Ein Körnchen Natur
"Ihr mit eurer Naturverbundenheit" schnaufte ich miesepetrig in Richtung Rücken meines Meisters, als mir eine Felskante ein weiteres Mal durch die Handschuhe in die Hände schnitt. Doch ich hielt mich fest und schwang mich weiter den Hang hinauf. Ich konnte zwar nicht umhin, zuzugeben, dass Ankus mir gefiel. Zumindest die weitläufigen Wälder in den gemäßigten Klimazonen. Die trostlose Savanne, in der wir seit zwei Tagen campierten, jedoch war ein anderes Thema. Die Sonne brannte am Tag und wenn es endlich Abend wurde, hatte mein Meister nichts besseres zu tun, als steile Hänge mit scharfkantigen Felsen hochzuklettern. "Warum .."
"Auf die Gefahr hin, dass ich es ein zehntes Mal sagen muss .. du wirst es schon sehen, Zira." unterbrach er mich sofort. Ich rümpfte die Nase, schwieg. "Ich weiß, dass Geduld überhaupt nicht zu deinen Stärken gehört aber gerade muss ich darauf bestehen!" fuhr er fort, drehte sich um und erklomm weiterhin den Hang. Ich verfluchte ihn innerlich und folgte ihm. Oben kamen wir auf einem Plateau an, das zu zwei Seiten steil ablief und über die übrigen nur über fels- und geröllbewehrte Hänge zu erreichen war. Ich sah ihn erwartungsvoll an, denn die schöne Aussicht auf den Fluss und die sichtbaren Waldabschnitte, waren es sicher nicht, die ihn hier hoch gebracht haben mussten. Er reichte mir sein Fernglas. "Schau dir die Herde dort an." sagte er teilnahmslos. Ich gehorchte und hob das Fernglas vor die Augen.
Etwa zwölf Eopie standen dort arglos am Fluss. Ich besah sie eingehend, fand jedoch nichts besonderes an ihnen. "Was soll mit denen sein?" fragte ich ihn, ohne die Herde aus den Augen zu lassen. Er antwortete nicht, worauf ich das Fernglas abnahm. "Na sagt schon, ihr habt mich jetzt hierhergeschleppt wofür? Für einen Biologielehrgang? Die bekomme ich im Tempel doch auch!" er lächelte sanft und hob das Fernglas wieder vor meine Augen. "Schau weiter hin." sagte er mit einer seltsamen Gewissheit, die mich stutzen lies. Wieder gehorchte ich. Dann geschah es so schnell, dass ich kaum folgen konnte. Innerhalb eines Herzschlages war die Idylle am Wasser vorüber, als ein Reptil mit gewaltigem Maul und gebleckten Zähnen aus dem Wasser sprang, mit einem einzigen Satz eine stattliche Eopie-Kuh mit den Kiefern am Nacken packte sie zu Boden riss. Ich spürte sogar das feine Flüstern der Macht, als der Hals der Kuh brach und ihr Organismus schlagartig aufhörte zu existieren. Erstarrt sah ich zu Bannon, der reglos neben mir stand.
"War .. war es das, was ihr mir zeigen wolltet?" fragte ich unsicher, doch sofort packte mich wieder die Neugier und ich hob das Fernglas vor die Augen. Er antwortete nicht. Die Herde war verschwunden und das Reptil fraß bereits. "Woher wusstet ihr, dass genau da so was passiert?" fuhr ich fort.
"Warum hat der Nashtah nun diese Eopie gerissen, Zira?" fragte er, wobei mir seine stete Anweisung, eine Frage nicht mit einer Gegenfrage zu beantworten, durch den Kopf schoss. "Weil .. er Hunger hat?" erwiderte ich nach kurzem Zögern. Erneut setzte ich das Fernglas ab. "Richtig Zira, weil er Hunger hat. Was ist Hunger?" ich sah ihn irritiert an. "Das Hungergefühl ist ein Signal des Körpers an unser Gehirn, dass unser Körper zum Fortbestehen Nährstoffe benötigt und sie gerade knapp sind." antwortete ich. Er lächelte. "Korrekt. Mit anderen Worten: Hunger ist etwas, das jeder Organismus auf natürliche Art und Weise verspürt, nicht wahr?" mir fiel kein Gegenbeispiel ein, also nickte ich erneut. "Diese natürlichen Prinzipien sind es, auf die ich heute mit dir hinaus will, Zira. Wenn du dir die Galaxis ansiehst, wirst du viele natürliche Dinge beobachten können. So ein Angriff aufgrund des Hungergefühls ist eine Form der Natürlichkeit." ich sah ihn einigermaßen ratlos an und wagte einen erneuten Blick auf den Fressort des Nashtah. Die Eopie war bereits verspeist und das Reptil sank langsam ins Wasser zurück. Stille trat ein, die Bannon schließlich unterbrach.
"Es gibt noch andere Worte, mit denen man diesen Vorfall dort unten bezeichnen kann, Kindchen. Der Nashtah hat getötet, um nicht selber an Hunger zu sterben und das ist eine der Grundprinzipien unserer Natur: Man tötet, um selbst am Leben zu bleiben. Überall kannst du das beobachten, nicht nur in der Tierwelt und nicht nur unter der Prämisse des Verhungerns. Kannst du es dir denken, wo noch?" er sah mich an, ich nickte. "Die Soldaten sagen immer, dass sie im Krieg töten, um selber am Leben zu bleiben." begann ich vorsichtig, er ließ mich ausreden. "Und die Sith, Meister .. Ihr Wesenskern beruht darauf, zu töten, um nicht getötet zu werden. So ist es auf Korriban, nicht wahr? So steigt man erst im Imperium ein." er nickte. "Ja, das stimmt. Im Sith-Orden regiert ein Prinzip der Natur: Man tötet seine Rivalen, bevor sie einen selber erwischen. Zwar haben sie gewisse Regelungen, die ein Miteinander ermöglichen doch im Wesenskern hat sich nie etwas daran geändert. Die Frage ist doch .. warum ist das nun so? Was macht ein Tier, wenn du es in die Ecke drängst und ihm den Fluchtweg nimmst?" .. "Es greift an, Meister!" sagte ich sofort.
"Richtig, es greift an, Zira. Und wie immer liegt der Handlung ein Naturprinzip zugrunde: Die Sorge um das eigene Fortbestehen beziehungsweise Töten, bevor man selber getötet wird. Du weißt, dass im Tempel die Angst als der Ursprung allen Übels gesehen wird .. als der Pfad zur Dunklen Seite. Der Grund ist so einfach wie banal: Jemand, der Angst hat, greift an und tötet." Die Dunkelheit brach über uns herein.
"Aber .. wenn der Sithorden so eine hohe Repräsentation in der Natur findet .. haben wir als Jedi dann auch eine?" ich sah zu ihm hoch. Er wuschelte mir durch den Haarschopf. "Ein Rudel Wölfe zum Beispiel hält zusammen, Ziri .. eine Nashtah-Mutter wird sich mit ähnlicher Sorgfalt um ihre Junge kümmern, wie du dich um dein Aussehen." ich reckte das Kinn in die Höhe. "Zuerst einmal ist es mir wichtig, dass du diese Prinzipien verstehst und sie erkennst, da sie dir ständig in unterschiedlichen Ausführungen begegnen werden. Sie sind eine wichtige Grundlage, auch für die Ausprägung deines Weltbildes." ich musterte ihn eine Weile. "Alsooo wollt ihr mir damit .." er unterbach mich sofort. "Zira, wie oft noch, man beginnt keinen Satz mit "Also" .. gewöhn dir das endlich ab. Und nein, ich mache dich vorerst nur darauf aufmerksam, darüber nachdenken musst du schon selber, Padawan." ich seufzte innerlich und sah noch einmal zum Wasser. Die Sterne spiegelten sich bereits und wir gingen den Rückweg an. "Was bedeuten diese Prinzipien dann für unser Dasein als Jedi?" fragte ich ihn, als wir den Fuß des Hanges erreichten. Sofort begannen wir, zu diskutieren . . .