0400 - Anflug
Der Boden des Shuttles erzitterte unter den schweren Stiefeln der Soldaten, als eine weitere enge Kurve geflogen wurde. Es war nicht zu sehen, was den Piloten dazu veranlasst hatte: Es gab noch kein Tageslicht und nur manchmal rasten hinter dem Fenster die Schemen von Wolken durch das sonst gleichförmige Schwarz der Nacht.
Takematsu sah sich um und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie ein anderer der Soldaten im engen, schwach rot beleuchteten Innenraum des Shuttles, sich in seine Haltegurte krallte.
"Keine Sorge, Specialist. Wir haben bald wieder festen Boden unter den Füßen. Dann gibt es nur noch Sie, den Sumpf, Ihr Gewehr und ein paar zehntausend feindliche Soldaten. Was soll Ihnen dann noch passieren, hm?" Takematsu grinste aufmunternd bei der Frage und der Soldat blickte ertappt auf.
"Tut mir leid, Ma'am." antwortete er. "Werde nur nicht gern abgeschossen in der Luft. Lieber auf dem Boden."
"Keine Sorge, Specialist. Dafür bekommen Sie noch genug Chancen."
Ein Ziehen in der Magengegend signalisierte Takematsu, dass das Shuttle jetzt rapide an Höhe verlor. Unter ihr tauchten die Signallichter des Stützpunktes auf. Schemenhaft rasten Jäger und andere Shuttles vorbei und je weiter sie sanken, desto deutlicher wurden die schattenumwaberten Bewegungen der vielen Soldaten auf dem Stützpunkt. Wissen, was genau vor sich ging, konnte man nicht, aber trotzdem war ein Stützpunkt an der Front auf einen Blick von einem zu unterscheiden, der im Hinterland lag: Die unbestimmte, angespannte Geschäftigkeit des aktiven militärischen Dienstes war hier allgegenwärtig und fing das landende Shuttle wie eine Bärenfalle ein.
Als die Hecklade des Shuttles sich öffnete und die Soldaten hinaus auf die Landefläche sprangen war der Lärm ohrenbetäubend. Nicht nur die Triebwerke des Fluggeräts dröhnten, sondern auch die Bewegungen der Wartungsfahrzeuge, die Schritte der vielen, umher rennenden Soldaten, die Start- und Landesirenen und der ferne Donner der Artillerie. Die Geräuschkulisse wirkte auf Takematsu, als hätte sie gerade die Tür zu ihrer eigenen Wohnung aufgeschlossen und hörte nun das laute Schreien der eigenen Kinder: Es zog an den Nerven, aber es war so etwas wie Heimat.
"Lieutenant Ihak, Ma'am!" rief ein Offizier, der durch den strömenden Regen auf sie zulief und Takematsus Hand schüttelte. "Folgen Sie mir! Der Colonel will Sie sofort sprechen! Ihre Männer können direkt weiter zu Landeplatz 14! Dort drüben!"
Er wedelte durch den Regen hindurch zu einem kaum sichtbaren, hinter Kraftfeldern verschanzten Shuttle. Takematsu hob eine Augenbraue, nickte dann aber. "Auf geht’s, Männer!"
Ihak eilte in beeindruckendem Tempo über das riesige Flugfeld zu einem der Hangars, dabei stets dem landenden und startenden Fluggerät, den vielen Soldaten und Fahrzeugen ausweichend. Selbst der Lärm verschwamm langsam zu einer unförmigen Melange, als Takematsu ihm folgte und versuchte, sich wenigstens halbwegs die Geometrie des chaotischen Nestes einzuprägen.
"Ehe ich Sie da unvorbereitet reinschicke, Ma'am." rief der Lieutenant. "Die Luft im Einsatzzentrum ist gerade so dick, dass man sie mit einem Vibromesser schneiden müsste. Wir haben Besuch vom IGD, der dem Colonel Ihren Einsatz aufgezwungen hat."
"Und warum soll mein Trupp sich direkt wieder einsatzbereit machen? Die Männer sollten besser ein Einsatzbriefing bekommen." antwortete Takematsu und konzentrierte sich jetzt darauf, das Gebäude vor ihnen in Augenschein zu nehmen: In der Tat ebenfalls ein Hangar, aber deutlich besser gesichert. Zwei große Kampfroboter bewachten den Eingang, Soldaten standen herum. Ihak zeigte seinen Ausweis vor und trat mit Takematsu im Schlepptau ein.
Vor den beiden erstreckte sich das Einsatzzentrum: Ein Wust an Bildschirmen und Konsolen mit Soldaten dazwischen, die beständig in ihre Headsets sprachen. Als sich die Tür hinter ihnen schloss verschwand auch der Lärm des Flugfelds fast vollständig und wich dem Lärm der Computer und dem Wirrwar der verschiedenen Stimmen. Ihak machte sich zielstrebig zur Rückseite auf, wo durch eine transparente Panzertür der Besprechungsraum zu sehen war. Ein ergrauter, hochgewachsener und kräftiger Mann in grauer Militäruniform war gerade dabei, mit auf den Rücken verschränkten Händen hin und her zu gehen und unhörbar mit jemand anderem zu sprechen, der hinter den Wänden verborgen blieb.
"Die Details, Ma'am, fragen Sie den Colonel am besten selbst." sagte Ihak, als sich die Tür vor ihnen öffnete.