wurde offenbar irgendwo aus dem Inneren des Bunkers mit Strom versorgt. Allem Anschein nach handelte es sich nicht um eine Fälschung. An der Unterkante war sogar eine imperiale Seriennummer eingeprägt. Als Takematsu gerade beginnen wollte, sich Zugang zu verschaffen, öffnete sich die Tür bereits. Offenbar war dieses System so eingestellt worden, dass es alles und jeden einließ - oder jemand beobachtete sie und hatte die Tür manuell geöffnet.


    "Wir gehen rein, Männer." sagte Takematsu und betrat den Innenraum des Bunkers.

  • 0625 - Gesichter


    Der Abstieg in den Bunker dauerte nicht lang: Der Aufzug war zwar außer Betrieb, aber das Team hatte dennoch den Aufzugschacht benutzen können, um hinunter zu gelangen. Unten waren die Lichter offenbar ausgefallen oder abgeschaltet worden. Es war stockfinster und Takematsu hatte bald den Befehl gegeben, die Nachtsicht der Helme einzuschalten und weiter achtsam zu sein.


    Vor ihnen erstreckte sich ein verzweigtes System von schnurgeraden Gängen, die in den Torf unterhalb des Sumpfes gebohrt worden waren. Zwar waren die Gänge mit Trägern gestützt worden, aber durch die unverputzten, erdigen Wände flossen immernoch kleine Rinnsale von eingesickertem Regen- und Sumpfwasser hinein. Es war kaum vorstellbar, dass jemand hier ohne die Hilfe eines Atemgeräts würde überleben können. Denn es regnete oft hier und die Gänge hatten sich sicher bereits mehr als einmal vollständig mit Wasser gefüllt.


    Vielleicht zwanzig Meter weit waren sie gekommen, als Specialist Vians Stimme im COM erklang "Hier an der Seite, Captain." sagte er und deutete neben sich. Takematsu sah hin und bemerkte erst, nach zwei Sekunden des Zögerns was Vian meinte: Etwas ragte ein kleines Stück aus der Wand heraus. Eine Art Röhre, vielleicht einen Centimeter breit und einen halben Centimeter lang, vorn abgerundet zulaufend.


    "Vorsichtig untersuchen, Specialist." sagte Takematsu. "Alle anderen zurück und sichern."


    Der Trupp zog sich ein Stück zurück und Vian hängte seine Waffe wieder auf seinem Rücken ein, ehe er einen Scanner hervorzog und die kleine Röhre untersuchte. Er stutzte. "Captain, ich glaube, das ist ... Moment." Er steckte den Scanner wieder weg und griff mit beiden Händen nach dem Objekt.


    "Vorsicht, Specialist." sagte Takematsu und hob ihre Waffe weiter, während Vian begann, an der Röhre zu ziehen, die sich langsam, nur mit Widerstand, aus der Wand löste, als hinge ein großes Objekt an ihr. Langsam kamen weitere längliche, zylinderhafte Objekte an die Oberfläche so wie ... die Finger einer Hand.


    "Eine Leiche, Captain." sagte Vian, als der Tote von Torf bedeckt aus der gelockerten Wand heraus in den Gang fiel.


    "Analyse." erwiderte Takematsu kühl und sah sich die Leiche selbst an. Sie war noch gut erhalten, noch nicht lange tot. Vielleicht ein paar Tage. Es war offenbar vorher ein Mann gewesen, vielleicht um die vierzig. Ein paar Kleidungsfetzen waren noch zu erkennen. Anscheinend ein Militärangehöriger. Am Kopf die Einschusswunde eines Blastergewehrs.


    "Erschossen, Captain." sagte der Medic. "Vor ungefähr 60 Stunden. War schon vorher in Kämpfe verwickelt. Wahrscheinlich erschossen von Imperialen. Rakghul-Seuche, Ma'am."


    Takematsu nickte. Aber verstanden hatte sie die Lage noch nicht. Wenn der Bunker von Rakghulen gestürmt worden wäre, hätte die Eingangstür zerstört sein müssen. Also war anscheinend jemand mit der Seuche infiziert herein gekommen und man hatte ihn nicht angemessen überprüft. So war die Seuche hier hinein gelangt und hatte alles übernommen. Ein Unfall also. Aber warum hatte es von hier aus keinen Notruf gegeben? Und wer hatte die Boje draußen angelegt? Und wer hatte die Boje angegriffen?


    "Weiter." sagte sie und wandte sich ab. "Berichten Sie an die Zentrale, Lieutenant."


    Langsam bewegte sie sich weiter den Gang entlang. Die Grünfärbung des in den Helm eingebauten Nachtsichtgeräts ließ die Umgebung surreal wirken: Die erdigen Wände, die Stahlträger, die Rinnsale von Wasser überall, der Matsch, vor ihr der Lauf ihres Blastergewehrs und weiter hinten nur die Schwärze des sich im Dunkel verlierenden Gangs. Ein Schritt nach dem anderen ...


    Takematsu blinzelte. Es war, als wäre sie in Sekundenschlaf gefallen. Instinktiv verkrampfte sie sich und sah wieder konzentriert nach vorn. Es konnte nicht lange gewesen sein, im COM hörte sie gerade Tuscos Stimme, der die Zentrale anfunkte. Aber vor ihr war etwas anders: Gesichter blickten sie aus dem Dunkel an. Gesichter im grünlichen Halbdunkel. Alle tot. Aber manche noch menschlich. Einige Rakghule und einige absurd entstellt, in einem Zwischenstadium. Alle schienen sie anzustarren. Teilweise waren die Köpfe gespalten worden, teilweise tiefe Wunden zugefügt: Fehlende Augen, Wangen, offen liegende Kiefer. Grotesk verzerrte Münder. Die Fäulnis hatte schon eingesetzt. Ihre Augen gewöhnten sich immer mehr an die neuen Sichtverhältnisse. Sie machte noch einen Schritt nach vorn: Überall fehlten die Körper. Nur die Köpfe waren noch zu sehen.


    "... haben eine Leiche gefunden, Ma'am. Offenbar mit der Rakghul-Seuche infiziert. Imperialer Offizier, Rang und Name unbekannt."


    "Korrigieren Sie das, Lieutenant." sagte Takematsu mit fester Stimme. "Wir haben noch mehr gefunden."

  • 0634 - Funke im Dunkel


    Als sie weitergingen wurden die Gesichter deutlicher. Die Haut der erst vor einigen Stunden Getöteten erschien beinahe grell weiß im Filter des Nachtsichtsgerätes. Die abgeschlagenen Köpfe waren mit perfider Sorgfalt angeordnet worden: So, dass alle gut sichtbar waren. Einige hatte man etwas höher in die Erde der Wände eingegraben, so dass jetzt das eingesickerte Regenwasser über die Haut der Gesichter lief und es fast so scheinen ließ, als weinten sie.


    Der Marsch ging tiefer hinein in den Komplex. Es waren keine Räume zu sehen, keine Türen. Nur weitere, verwinkelte, enge Gänge. Ein Labyrinth. Ein stockfinsteres Labyrinth. Mit einem Blaster hatte man hier kaum eine Chance gegen einen Rakghul, der sich durch die Gänge ohne Probleme annähern konnte. Es war fast so, als wäre es bewusst als Todesfalle vorgesehen worden.


    "Die Schnitte sind zu sauber für Rakghule, Captain." sagte der Medic. "Absolut gerade und kauterisiert. Das war ein Lichtschwert."


    Takematsu sagte nichts und ging weiter. Das ganze wurde immer surrealer. Die Wände schienen auf sie einzudrücken und die Gesichter näher zu kommen. Lockerte sich die Erde? War die Statik der Gänge gefährdet? Nein. Nichts geschah. Die Träger hielten.


    Und dann der Funke. Der Funke im Dunkel.


    "Runter!" brüllte Takematsu und warf sich zu Boden. Tusco hinter ihr zögerte einen Moment zu lange. Das Signalgeschoss platzte gegen seinen Helm und gleißend helles Rot explodierte direkt vor seinem Gesicht. Ein Katarakt von Farbe regnete um Takematsu herum zu Boden und sie schaltete das Nachtsichtgerät aus, um nicht geblendet zu werden.


    Es war wie ein Feuerwerk, das über ihr niederging. Ein wundersamer, langsam fallender, glitzernder Regen aus Leuchtstoff, der allen Soldaten hinter ihr die Sicht genommen haben musste. Es war ein Angriff - und sie waren so gut wie tot.

  • 0635 - Stimme


    Noch bevor Takematsu bewusst wahrnahm, was weiterhin geschah, setzten ihre Reflex-Booster ein und ihr Körper begann wie von selbst eingeschleifte Mechanismen abzuspulen. Ihre Finger legten sich fester um den Blaster, richteten ihn auf die Herkunft des Leuchtstoffgeschosses aus und begannen, zu feuern. Die Muskeln ihrer Beine spannten sich an und sie rollte sich zur Seite, als ein Schatten heranflog. Unter unheilvollem Surren blitzte ein rotes Lichtschwert auf und wirbelte umher - ein paar Hiebe dort hinterlassend, wo Takematsu bis vor wenigen Millisekunden noch gelegen hatte.


    Auch hinter ihr brach jetzt der Kampf los. Blasterfeuer erhitzte unkontrolliert die Luft und schlug in die Erde ein. Der Dampf des sich rasch erhitzenden Regenwassers füllte die Luft und erschwerte die Sicht noch weiter.


    Takematsu kroch vorwärts und biss die Zähne zusammen. Die Statistik sprach eine eindeutige Sprache: Es war nur eine Frage von Sekundenbruchteilen, bis ein fehlgeleiteter Blasterschuss sie treffen würde. Mit ihrer rechten Hand zog sie ihr Vibromesser und sie klemmte es zwischen Handfläche und Griff des Blastergewehrs ein. Im Zweifel würde ihr das mehr nützen als das Gewehr.


    Noch einen Meter ...


    Hinter Takematsu brach plötzlich die Hölle los. Eine Explosion wandelte das flackernde rote Licht des Blasterfeuers und des wirbelnden Lichtschwerts in grelles orange und gelb. Einer ihrer Soldaten hatte dem Protokoll entsprechend gehandelt: In einer ausweglosen Kampfsituation ist es geboten, wenigstens noch so viel Feindmaterial in den Tod mitzunehmen wie möglich.


    Die Explosion drückte Takematsu wieder auf den Bauch hinunter und Hitze fegte über sie hinweg, dann Erde. Der Wasserdampf wurde noch dichter, die hinter ihr einbrechende Decke grollte dumpf - dann war es still. Sie war abgeschnitten. Verloren im Labyrinth. Sie schaltete sofort das Nachtsichtgerät wieder ein und sah sich um. Keine Anzeichen des Feindes. Ihr Angreifer musste auf der anderen Seite des Einsturzes sein.


    Langsam kam Takematsu wieder auf die Beine, die Waffen immer noch fest in den Händen. Als sie sich sicher war, keine Geräusche zu vernehmen, öffnete sie einen COM-Kanal zurück zur Basis. Aber eine andere Stimme drang an ihr Ohr. Eine kratzige Stimme eines erkrankten Mannes.


    "Nun ... Captain. Wo wir unter uns sind, können wir reden, glaube ich."

  • 0637 - Labyrinth


    Takematsu antwortete nicht. Zuerst musste sicher gestellt sein, dass der Angreifer keinen Zugriff auf sie hatte. Der Erdrutsch hinter ihr war dicht und auch mit einem Lichtschwert würde er dort nicht hindurch kommen. Nach vorn verlief der Gang noch eine Weile geradeaus, ehe er sich verzweigte.


    "Sie schweigen, Captain?" sagte die Stimme und ein zustimmendes Brummen war zu hören. "Gut, gut. Analysieren Sie Ihre Umgebung. Schauen Sie sich nach Feinden um. Sie müssen sich hier ja erst noch einfinden. Mit der Zeit werden Sie lernen, den Feind zu spüren."


    Takematsu behielt das Gewehr fest in den Händen, das Messer gleichzeitig in der Rechten. Schrit für Schritt bewegte sie sich vorwärts, darauf bedacht, trotz des Schlamms und ihrer Panzerung möglichst wenig hörbar zu sein.


    "Wie haben Sie hergefunden, Captain? Die Boje, nicht wahr? Man könnte meinen, ich hätte sie ganz zerstören sollen. Aber die symbolische Bedeutung wäre dahin gewesen: Ich wollte einen Vorgeschmack auf das hier geben, Captain. Ein Ortseingangsschild des Krieges, wenn Sie so wollen."


    Es hätte witzig gemeint sein können, wäre die Stimme nicht so ernst gewesen. Der Tonfall war der eines Dozenten im Hörsaal. Es war, als spräche er gar nicht zu Takematsu persönlich, sondern zu einer ganzen Masse Studierender. Auch das Autoritätsgefälle war klar: Der Sprecher lehrte, die Masse schwieg und nahm das Wissen auf. Denn hier sprach jemand, der etwas außergewöhnliches herausgefunden hatte.


    Takematsu sah um die Ecke in einen weiteren Gang. Das Nachtsichtgerät hatte sie nicht wieder eingeschaltet. Stattdessen griff sie auf eine Lichtquelle an ihrem Blastergewehr zurück. Wohl war ihr dabei nicht, denn Gegner würden sie jetzt eher sehen als sie die Gegner sah - allerdings hatte sich gezeigt, dass der Feind offenbar ohnehin über ihre Position informiert war, so dass ihr der Vorteil, nicht mehr so leicht geblendet werden zu können, wichtiger erschien.


    "Sie fragen sich vermutlich, wie ich an Ihr COM-Signal gekommen bin. Es ist ein Relikt früherer Zeiten, dass ich dazu im Stande bin. Für Sie ist wichtig, dass Ihre Verbindung abgebrochen ist. Betrachten Sie es als besondere Erfahrung."


    Der Gang vor ihr erstreckte sich weiter und bog dann wieder ab. Takematsu hatte vor, zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren, im Bogen um den Erdwall zu laufen und dann ihren Angreifer zu finden - oder den Ausgang. Ihre Schritte wurden rascher, regelmäßiger. Sie hatte einen Lichtkegel vor sich. Es ergab wenig Sinn, jetzt allzu viel Rücksicht auf Lautstärke zu nehmen.


    "... Als Fortführung Ihrer Ausbildung unter verschärften Bedingungen." fuhr die Stimme fort. "Die Wahrheit ist, Captain, dass das Imperium, wie es ist, keine Zukunft hat. Es ist verkrustet und dekadent geworden, ein ermüdendes, schwerfälliges Tier, das irgendwann ganz einzuschlafen ..."


    Takematsu drehte sich schlagartig um: Hinter ihr war ein anderer Laut aufgetaucht. Er kam rasch näher.


    "... droht." sprach der Mann unbeirrt weiter. Er hatte es anscheinend nicht mitbekommen. "Was würden Sie geben, um das Tier einmal wieder in seiner ursprünglichen Form zu sehen, mit kräfitgen Muskeln und majestätischen Bewegungen, Captain?"


    Der Ziellaser des Gewehrs bohrte sich unsichtbar in die Dunkelheit jenseits des Lichtkegels. Dann plötzlich tauchte der Laserpunkt auf - auf einem Objekt, das in den Weg gelangt war. Etwas, das sich bewegte. Takematsu drückte sofort ab. Die Energiezelle im Blastergewehr sorgte für eine rasend schnelle Aufladung in der Feuerkammer, die sich entlang des Laufs fortsetzte und an der Mündung schließlich in schneller Abfolge als Blasterfeuer entwich. Das gewohnte, schrille Geräusch der Schüsse gellte durch die Gänge des Labyrinths und das rote Licht der Ladungen vertrieb flackernd für einen winzigen Moment die Dunkelheit - gerade lang genug, damit Takematsu erkennen konnte, wer ihr Ziel gewesen war: Eine imperialer Kampfanzug war in ihr Schussfeld geraten. Ein Kampfanzug ihres eigenen Trupps.

  • 0638 - Vergiftet


    Das Licht der Schüsse erstarb, aber Takematsu senkte das Gewehr nicht. Es war auf einmal bedrückend still. Auch ihr Soldat gab keinen Laut von sich. Erkennen konnte sie ihn nicht, denn ihr Lichtkegel reichte nicht weit genug. Sie sah nur die von Regenwasser durchnässte Erde vor ihr. Auch die Stimme schwieg einen Moment, ehe sie wieder sprach: Diesmal anders, nicht mehr dozierend, sondern kühler, auch persönlicher:


    "Da der Funkkontakt zu Ihnen noch steht, Captain, gehe ich mal davon aus, dass Sie geschossen haben. Bleiben Sie dabei. Alles, was Sie hier sehen, ist ein Feind."


    Wiederum antwortete Takematsu nicht. Sie begann, sich vorwärts auf den getroffenen Soldaten zu zu bewegen. Derweil veränderte sich die Stimme des Sprechers wieder, wurde fast plaudernd.


    "Lassen Sie uns über etwas anderes sprechen, Captain: Die Rakghul-Seuche. Sie haben sicher aufmerksam die Briefing-Dokumente über Taris studiert und man hat Sie vor der Seuche gewarnt. Aber schon jetzt sollten Sie zu verstehen beginnen, dass die Seuche ein Segen ist. Denn tatsächlich macht Sie alles einfacher: Wer verseucht ist, wird zum Feind. Zu einem Feind, mit dem jede Verhandlung sinnlos ist. Es zählt nur noch, ob Sie die Stärke besitzen, den Feind umzubringen oder lieber selbst zum Feind werden. Stellen Sie sich eine solch einfache Welt vor, Captain, auf Nar Shaddaa, Corouscant - oder Dromund Kaas."


    Der Körper des Soldaten war jetzt in Takematsus Blickfeld. Die Rüstung war zwar getroffen, aber nicht durchschlagen worden. Der Soldat hatte sein Gewehr beiseite gelegt und die Arme sichtbar gehoben. Er lebte noch. Aber sein Helm war getroffen. Das Visier war gesplittert und Teile des Polymers hatten das Gesicht aufgeschlitzt. Takematsu aktivierte den Lautsprecher am Helm.


    "Wer war der Angreifer, Soldat?" fragte sie kühl, während die Stimme in ihrem Ohr weiter sprach.


    "Wäre das nicht ein Mittel gegen die neue Dekadenz, Captain? Sie kriegen das träge Tier nur wieder zum Laufen, wenn Sie es mit einer Peitsche antreiben, die es nie wieder los wird. Da verliert es sein überschüssiges Fett ganz von allein."


    Der Soldat öffnete den Mund und brachte noch ein "Ma'am ..." hervor, sprach aber nicht weiter.


    "Sind Sie verseucht, Soldat?" fragte Takematsu weiter und in ihrem Kopf begannen die Gedanken zu rasen. Einige ihres Trupps hatten überlebt. Der Angreifer hatte also entweder fliehen müssen oder ihre Männer absichtlich am Leben gelassen. Aber wieso? Und wenn er hatte fliehen müssen, wie konnte er dann jetzt so seelenruhig mit ihr sprechen? Oder waren der Sprecher und der Angreifer verschiedene Personen?


    "Dieser Ort hier, Captain, ist ein Tempel dieses großen Projektes." sagte der Sprecher.


    "Ma'am!" hauchte der Soldat noch einmal mit mehr Nachdruck und bewegte seinen rechten Arm. Takematsu folgte ihm mit den Augenwinkeln und richtete instinktiv ihr Gewehr auf seinen Kopf.


    "Was haben Sie vor, Soldat?" fragte sie beißend.


    "Ein Ort zu Ehren eines großen Kriegsgottes, dem wir Soldaten allesamt täglich huldigen." fuhr die Stimme in ihrem Ohr fort.


    "F ... F ..." stotterte er und bewegte seine Hand weiter. Sie wanderte in Richtung seiner Waffe, die neben ihm lag.


    "Finger von der Waffe weg, Soldat!" bellte Takematsu.


    Er blickte schier verzweifelt nach oben und schüttelte wie in Zeitlupe den Kopf. Tränen liefen über seine Wangen und vermischten sich mit dem Blut auf seinem zerschnittenen Gesicht. Takematsus Blick verhärtete sich und ihr Zeigefinger glitt zum Abzug des Gewehrs. Hatte der Angreifer ihre eigenen Soldaten gezwungen, sie zu bekämpfen? Wenn ja, wie hatte er das getan? Es gab Gedankenkontrolltechniken mit der Macht, meinte sie sich zu erinnern. Aber warum sollte der Angreifer sie einsetzen? Es war klar, dass er sie auch so hätte besiegen können.


    "Ein Ort, an dem der Krieg niemals endet." sagte der Sprecher und sein Tonfall verstärkte sich zu einem Crescendo des Pathos.


    Die Hand des Soldaten zuckte. Offenbar mit letzter Kraftanstrengung bewegte sie sich in Richtung des Gewehrs auf dem Boden.


    "Ein Ort, an dem nur die Starken überleben."


    Takematsu drückte ab. Und noch während die Blasterladungen erst Gesicht, dann Schädelknochen und schließlich Gehirn ihres eigenen Mannes zerfetzten, fiel ihr ein, was der Soldat hatte sagen und greifen wollen: Es ging nicht um einen Feind, nicht um die Verseuchung.


    Es ging um ein Funkgerät.

  • 0640 - Pfad


    Endlich senkte Takematsu ihre Waffe und griff nach dem Funkgerät. Es war grundsätzlich nichts besonderes, aber der Soldat - ihr Funker - hatte es offenbar geschafft, es so einzustellen, dass es zwar nicht bis zur Heimatbasis drang, aber innerhalb des Komplexes den Weg zur Quelle der Interferenz zeigen konnte. Ein Pfad im Labyrinth.


    Die Stimme sprach wieder in ihrem Ohr: "Wieder Schüsse, Captain? Aber ihr Signal ist noch da. Also haben Sie sich nicht selbst erledigt. Was haben Sie vor?"


    Takematsu atmete tief durch und begann zu laufen. Langsam begann ihre Verwirrung zu weichen. Sie hatte ein Ziel vor Augen und gewann langsam die Oberhand: Wenn der Sprecher nicht wusste, was geschah, konnte er sie nicht gesehen haben. Also war er zwar in der Nähe, aber sie hatte die Chance, ihre genaue Position geheim zu halten.


    Ihr Weg führte Sie nicht dem Signal nach. Sie hatte einen anderen Plan. Ihre Schritte beschleunigten sich und in ihrem Kopf rasten wieder die Gedanken, aber nun kontrollierter: Sie berechnete die Position, die die Sprengladungen jetzt relativ zu ihr haben mochten. Der Angreifer konnte sie nicht beide bewegt haben. Dafür war zu wenig Zeit vergangen. Auch eine Entschärfung war ausgeschlossen. Mindestens eine funktionierende Ladung musste also noch vor Ort sein. Mehr als genug, um selbst einen Machtnutzer loszuwerden, dachte sie grimmig und bog wieder in einen neuen Gang ein.


    "Ich freue mich auf Ihre Herausforderung, Captain. Sie sind eine hoffnungsvolle Schülerin für meine Akademie. Ein Kind des Krieges, wie es sein sollte." sagte der Sprecher wieder und brach nun endlich die Funkverbindung ab.


    Nur Takematsus regelmäßige Schritte durchbrachen die Stille. Es drohte, sie aus dem Konzept zu werfen. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass sie einen eigenen Soldaten erschossen hatte, sondern dass es nicht absichtlich gewesen war. Der Soldat hatte effizient gehandelt. Sie war es gewesen, die einen Fehler gemacht hatte. Das durfte nicht passieren. Niemals. Nicht in dieser Tragweite.


    Erst jetzt merkte sie, dass sie schwitzte. Es war nicht besonders heiß, aber die ganze Zeit über war sie angespannt wie seit ihren frühesten Einsätzen nicht mehr. Sie musste die Kontrolle wieder bekommen.


    Noch eine Kurve. Ein Schritt nach dem anderen. Rasch und effizient. Eine scharfe Klinge in der Hand des Imperiums. Sie musste ihrem Widersacher voraus sein. Schneller denken. Schneller sein ...


    Sie stockte. Vor ihr lagen Leichen. Leichen mit imperialen Rüstungen. Rüstungen wie der ihren. Allerdings mit präzise gesetzten Schnitten, Durchstoßlöchern und Blastereinschlägen. Rüstungen, in denen die Leichen ihrer Soldaten steckten.


    Takematsu sah rasch umher und mühte sich, die abgetrennten Köpfe der Frauen und Männer zu ignorieren, die sie ansahen. Versuchte die geschundenen Körper zu ignorieren, das Blut, die Wunden ...


    Ihr professionelles Training setzte wieder ein und sie sah, was sie suchte: Zwei Sprengladungen, unversehrt.

  • 0653 - Konfrontation


    Als Takematsu die letzten Meter des Weges zurücklegte war sie beinahe in eine Art Trance gefallen. Das Gewicht, das sie mit sich schleifte, ließ erst ihre Hände, dann ihre Schultern, dann ihren Rücken schmerzen und taub werden. Sie ignorierte die Strapazen. Das machte sie nicht fertig.


    Aber auch ihr Geist drehte sich im Kreis. Sie versuchte sich auf das Signal zu konzentrieren, dem sie folgte. Das lauter werdende Rauschen im Funkgerät, das ihr bedeutete, dass sie ihrem Ziel näher kam, legte einen erst enervierenden, dann betäubenden Basston über ihre Gedanken. Dann erhoben sich aus diesem Nebel des Gleichklangs immer wieder die Gesichter erst der Toten vom Beginn, dann ihrer eigenen Soldaten und schließlich des einen Mannes, den sie selbst erschossen hatte. Und darüber hallte die Stimme des Sprechers in ihrem Kopf wieder.


    Noch etwas anderes trat hinzu: Der Angreifer war ein Sith gewesen. Es war nicht nur so, dass ein Kampf gegen einen Sith hochriskant war. Vielmehr beunruhigte sie, dass sie vorher kaum Rücksprache mit ihrem Kommandozentrum würde halten können. Ein unautorisierter Angriff auf einen Sith, so gefährlich er auch erscheinen mochte, konnte ein Fehler sein. Ein schwerwiegender Fehler, für den der eigene Tod als Wiedergutmachung nicht reichte. Die Schande konnte sich fortsetzen bis zu ihrer Familie und weiter. Für einen Moment trat das Gesicht ihrer Mutter zu den aufgeschlitzten, geschundenen Köpfen der Leichen im Labyrinth, dann riss sie sich zusammen und bog wieder um eine Ecke.


    Sie war am Ziel, wie es schien. Schummriges, gedämpftes Licht schien aus einer halb geöffneten Tür. Langsam schleppte sie sich weiter vorwärts, bis sie vor der Tür stand, warf ihre Last ab und hob ihr Gewehr. Sie legte beide Hände fest an den Lauf, hielt kurz die Luft an und trat dann die Tür ganz auf, um sofort wieder einen Schritt zurück zu machen.


    Aber keine Falle schnappte zu. Niemand sprang sie an. Kein Lichtschwert blitzte auf.


    Sie sah in einen Kommandoraum hinein, in dem Terminals aufgestellt worden waren. Die meisten waren zerstört, abgeschaltet oder gar nicht erst angeschlossen. Lediglich das Funkterminal lief und verursachte offenbar das Störsignal. Davor saß, Takematsu zugewandt, ein Mann in einem schwarzen Mantel. Die beinahe weißen, blau geäderten, aber noch kräftigen Hände waren ruhig auf dem Schoß übereinander gelegt, die Kapuze des Mantels ins Gesicht gezogen. Unterhalb der Hände lag ein alter, verkratzter Metallgriff - ein Lichtschwert.


    "Identifizieren Sie sich." sagte Takematsu barsch, ohne ernsthaft eine Antwort zu erwarten.


    Der Mann erhob sich, das Lichtschwert nunmehr ruhig in der rechten Hand, hob auch den Kopf und sah Takematsu an. Sein Gesicht war beinahe ebenso bleich wie seine Hände, aber grauer, eingefallener. Ein ungepflegter, grauer Kinnbart tat sein übriges zur Farbe dazu. Die gelblichen Augäpfel mit brauner Iris, die wie Erdklumpen in einer Pfütze aus staubigem Matsch wirkten, starrten ihr entgegen.


    Seine kratzige Stimme war unverkennbar die des Sprechers.


    "Sie sprechen mit Lord Shen-Hi Yu, Captain." sagte er.

  • 0655 - Die letzte Zuflucht


    Takematsu blinzelte nicht einmal, aber ihr Zögern mit einer Antwort dauerte zu lang um ihre Verwirrung zu kaschieren.


    "Sie kennen meinen Namen? Also wurden Sie in der Tat geschickt, um mich zu suchen. Was schließen Sie aus dem, was Sie sehen, Captain?" fragte Yu.


    "Ich ... bin hier, um euch zurückzuholen, Milord. Ich bitte euch, mich zu begleiten." sagte Takematsu, leicht gedehnt, senkte ihre Waffe aber nicht. Yu warf einen kurzen Blick darauf und schaltete gelassen sein Lichtschwert ein. Das eindringlich gleißende Rot der Klinge überlagerte die schwache Beleuchtung durch die Instrumente hinter Yu und erzeugte ein diffuses Schimmern um Raum, wo sich das leichte Blau der Funkanlage mit dem Rot des Schwertes zu einem vagen Lila überlagerte oder sich mit dem Weiß von Takematsus Gewehrscheinwerfer zu einer Art Rosa vermischte.


    "Sie ketten sich immer noch an Ihren Auftrag, Captain? Wo doch zu Ihren Füßen ein heiliges Land liegt? Sie haben die gewöhnliche Welt gewöhnlicher Regeln verlassen, sind über die Grenze getreten, als Sie in dieses Gebäude eindrangen. Hier zählt das Wort Ihrer Vorgesetzten nicht mehr. Das Gesetz hier unten wird mit Schwert und Blaster geschrieben." erwiderte Yu und führte sein Schwert vor sich. Er kam näher. Ruhig. Schritt für Schritt.


    Takematsu wich zurück und zeigte, während sie mit der rechten Hand weiter das Gewehr hielt, die linke Hand vor - ein dünner Metallstift lag darin. Ihr Gesicht war von Schweiß überflutet und es bestand kein Zweifel, dass Yu ihre Aufregung bemerken würde.


    "Milord, bitte ..." sagte sie und starrte ihn an. Ein Grinsen überzog sein Gesicht.


    "Die Bomben, Captain? Die Sprengkraft würde uns beide vielleicht töten, ja, aber ganz sicher würde sie uns hier unten einschließen. Ich habe keine Angst davor, hier unten zu sterben. Aber wie steht es mit Ihnen, Captain?" sagte er und ging weiter auf sie zu.


    Takematsu wich zurück, wusste aber, dass er sie früher oder später einholen musste. Sie ließ ihr Gewehr fallen und hielt nur noch das Vibromesser in der Hand. Yu verzog das Gesicht.


    "Ich hatte mir mehr von Ihnen erhofft, Captain. Ein guter Soldat gibt niemals sein Gewehr auf, so viel sollten Sie wissen."


    Takematsu antwortete nicht. Sie wich weiter zurück - und stieß an die Wand des Ganges. Yu zögerte keine Sekunde mehr. Sein Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck grimmigen Zorns. Mit übermenschlicher Kraft stieß er sich nach vorn ab und raste durch die Luft auf sie zu. Seine Hände führten das Lichtschwert zu einem gezielten Hieb auf ihren linken Arm.


    Takematsus Reflex-Enhancement sorgte für ein Gewitter von Neuronenfeuer in ihrem Gehirn. Ihre Instinkte sprangen an, ihre Muskeln spulten ihr Programm ab. Sie warf sich nach rechts und winkelte ihren linken Arm an, um dem Schlag auszuweichen und aus der Flugbahn zu kommen. Doch Yu war nicht so leicht zu stoppen. Sein Schlag ging zwar ins Leere, doch mit seinen Beinen voran landete er an der Wand, wo Takematsu soeben noch gestanden hatte und wirbelte zu ihr herum. Seine linke Hand griff nach dem Metallstift in ihrer linken Hand und drückte ihre Finger wie ein Schraubstock zusammen. Seine rechte Hand folgte und wie in Zeitlupe konnte Takematsu den Schlag herannahen sehen, der sie ohne Schwierigkeiten enthaupten würde. Sie tauchte mit dem Kopf ab, um dem Hieb zu entkommen, presste die Lippen aufeinander - und aktivierte den Metallstift in ihrer linken Hand.


    Kein Piepen ertönte. Kein Sprengsatz zündete. Eine Nadel fuhr aus dem Stift heraus und bohrte sich in Lord Yus Hand. Der Überdruck in der Kapsel im Inneren entlud sich durch die Kanüle und presste mit einem leisen Zischen das starke Narkotikum in seine Blutbahn. Eine schnell und effizient wirkende Mischung, wie man sie für Notfalloperationen im Feld einsetzte.


    Yu schrie vor Zorn und noch einmal wirbelte sein Schwert herum - aber Takematsu wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie riss sich von der gelähmten Hand des Sith-Lords los und warf sich von ihm weg nach hinten auf den Rücken, ihre Klinge vor sich haltend. Es war schier zu sehen, wie sich das Betäubungsmittel seinen Weg durch Yus Körper bahnte. Seine Atmung wurde unregelmäßig, seine Bewegungen fahrig. Er versuchte, zu ihr zu laufen, das Gesicht zu einer Grimasse verzerrt, hob seine linke Hand, um sie zu würgen, doch der Arm fiel wieder herab, seine Schritte wurden zu einem Stolpern und er ging in die Knie. Dann funkelten Blitze an seiner rechten Hand auf und rasten ihr entgegen. Takematsu versuchte, noch einmal auszuweichen, aber diesmal gelang es ihr nicht.


    Die ersten Sekundenbruchteile hielt die Rüstung stand, dann begann sich der Strom, der in grell violetten, teils weißen Lichtbögen über die Panzerung bewegte, Risse und Löcher hinein zu brennen. Der Stoff des Unterhemds unter der Rüstung löste sich beinahe sofort auf und Stoffstücke brannten sich in die Haut ein, die begann, Blasen zu werfen. Takematsu biss die Zähne zusammen und schmeckte sofort das Blut ihrer Wange, auf die sie gebissen hatte.


    Dann senkte sich Yus rechte Hand und die Blitze erstarben. Auch das Lichtschwert fiel zu Boden. Seine Augen fixierten Takematsu, aber einer nach dem anderen gaben die Muskeln seines Gesichts nach und entspannten sich. Sein Mund öffnete sich und Speichel rann über den Unterkiefer hinab auf seine Kleidung. Ein erstickter Wutschrei drang noch aus seiner Kehle hervor, dann endlich fiel Shen-Hi Yu, Lord im Orden der Sith, als kranker, alter, schwacher Mann vornüber und sein Gesicht klatschte in die nasse, matschige Erde des Bodens.




    Takematsu blieb noch mehrere Sekunden liegen und entspannte sich einen Moment, ehe der Schmerz vollends zuschlug und sie wieder zusammenzucken ließ. Sie hatte überlebt. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit.


    Mühsam stützte sie sich auf ihre Hände und richtete sich wieder auf. Erst steckte sie ihr Messer wieder an ihren Gürtel, dann nahm sie das Lichtschwert an sich und schließlich ihr Gewehr. Ihr Gang war leicht humpelnd. Yu hatte seine ganze Kraft verwendet, um sie doch noch zu verletzen. Um seine Lektionen doch noch einzuhämmern.


    Ihr Blick streifte ein wenig umher, sah auf die Bombe, die sie trotz allem mitgenommen, aber nicht gezündet hatte, sah auf den Medizinkoffer, den sie gleich benutzen würde, um erst Yu weiter mit Betäubungsmitteln vollzupumpen und dann ihre Wunden zu versorgen - und dann zur Funkanlage, die immer noch ihr Störsignal verbreitete.


    Sie schleppte sich dorthin, deaktivierte das Signal und baute dann eine Verbindung zur Basis auf. Ihre Stimme war belegt, ihre Kehle ausgetrocknet, aber sie sprach fest und diszipliniert:


    "Central. Hier ist Captain Takematsu. Orten Sie meine Position und schicken Sie ein Shuttle. Zwei Mann zu evakuieren." sagte sie und atmete noch einmal durch. "Mission erfüllt."

  • 0753 - Des Colonels Rede




    Beinahe eine Stunde dauerte es, bis die Soldaten eintrafen. Beinahe eine Stunde, in der Takematsu dafür sorgen musste, dass Yu bewusstlos, aber am Leben blieb und sie selbst nicht einschlief. Sie musste wach und vor allem wachsam bleiben. Es konnten noch immer Rakghule oder sonst noch etwas hier unten sein.


    Aber nichts tauchte auf. Yu musste alles getötet haben, das hier unten gewesen war. So blieb Takematsu Zeit, nachzudenken. Yu hatte nicht damit gerechnet, dass man noch nach ihm suchen würde. Und der Colonel hatte sich in der Tat gesträubt. Er musste etwas gewusst haben.


    Sie riss sich aus ihren Gedanken und begann, sich vorzubereiten.




    Es war Colonel Quinn selbst, der den Trupp kommandierte. Acht Soldaten kamen mit ihm und bewegten sich vorsichtig durch die Gänge des Bunkers. Stellenweise half Takematsu dabei, sie per Funk anzuleiten, aber im wesentlichen reichte die Ortung aus.


    Quinn ließ zwei gepanzerte Soldaten vorgehen, er selbst aber war nur in eine Uniform gehüllt, die Rangabzeichen des Colonels auf der rechten Brust. Als sie in den Gang einbogen, in dem Yu noch immer lag, bedeutete er den zwei Soldaten vor sich, zum Körper des Lords zu gehen. "Lebenszeichen prüfen und festsetzen." murrte er und wandte sich Takematsu zu, die sich aufrichtete und möglichst stramm aufstellte, das Gewehr fest in den Händen.


    "Ein Kommando-Team für einen fahnenflüchtigen Sith-Lord. Sie werden mir verzeihen, wenn ich mich nicht vor Freude überschlage, Captain." murrte Quinn.


    "Abtrünnig, Sir?" fragte Takematsu und mühte sich, nicht allzu lauernd zu wirken und sich stabil auf den Beinen zu halten.


    "Sicher, Captain. Er sieht mir nicht so aus, als wäre er gewaltsam entführt worden. Und ich fress' ein Jägertriebwerk wenn die Leichen auf dem Weg nicht durch ein Lichtschwert umgekommen sind. Sieht mir ganz nach einem Fahnenflüchtigen aus." antwortete der Colonel.


    "Offenbar, Colonel." mischte sich nun die kühle Stimme Idrissous über das COM ein. "Aber warum wussten Sie davon bisher nichts?"


    Quinns Lippen pressten sich für einen Moment aufeinander und er verengte bedrohlich die Augen. Seine Antwort begann leise, aber mit jedem Wort steigerte er die Lautstärke, bis er schier ins COM brüllte: "Weil, Operative, bisherige Teams offensichtlich nicht lebend zurückgekommen sind. Und jetzt beantworten sie mir, warum Sie sich erdreisten, mich abzuören!"


    "Weil Ihre Geschichte löchrig ist, Colonel." antwortete Idrissou ungerührt. "Sie haben über Wochen mit Lord Yu zusammengearbeitet. Sie kannten auch sein psychisches Profil. Wenn er tatsächlich fahnenflüchtig gewesen wäre, hätten Sie es gewusst. Tatsächlich hat Lord Yu mit einem ganzen Zug die Basis verlassen. Und zwar mit Ihrer Autorisation, Colonel. Und das war lange bevor Sie nicht mehr verbergen konnten, dass er verschwunden war. Er hat es geschafft, einen ganzen Bunker zu bauen. Dafür waren Ihre Männer und Ihre Ausrüstung nötig, Colonel. Sie wussten bis ins Detail, was hier passiert ist."


    Quinn wirkte, als wolle er mit seinen Armen durch den Funkkanal hindurch greifen und die Agentin in Stücke reißen.


    "Lebenszeichen schwach aber vorhanden, Sir!" sagte einer der Soldaten vernehmlich.


    "Dann abtransportieren. Und schalten Sie Ihr COM ab. Sie warten beim Shuttle auf mich." antwortete Quinn knurrend. "Alle schalten ihr COM ab!"


    Die Soldaten gehorchten sofort. Nur Takematsu blieb ungerührt stehen.


    "Kehren Sie in Ruhe zurück, Colonel." fuhr Idrissou fort. "Wir nehmen Sie in Empfang und die Sache geht ohne weitere Schwierigkeiten über die Bühne."


    "Ficken Sie sich ins Knie, Operative. Und verschwinden Sie aus meiner Basis." antwortete Quinn und er bemühte sich nicht einmal mehr, seinen Zorn zu verbergen.


    "Ihre Basis, Colonel, ist nun unter dem Kommando des Geheimdienstes. Nehmen Sie den Colonel fest, Captain Takematsu." sagte Idrissou und ihre Stimme war kühl wie Edelstahl im Winter, an dem man festfrieren konnte, wenn man so unvorsichtig war, die feuchte Hand daran zu halten.


    Takematsu blinzelte. Sie machte Anstalten, ihr Gewehr zu heben, aber sofort waren die Waffen der sechs verbliebenen Soldaten auf sie gerichtet.


    "Es gibt Widerstand, Ma'am." sagte Takematsu und senkte ihr Gewehr wieder. Die Soldaten aber behielten ihres oben.


    "Halten Sie die Fresse, Captain." bellte der Colonel und sprach dann wieder ins COM. "Einen Scheiß werden Sie tun, Operative! Dieser Planet ist mein Einzugsbereich! Sie können vielleicht auf Dromund Kaas herumkommandieren, aber dieser Planet hier gehört Männern, die nicht nur Scheibtischhelden sind! Nehmen Sie Ihre Geheimdienstbande und verpissen Sie sich von meinem Planeten!"


    "Was war das Projekt, Colonel? Was haben Sie mit Lord Yu gebaut?" fragte Idrissou seelenruhig.


    "Sie verhören mich nicht, Operative! Mein Respekt vor Ihnen reicht nicht weiter als Ihr Rückgrat! Mir ist es scheißegal was Sie von Ihren Vorgesetzten für eine Mission bekommen haben! Mir ist es scheißegal, was Sie mir für Folgen androhen! Mir ist es scheißegal, welche Sicherheitsfreigaben Sie für sich beanspruchen! Hier draußen, Operative, hier an der Front ..." Quinn betonte das Wort "Front" selbst während seines Gebrülls noch. "... zählt nichts davon! Wenn Sie Befehlsgewalt und Respekt wollen nehmen Sie ein Gewehr in die Hand, gehen in den Sumpf und zeigen, ob Sie eins von beidem verdient haben! Und wenn Sie es wissen wollen, Operative, war es genau das, was wir beide, zwei ehrenhafte Männer, im Gegensatz zu Ihnen, gebaut haben: Eine letzte Zuflucht für echte Soldaten, Operative! Für die letzten, die das Imperium noch besitzt! Leute wie Sie, Politiker und Bürokraten, haben dafür gesorgt, dass wir einen Krieg, den es unweigerlich geben muss, nicht mehr ausfechten können! Leute wie Sie haben dafür gesorgt, dass Soldaten wie wir zu Witzfiguren in Zeiten eines scheinheiligen Waffenstillstandes verkommen! Wenn es Frieden gibt, Operative, gibt es für Soldaten keinen Platz! Und deshalb auch nicht für soldatische Tugenden!"


    Quinn redete sich immer weiter in Rage. Er lief hin und her, die linke Hand auf dem Rücken, mit dem rechten Hand gestikulierend. Sein Gesicht war nicht verzerrt wie Yus. Es war zornig, ohne Frage, aber kontrolliert zornig. Ein in Bahnen gelenkter, kanalisierter Zorn, der tief aus dem Innern kam. Ein Zorn, der einem Sith-Lord besser angestanden hätte als Yus Zorn. Dieser Mann war ein wirklicher Veteran des Krieges. Er übertrieb vielleicht mit vielen Worten, aber mit diesem nicht: Er war ein echter Soldat.


    "Das war unser Projekt, Operative! Eine letzte Akademie für echte Soldaten mit den Mitteln, die die Sith selbst entwickelt haben! Die Rakghul! Keine Manöver, keine Trockenübungen! Leben und Tod. Ganz einfach. Wer zu langsam ist wird selbst Übungsmaterial. Ein idiotensicheres Konzept. Bis dieser Vollidiot, der sich Lord der Sith schimpft, sich hat von einem Rakghul infizieren lassen!" Der Colonel schnaubte. "Er ist durchgedreht. Es wäre völlig einfach gewesen, Operative! Wir nehmen Ihm die Medizin weg und lassen ihn verrotten! Ein Rakghul mehr oder weniger fällt im Sumpf überhaupt nicht auf! Selbst der Bunker wäre früher oder später eingebrochen! Er wusste, was das Risiko ist. Er war ein Soldat und ist gestorben. Wie wir alle früher oder später sterben."


    Quinn holte einmal Luft und sprach jetzt etwas ruhiger weiter.


    "Das ist die Wahrheit, Operative. Und wenn Sie auch nur ein bisschen Eier in der Hose hätten würden Sie mir nicht hinterher schnüffeln sondern in Ehrfurcht vor Lord Yu und mir erblassen und auf Knien darum betteln, dass wir Sie auch nur die Schuhe von den Männern und Frauen lecken lassen, die hier als echte Soldaten gekämpft haben und gestorben sind. Sie wollen das Imperium sicher machen, Operative? Dann nehmen Sie ein Gewehr und fangen Sie bei mir noch mal ganz neu als Rekrut an. Aber wenn Sie Ihre Scheiße weiter machen wollen - verpissen Sie sich."




    Einen Moment lang herrschte tatsächlich Stille. Eine Sekunde verging, dann eine zweite. Die Worte des Colonels klangen noch nach, schienen sich in der dunklen Luft zu halten und nur das leise Plätschern des nicht enden wollenden Regenwasserstroms an den Wänden vertrieb sie langsam mit höflichem, aber bestimmtem Nachdruck. Erst nach drei Sekunden sprach Idrissou wieder.


    "Erschießen Sie den Colonel, Captain." sagte sie nüchtern.


    Noch einmal blinzelte Takematsu. Quinn sah ihr mit funkelnden Augen und stählerner Miene entgegen.


    "Überlegen Sie gut, zu wem Sie jetzt gehören wollen, Captain." sagte er gedehnt.


    Takematsus senkte ihr Gewehr weiter. Ihr Blick wanderte von Quinns Gesicht zum Boden hinter ihm, jenseits der Beine seiner Soldaten, wo die Leiche des Soldaten lag, den sie erschossen hatte. Es war ihr als letzte Ehre für ihn erschienen, ihn jetzt noch einmal für die Sache des Imperiums kämpfen zu lassen, selbst im Tod. Sie hatte die Leiche her geschleppt und mit Sorgfalt an der Wand postiert, so dass die Haltung möglichst überzeugend wirkte, solange man nicht näher hinschaute. Die Soldaten hatten nicht näher hingeschaut.


    Die Leiche lehnte an dem Sprengsatz, den Takematsu hergeschleift hatte, verdeckte ihn vor unaufmerksamen Blicken.


    "Lassen Sie das Gewehr fallen, Captain." bellte Quinn.


    Takematsu ließ das Gewehr fallen.


    Sie drehte sich leicht zur Seite, um der Detonation weniger Widerstandsfläche zu bieten, und zündete die Bombe.


    Ihr Gehör setzte fast sofort aus. Die Detonation war zu stark.


    Dann setzte auch ihr Bewusstsein aus.

  • 1831 - Epilog[align=justify]




    Die nächsten Stunden verschwammen in Takematsus Wahrnehmung. Hin und wieder hatte sie Momente, in denen sie aufschreckte und gleich vom Schmerz wieder überwältigt wurde. Vage war ihr klar, dass die Explosion einen Teil der Höhle hatte einstürzen lassen und dass sie gefangen war, aber dann wich auch diese Erkenntnis wieder Schmerzen und fieberhaften Träumen in einem nur halbwachen Zustand.


    Sie sah Bomberstaffeln auf sich zufliegen, die Feuer auf sie und ihre Soldaten herabregnen ließen. Gesichter von Männern und Frauen tauchten wieder auf, die einmal unter ihrem Kommando gestanden hatten und dann im Einsatz umgekommen waren. Auch das geschundene Gesicht des einen Soldaten, den sie selbst geschossen hatte.


    Die Szene wiederholte sich immer wieder. Immer wieder sah sie, wie die Bomben einschlugen und erst einen feinen Nebel versprühten, der sich wie die schwüle Atmosphäre eines Gewächshauses um einen legte, nur klebriger, schmieriger. In alle Poren der Kleidung und der Haut drangen die feinen, öligen Tropfen ein, salbten den eigenen Körper für die kommende Sekunde, als dann, als kleiner Funke zu Beginn, das Feuer zu lodern begann. Zu schnell wuchs die Flamme heran, als dass man vor ihr hätte fliehen können, und zu majestätisch war das Schauspiel, als dass man sich hätte abwenden können.


    Das Inferno breitete sich nicht gleichmäßig aus: Die Hitzewelle aus dem Innern des Nebels war so intensiv, dass auch weiter entfernte Stellen bereits zu glimmen begannen, bevor die Explosion selbst sie noch erreicht hatte. Die zarten Flammenzungen wurden dann von der Gewalt der eigentlichen Explosion verschlungen, einverleibt und hinweggefegt. Es war eine Tsunami-Welle aus weiß brennender Hitze, die da heran rollte und alles verschlang.


    Bei jeder Wiederholung sah Takematsu anderes in den Flammen. Zuerst nur das Gesicht Lord Yus, das sie anbrüllte, dann die stählerne Miene des Colonels, schließlich das Gesicht ihrer Mutter und dann ihr eigenes.


    Jedes mal schreckte sie im letzten Moment zurück, drehte sich zur Seite und spürte, wie das Feuer die linke Hälfte ihres Körpers ergriff und sich alles einbrannte, während die rechte leidlich unverletzt blieb. Mit dem rechten Auge sah sie panisch, wie ihr linker Arm zusammenschrumpelte, die Haut sich zu schwarz verbranntem Schlamm verwandelte und nur noch die Knochen zurückzulassen schien.


    Immer wieder durchlitt sie die Feuertaufe, bis alles irgendwann dem wohligen, diffusen, indifferenten Grau des Betäubungsmittelschlafs wich.




    Als Takematsu wieder erwachte lag sie in einem Krankenbett, das deutlich weicher und bequemer war als der im Militär übliche Standard. Gedimmtes, klinisch-weißes Licht leuchtete ihr von der Decke entgegen. Ihre Reflexe setzten mit leichter Verzögerung ein und sie versuchte, sich zu orientieren. Ihre Muskeln gehorchten nicht Recht und ihr linkes Auge war verdeckt. Nur mit dem rechten sah sie, dass sie ein Krankenhemd trug und ihre linke Körperhälfte mit Bandagen versehen war. Eine Infusion erklärte den Rest: Sie stand offenbar unter Schmerzmitteln.


    Sie hatte nur wenige Sekunden gebraucht, um alles so weit sortiert zu bekommen, als die automatische Tür sich öffnete und Idrissou eintrat, in einer perfekt sitzenden Offiziersuniform. Sofort begann sie rasch, klar und sortiert zu sprechen mit ihrem üblichen Tonfall höflicher, kühler und berechnender Distanziertheit: "Sie wollen jetzt vermutlich fragen, wo Sie sind, warum Sie hier sind, was passiert ist und was ich jetzt mit Ihnen vor habe - nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Ich erspare Ihnen das Sprechen, weil mir die Ärzte versichert haben, dass Ihre gesamte Motorik inklusive des Kiefers unter dem Einfluss eines Military Grade Explosive Device Mark III doch merklich gelitten habe."


    Sie legte die Hände auf dem Rücken und stellte sich so neben dem Bett auf, dass Takematsu sie trotz des eingeschränkten Sichtfeldes im Blick behalten konnte.


    "Sie sind an Bord eines Schiffes des imperialen Geheimdienstes auf dem Weg nach Dromund Kaas; sie sind hier, weil ich Sie habe aus einem zusammengebrochenen Bunker ausbuddeln lassen; passiert ist, dass Sie einen Sprengsatz gezündet haben, der es uns erspart hat, den Colonel mit einem Luftschlag ausschalten zu müssen; und ich habe vor, Ihnen einen Job zu geben."


    Takematsu brachte ein Stöhnen hervor, aber nicht mehr.


    "Wir konnten das Shuttle mit Lord Yus Körper sicherstellen. Er befindet sich ebenfalls bereits auf dem Weg nach Dromund Kaas. Wir konnten sogar unser Sekundärziel erfüllen und die Motivation des Colonels bestimmen. Außerdem hoffen wir, dass wir auch Sie angesichts Ihrer hervorragenden Leistungen im Einsatz für den IGD gewinnen können. Tatsächlich haben wir Ihre Überstellung schon veranlasst. Da Ihre Verletzungen bleibende Schäden hinterlassen werden, bliebe Ihnen innerhalb des Militärs ohnehin nichts anderes als Schreibtischdienst übrig. Und wir gehen fest davon aus, dass Sie weiter im Einsatz sein wollen."


    Idrissou schwieg einen Moment und musterte Takematsus Gesicht nachdenklich.


    "Eine letzte Sache noch: Um auch Ihre militärischen Verdienste während dieses Einsatzes zu würdigen haben wir entschieden, Sie formal in den Rang eines Majors zu befördern. Nun allerdings sollten Sie schlafen. Sie haben einen langen Arbeitstag hinter und noch einige längere vor sich.


    Willkommen im IGD, Major Takematsu."

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