Kapitel 2

Beo Jordine fühlte keine Schmerzen an seinen Händen und Armen, obwohl sie von Schnitten der vielen kleinen Splittern übersät und die Ärmel mit Blut getränkt waren. Es war, wie es immer schon gewesen war: Im Augenblick der Not gab es keine Schmerzen.


Von der Rettungskapsel war im Wesentlichen nur das Gerippe erhalten geblieben. In seinem Inneren war niemand unverletzt geblieben. Splitter hatten den Insassen Arme und Hände aufgerissen, manchen das Gesicht. Behälter und Trümmer hatten sie unter sich begraben. Alles war blutrot gesprenkelt.


Beherzt griff er zusammen mit einem Sullustaner zu und half dem kleinen Jungen, der panisch Schrott und Scherben beiseite räumte. Sein Vater, wusste Beo. Er war mit seinem Vater in der Kapsel. Die Augenhöhle des Kleinen war mit einer Art Metallschiene bedeckt: Sind es Miraluka?, hatte sich Beo gefragt, als er die beiden in der Fähre erblickt hatte. Auch, was er jetzt im Gesicht des Jungen sah, würde er niemals vergessen können.


Nicht weit von ihnen hockte die Frau in der Jedi-Robe bei dem Mädchen mit den kurzen roten Haaren. Nicht mehr nur das Haar des Mädchens war rot – ihr ganzes Gesicht war es, schreiend rot, auch der Hals. Ein Splitter hat eine Schlagader getroffen. Sie wird verbluten.


Unter all den Trümmern fühlte der ehemalige Soldat plötzlich etwas Weiches, Klebriges. Er sah den Sullustaner an, der den Blick erwiderte und seinen Kopf dann langsam senkte, dann schaute Beo die blonde Frau links von ihm an, die hektisch Taschen und Behälter durchwühlte, und deutete mit dem Kopf auf den Jungen.


Die Blonde hielt inne. Ihre Augen verengten sich für einen Moment. Sie verstand ihn, wischte den Blutfaden, der über ihre Wange lief, fahrig ab und drehte den Kleinen mit sanftem Griff zu sich. „Sag mal, wie heißt du denn? Wie ist dein Name? Wohin wolltest du denn fliegen?“, plauderte sie hastig; versuchte, ihn von dem abzulenken, was Beo und der Sullustaner gefunden hatten. Gleichzeitig durchsuchte sie weiter eine Tasche. Der Junge schien ins Leere zu lauschen. Vielleicht verstand er ihr Basic nicht? Sein Mund stand ein wenig offen; er zitterte. „Jonar“, erwiderte er schließlich. „Jonar Varrn.“


Beo warf einen Blick auf das, was er erfühlt hatte. Sofort wusste er, dass Hilfe zu spät kam. Die komplette Kieferpartie des Vaters des Jungen war nicht mehr zu erkennen, die linke Seite des Schädels deformiert. Egal, wie oft ich so etwas sehe – ich werde mich niemals daran gewöhnen. Der Blick des Sullustaners sagte Beo, dass es ihm genauso ging. „Ich bin Beo“, murmelte er und hielt dem Kerl seine Hand hin. „Jiel“, erwiderte der Angesprochene und schüttelte die Hand.


Als lese er, was in ihren Köpfen vorging, drehte Jonar sich zu ihnen um; sehr langsam und beherrscht, wie ein alter Mann. Als wisse er Bescheid. „Es tut mir Leid, Jonar“, sagte Beo, löste seine Pranke aus Jiels Griff und legte sie dem Jungen schwer auf die Schulter. „Dein Vater hat es nicht geschafft.“ Mit festem Griff hielt er den Kleinen, damit der nicht dazu kam, zum toten Körper seines Vaters zu gelangen. Als sei die Pranke des Ex-Soldaten nur ein Blatt, schüttelte Jonar sie ab und krabbelte auf allen Vieren auf das zerstörte Gesicht unter den Trümmern zu, ehe Beo reagieren konnte.


Der Junge hockte da und sagte kein Wort. Langsam, aber vollkommen zielstrebig streckte er seine kleine Hand aus und legte sie auf die Wange seines Vaters. Beinahe erschrocken sah die Frau, die bei dem rothaarigen Mädchen kniete, auf und betrachtete den Kleinen forschend. Beo runzelte die Stirn. Besorgt. Aber auch... irritiert? Die dunklen Augen der Frau in der Jedi-Robe wanderten weiter zu der blonden Frau. Unter dem braunen Umhang ragte an ihrer Taille ein silbriger Griff hervor.


„Habt Ihr das Kolto gefunden?“, fragte die Jedi die Blonde ruhig. „Sie verliert zu viel Blut.“

Die Entscheidungen waren nur der Anfang von etwas. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, dann tauchte man damit in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich riss, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen. (Paulo Coelho)