Sabacc-Bildkarten III: The Queen of Air and Darkness (2)
“The real things to know is that folks will stand to lose more than they will to win. That’s the most important percentage there is. I mean, if they lose, they’re willin’ to lose everything. If they win, they’re usually satisfied to win enough to pay for dinner and a show. The best gamblers know that.”
(Pug Pearson)
Ein leises Zischen, mehr war nicht zu hören als die Abfallluke sich öffnete und das Gewehr in den dunklen, einsamen Raum zwischen den Sternen gesogen wurde. Trigger starrte auf die dicke Glasscheibe, lange noch, nachdem die Schleuse wieder geschlossen war, alleine mit ihren Gedanken, verloren in Erinnerungen.
6 Stunden zuvor:
Leise fluchend hämmerte Trigger auf dem Datapad in ihrer Hand herum, das sowohl an ein Handcom als auch an das Kommunikationsterminal in dem kleinen Überwachungsraum in dem sie sich befand, angeschlossen war. Warum verdammt noch eins war seit Tagen der Niedrigfrequenzbereich so dermaßen gestört dass es bei allen Gesprächen ständig in der Leitung rauschte?! Die Lady hatte sofort paranoid aufgehorcht als das Problem auftrat: Sie vermutete eine Verwanzung der Kommunikationsanlage. Aber die Chiss wollte daran nicht glauben. Erstens war es vollkommen blödsinnig ausgerechnet die Niedrigfreqzenz zu verwanzen, über die nur die nicht sicheren Verbindungen der Handcoms und die Intercomanlage liefen und zweitens wären Leute die die Eier und das Talent hatten der Lady Wanzen ins System zu pflanzen ganz sicher Profi genug, dabei nicht das Signal zu stören. Es war ein ätzendes Problem; das Rauschen selber war gar nicht so schlimm, aber die Lady hatte natürlich sofort den Befehl gegeben, sämtliche Gespräche auf den betroffenen Frequenzen einzustellen. Die Hochfrequenzbereiche wiederum durften sie auch nicht nutzen, da sie alleine ihrer Kommunikation vorbehalten waren. Solange bis sie das Problem gefunden und eliminiert hatte, würden die Untergebenen der Lady also keine elektronische Kommunikationsmöglichkeit haben.
Nachdenklich kaute sie auf der Unterlippe herum, den Blick mit konzentriert gerunzelter Stirn auf die Aufzeichnung der Sinuskurve gerichtet, die über das Pad flackerte, während es die betroffenen Comfrequenzen abtastete.
„Verdammt, 's bringt'so nix. Ich brauch'nen verflucht'n Abgleich. Wie soll'ich denn so 'nen Unnerschied erkenn'n, der vielleicht nur nen Zehntelmillimeter ausmacht!“
Einen Moment lang starrte sie unschlüssig das Terminal an. Natürlich gab es die Möglichkeit eines Abgleichs... die Lady würde sie selbstverständlich dafür töten lassen, wenn sie jemals erfuhr dass Trigger in ihrer persönlichen Frequenz rumgespielt hatte, aber auf der anderen Seite musste sie es ja nicht erfahren...
Brummend nickte die Chiss. Solange sie niemandem davon erzählte, und das hatte sie ganz sicher nicht vor, war sie auf der sicheren Seite. Schnell legte sie das Pad aus der Hand und verriegelte die Tür des Überwachungsraums, dann stöpselte sie das Com um und ließ sich wieder auf den Sessel vor dem Terminal fallen. Wenn sie jetzt nur ganz vorsichtig war...
Sie legte die Beine aufs Terminal um das Pad bequem auf den Oberschenkeln abzulegen und tastete sich langsam in den Frequenzen vor.
„Dann sind wir uns also einig. Marrou verschwindet sobald die Credits und die Ware bei mir eingegangen sind“, drang die feuchte Stimme von Baroggha dem Hutten leise aus dem Com, als Trigger die richtige Frequenz erwischt hatte.
Die Chiss verzog angewidert das Gesicht. Huttese war so schon eine furchtbare Sprache, aber Barogghas Angewohnheit, wirklich immer irgendetwas eklig Schleimiges zu essen während er sprach jagte ihr Schauer über den Rücken. Sie startete die Aufnahme der Frequenzkurve und wartete ab, nur mit halbem Ohr auf das Gespräch konzentriert. Dass die Lady den Drogenboss Marrou loswerden wollte weil sie scharf auf seine Verbindungen nach Nar Shaddaa war, war nichts Neues für sie.
„Selbstverständlich. Ich werde den Stick bereithalten. Wann kann ich damit rechnen, dass sie abgeholt wird?“ Das Huttese der Lady war klinisch kalt.
Baroggha lachte. Ein noch widerlicheres Geräusch als sein Sprechen. „Was? Du willst dich doch nicht tränenreich von ihr verabschieden?“
„Natürlich nicht! Ich habe ihre Fähigkeiten zwar zu schätzen gelernt aber Schläger gibt es wie Sand auf Tatooine.“
Leises Piepen des Datapads verriet, dass der Abgleich erfolgreich Unterschiede in den Kurven gefunden hatte, doch Trigger achtete nicht auf das Pad, sie horchte mit argwöhnischem Stirnrunzeln auf die Stimmen.
Wieder lachte der Hutte. „Aber wenig so exotische. Ihr wahres Talent, meine Liebe, ist doch bei Ihnen sowieso verschwendet.“
Die Antwort der Lady war trocken und kühl, sie stimmte nicht mit in das Lachen ein. „Ich bin mir sicher, blau passt gut zu den Vorhängen. Oder dem Teppich. Wie auch immer. Sind wir dann fertig?“
Trigger bemerkte dass sie zitterte. Es ging um sie... der widerliche Hutte wollte sie! Und die Lady hatte dem Handel zugestimmt! Mit vor Entsetzen geweiteten Augen riss sie das Kabel aus dem Datapad, sofort verstummte das Gespräch. Würgereiz schüttelte sie, gequält aufstöhnend presste sie sich den Handrücken auf den Mund.
Minutenlang konnte sie nur dasitzen, verstört vor sich hinstarren. Das konnte nicht passieren, das durfte nicht passieren! Eher würde sie sterben als Baroggha als exotische Kuriosität zu Diensten zu sein! Sie oder...
Mit einem Ruck riss sie die Beine von der Konsole. Nein! Nicht sie... die Lady!
5 Stunden zuvor:
Es war nicht schwer gewesen an die Westar 2-17 zu kommen, die sie nun in den Händen hielt, ohne die interne Kommunikation hatte sie Jason alles erzählen können um ihn weit weg vom Waffenarsenal zu bringen. Sicher würde Acid sich wundern wenn der Mann bei ihm angekommen war, warum sie wohl behauptet hatte, er würde ihn dringend sprechen wollen, aber da Acid nicht einmal da war, erst Stunden später zurückkehren würde, war es bis dahin lange zu spät.
Sie lag auf dem Bauch, das Scharfschützengewehr in den Händen, direkt im Bürogebäude gegenüber der verspiegelten Fensterfront hinter der sich die Büroräume der Lady befanden. Die Westar 2er-Reihe taugte nichts, würde das Energiefeld vor den Fenstern noch existieren, hätte sie keine Chance, den Schuss anzubringen, aber die Königin des Viertels war zu arrogant um mit einem Angriff von innen zu rechnen... und die Energie des Generators umzuleiten war eine Kleinigkeit gewesen.
Konzentriert, mit einer Ruhe, die sie im Inneren nicht fühlte, wartete Trigger ab, den Blick auf das Zieldisplay des Gewehrs geheftet. Sie hatte nur einen Schuss, nur diese eine Chance. Sollte er daneben gehen würde sich die Lady auf den Boden werfen können, jenseits des Schusswinkels.
Ein bitteres Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Wann immer'du einem Herr'n dienst, wirste verrat'n... das is'ne verdammte Regel. Un'das wird mir nie wieder passier'n. Ich diene nie wieder!“
Sie schloss den Schwur tief in sich ein, erstickte mit ihm die Panik. Und wartete.
Die Lady führte Comgespräche, schon die ganze halbe Stunde die Trigger sie durch das Zieldisplay beobachtete. Solange sie sich hinter der Kommunikationsanlage befand, war sie sicher. Der Winkel war mies, die Deckung zu groß. Aber irgendwann musste sie fertig sein.
Es dauerte noch eine weitere Viertelstunde bis die Frau endlich aufstand. Sie drehte sich um und schob einen Teil der Wandverkleidung hinter dem Schreibtisch zur Seite, öffnete den dahinter verborgenen Safe. Trigger folgte jede ihrer Bewegungen durch das Display, richtete den Lauf auf den Kopf der Lady aus. Die Spiegelscheiben machten das Zielen schwieriger, aber nicht unmöglich. „Na komm'schon... versteck'dich nich' in'dem Winkel...“
Die Lady sortierte etwas im Inneren des Safes, dann griff sie sich einen der Datenchips und schloss die Tür wieder, schob das Paneel davor. Für einen Moment sah es aus als wolle sie sich wieder an ihren Schreibtisch setzen, doch dann schüttelte sie den Kopf, wandte sich vom Tisch ab und durchquerte den Raum.
Der Schuss eines Scharfschützengewehrs ist nicht zu hören. Aber man fühlt ihn in jeder Faser seines Körpers. Vom Abdrücken an bis zum Einschlag eine Millisekunde später fühlte sich die Chiss wie unter Strom gesetzt. Genau zwischen die Augen, er war perfekt! Und dennoch... fehlte etwas. Angewidert ließ Trigger das Gewehr sinken, starrte es an, wandte den Kopf dem Gebäude gegenüber zu. Die Lady war tot, daran bestand kein Zweifel. Sie hatte gesehen wie der Raum zwischen ihren Augen aufplatzte, die seichte Überraschung, die der Frau über die Lippen huschte, bevor sie zu Boden ging. Sie hatte sie getötet. Und doch fühlte sie nichts. Zu klinisch, zu kalt, zu weit weg! Auch wenn das Ergebnis genau das war was sie erreichen wollte, fühlte sie sich betrogen.
Sie fröstelte. Schüttelte sich. Blass konnte sie ihr Abbild in der Scheibe vor der Abfallluke ausmachen. Sie hatte das Gewehr zur Bumblebee gebracht und in ihren Eingeweiden versteckt, abgewartet bis ihr jemand die Nachricht überbringen würde, dass die Lady tot war. Sie hatte nachgedacht. Über den Schuss, das Ausbleiben der Erregung die sie üblicherweise verspürte, wenn jemand zu Boden ging. Hatte eine Entscheidung getroffen, einen weiteren Schwur in sich eingeschlossen. Nie wieder würde sie mit einem Scharfschützengewehr töten. Es war zu weit weg, zu... unpersönlich. Viel zu leer.
Wieder driften ihre Gedanken ab, weiter in die Vergangenheit dieses Mal.
Die Lady hatte sie mitgenommen, in der Nacht in der sie eigentlich hätte sterben sollen, doch was genau das bedeutete, hatte sie erst später begriffen. Sie hatte ihre Existenz an die Lady verkauft, für den wirklich beschissen erbärmlichen Preis von dreitausend Credits. In Ordnung, sie war am Leben, das war immerhin mehr als sie andernfalls von sich hätte behaupten können; aber dieses Leben gehörte nicht mehr ihr, auch wenn die Lady die Illusion aufrecht erhielt indem sie die Chiss für jeden Job bezahlte.
Sie hatte Trigger schnell wieder auf die Beine gebracht, die Bauchwunde, die ohne Versorgung ihr Ende gewesen wäre, hatte mit der richtigen Behandlung keine zwei Wochen gebraucht um narbenlos zu verheilen. Sie wusste inzwischen dass es etwa drei Monate her war dass sie Nar Chunna erreicht hatte. Sie hatte dem Navigationscomputer des Schiffs die Sprungkoordinaten des csillischen Orbits gefüttert und es über den Autopiloten auf den Weg geschickt. Als die Triebwerke anfuhren und ihre letzte Verbindung zum Reich zerrissen, drehte sie sich nicht um. Das Schiff nahm alles mit, was ihr noch geblieben war, ihre Waffen, ihre Uniformen, ihre Auszeichnungen... und was noch viel wichtiger war, auch alle Chancen, jemals wieder zurückzukehren; sie hatte keine Kopien der Astrogationskarten gezogen und auch wenn sie natürlich wusste, wo Csilla sich in Etwa befand war eine Sprungberechnung ohne das Kartenmaterial unmöglich.
Kaum wieder auf den Beinen gab sie sich verbissen dem Training hin. Drei Monate des vollkommenen Nichtstuns war eine verdammt lange Zeit für einen Körper der es gewohnt war täglich belastet zu werden und sie würde sicher Monate, wenn nicht gar Jahre brauchen, ihn wieder in Topform oder gar darüber hinaus zu bringen, aber ein geringeres Ziel gab es nicht.
Zwei Monate verbrachte sie in einem schlafwandlerischen Zustand des unermüdlichen Trainings, Essens und Schlafens, der nur durchbrochen wurde wenn sie für die Lady jemanden verletzte, manchmal nur zusammenschlug, manchmal tötete. Sie fieberte nach diesen Momenten, denn dafür lebte sie. Sie war ein bestialischer Schläger unter der vollkommenen Kontrolle eines der unbarmherzigsten Personen ganz Nar Chunnas, aber das war ihr egal, denn die Momente rücksichtsloser Brutalität waren die einzigen, in denen sie sich lebendig fühlte.
Sie knurrte ihr Abbild im Glas an, fletschte die Zähne. Ein Tier, mehr war sie nicht gewesen... aber war sie das nicht immer noch? Was hatte sich denn geändert? Die Reise nach Groth hatte etwas geändert, hatte ihr etwas gegeben, was ihr eine Ruhe verschaffte, die sie sonst nirgends spürte. Aber war das genug?
Die Lady hatte ihr Reich ausgeweitet indem sie einen ihrer Kontrahenten im Glücksspiel-Sektor an Baroggha verkaufte. Der Mann war nicht wirklich dumm genug gewesen, den Hutten zu hintergehen, aber sie hatte es geschafft es so aussehen zu lassen. Zwei Tage später war der Mann verschwunden und die Lady riss seine Geschäfte an sich.
Glücksspiel war ein neues Gebiet, in dem sie über nur wenige Erfahrungen verfügte, aber sie vertraute den Betreibern der Casinos und Spielhallen nicht, die schon für ihren Vorgänger gearbeitet hatten, also baute sie Verbindungen nach Groth - dem Planeten der Spieler und Casinos - auf um nach einem Spezialisten zu suchen, der noch nicht in das enge Geflecht von Geschäft und Intrige Nar Chunnas eingebunden war.
In ihrem eigenen Reich bewegte sich die Lady nur mit einer Schar ihrer Untergebenen. Schläger, Mitarbeiter, Geschäftspartner; sie war auf den Straßen des Viertels immer von Leuten umgeben. Doch nach Groth reiste sie allein, lediglich Trigger sollte sie zu ihrem direkten Schutz begleiten.
Kaum erreichten sie den Orbit des Stadtplaneten, veränderte die Lady sich völlig. Ein charmantes Lächeln ersetzte die Maske aus eisiger Arroganz die sie sonst trug, ihre immer falsch und berechnet wirkenden Bewegungen wurden durch lässige Offenheit ersetzt. Sie wirkte... nett! Umgänglich. Nach einer Person, mit der man gerne einen Abend verbringt.
Trigger verstand diese Veränderung nicht, und das widerte sie an. Alle Leute waren falsch, ausnahmslos, doch die Lady hatte bis jetzt wenigstens kein Geheimnis daraus gemacht, etwas, das die Chiss respektiert hatte. Sie ekelte sich vor der freundlichen Person in die sich die Lady verwandelt hatte, denn sie war falscher als alles vorher.
Auch die gigantische Stadt, die sie vom Hafen aus betraten war falsch; bunte Lichter an jedem der weitläufigen Casinogebäude tauchten die Nacht in vielfarbige Helligkeit, aus jedem der Gebäude drang unterschiedliche Musik und verzweifelte Fröhlichkeit, als wolle Groth einen vergessen lassen dass es Ruhe und Dunkelheit gab. Die Chiss hasste diesen Ort!
Sie trafen den Mann der sich No Deal nannte im Sundown-Casino, einem der besseren Häuser am Platz, dessen vorherrschende Farbe ein tiefes Orange war. Er saß an einem der übervollen Sabacc-Tische, trank und lachte, redete zu viel und zu laut, wirkte in seinem modisch geschnittenen grellroten Anzug wie ein Mann, der sehr zufrieden mit sich und der Welt war. Aber die Chiss glaubte ihm nicht. Alle Leute waren falsch.
Das Gespräch zwischen ihm und der Lady zog sich über zwei Stunden. Eine ganze Weile sprachen sie nur über Belanglosigkeiten, lachten und scherzten, als wären sie alte Freunde, bevor sie sich den geschäftlichen Dingen zuwendeten. Triggers nervöse Aggressivität, die sie immer verspürte wenn sie unter Leuten war steigerte sich in unerwartete Höhen. Das Lachen, die belanglosen Gespräche der Leute, die Geselligkeit... sie konnte das einfach nicht ertragen!
Sie versuchte sich auf das Spiel zu konzentrieren, dessen Regeln sie nicht kannte. Sie hatte schnell begriffen was ein gutes und was ein schlechtes Blatt war. Was sie nicht begriff war, warum Leute mit schlechteren Karten die schlagen konnten, die etwas viel besseres auf der Hand hatten. Warum spielte man eine schlechte Hand? Warum kam man damit durch?!
Übelkeit stieg ihr die Kehle hoch, ihr Kopf dröhnte schmerzhaft.
„Träumst du, my Dear? Ich sagte, wir können gehen...“, riss die freundlich-amüsierte Stimme der Lady sie aus ihrer Starre.
Es dauerte Sekunden bis sie realisierte, dass sie gemeint war, zum wiederholten Mal, wie es schien. Sie nickte nur leicht, aus Angst kotzen zu müssen wenn sie versuchte etwas zu sagen. Dann floh sie aus dem Casino.
Ihr Abbild im Glas runzelte nachdenklich die Stirn und legte den Kopf leicht schräg. Diese Erinnerung war es gar nicht gewesen, die ihre Gedanken hatten erfassen sollen. Sie schmatzte angewidert, galligen Geschmack im Mund.
No Deal war nicht lange auf Nar Chunna geblieben, schnell wieder nach Groth zurückgekehrt. Wenn man als Spieler auf Groth gelebt hat, dann käme höchstens Nar Shaddaa als Alternative in Frage, hatte er ihr einmal gesagt, in den kurzen Monaten, die er für die Lady gearbeitet hatte. Aber es war lang genug dass er ihr erklären konnte, worum es bei diesem furchtbaren Spiel ging. Es war kaum von Bedeutung, was für Karten man auf der Hand hatte. Natürlich, bessere Karten verschafften eine bessere Ausgangslage, aber ein guter Spieler konnte auch mit einem schlechten Blatt gewinnen. Es kam darauf an, zu lügen, falsch zu sein, zu bluffen.
„Soll ich es dir beibringen?“, hatte er mit einem Schmunzeln gefragt. Er schmunzelte immer, selbst in Momenten, in denen er Jemandes Existenz ruinierte. Sie hatte ihn nicht niedergeschlagen, auch wenn es sie viel Willenskraft kostete, den Reflex zu unterdrücken.
Es klang nach reißendem Metall, als die Triebwerke der Bumblebee anliefen, irgendwo im rechten Schiffsrumpf.
Die Lady runzelte verärgert die Stirn, ihre freundliche Maske hatte sie an der Schiffsluke wieder abgelegt. „Nein! Ich habe in exakt zwölf Stunden einen Termin, dieses Schiff darf jetzt nicht ausfallen!“, teilte sie in einem Tonfall mit der implizierte, dass sich das Universum selbstverständlich sofort um ihr Problem zu kümmern habe.
„'s is'nur 'n Hüll'nriss... nix Wildes. 'ne Stunne, vielleicht zwei, dann läuft'das wieder“, brummte Trigger, es war das erste Mal dass sie überhaupt was sagte, seit sie auf Groth angekommen waren.
„Du kennst dich damit aus?“ Der Mund der Lady formte sich zu einem überraschten, kreisrunden und blutroten o, falsch und künstlich, wie die Chiss es von ihr kannte.
„'n bissch'n.“ Sie stellte die Maschinerie ab und stand auf. „Genug um'das hinzukrieg'n.“
Sie war kein Schiffstechniker, ihre technische Ausbildung lag viel eher im sicherheits- und kommunikationstechnischen Bereich, aber sie hatte in ihrer Vorbereitungszeit auf den Außendienst gelernt, häufig auftretende einfache Fehler am Schiff selber zu reparieren. Und ein Hüllenriss war ein einfacher Fehler, nur ein Chassis, nicht einmal komplizierte elektronische Verbindungen.
„Kümmer dich darum. Und dann bring uns zurück nach Nar Chunna. Weck mich wenn wir uns im Orbit befinden.“ Ein großzügig bespielter Credstick wechselte den Besitzer und dennoch – wie bei jedem Befehl der Lady – war beiden klar, dass ein „Nein“ keine Option war.
Sie brauchte nicht einmal die genannte Stunde, bis der Fehler behoben war, auch wenn sie hinterher wünschte, sie hätte sich Zeit gelassen, langsamer gemacht. Denn diese Stunde gab ihr etwas, was sie über Monate nicht gespürt hatte: Ruhe.
Sie hatte nie gemerkt dass sie unter Spannung stand. Gereizt war, nervös. Bis zu dem Moment, als sie sich einem technischen, logischen Problem zuwenden konnte. Die Stunde auf dem Rücken in der Turbine der Bumblebee war tiefer als traumloser Schlaf. Wie Meditation, die die Anspannung von ihr nahm, Dinge in ihrem Inneren entkrampfte und ins Gleichgewicht rückte.
Ihr Abbild lächelte. Über Wochen hatte sie sich wie besessen auf alles gestürzt was Kabel hatte. Pads, Generatoren, Schaltanlagen, es war egal gewesen. Und sie lernte schnell. Egal wie kompliziert es erschien, ein technisches Problem war immer logisch. Technik war ehrlich, und wenn man ein Problem fand das man nicht lösen konnte lag es nur am eigenen Unvermögen, niemals daran dass man eine Lüge oder einen Trick nicht durchschaute. Jede freie Minute verbrachte sie mit den von der Lady beschäftigten Technikern, beobachtete, stellte Fragen, fasste mit an.
Aber hatte sie das besser gemacht? War ein Tier mit einem Fokus weniger tierhaft? Sie kannte nur zwei Dinge: Eine wilde Abscheu, die sie reizte wenn sie sie nicht freiließ und die triumphierend aufbrüllte, wenn sie verletzte auf der einen und die Ruhe im Inneren wenn sie sich voll auf Logik und Technik konzentrieren konnte auf der anderen Seite. Beides ließ sie fühlen, atmen, leben. Aber konnte, nein, wollte sie den Rest ihres Lebens zwischen zwei Extremen verbringen? Was war mit all den anderen Dingen, die andere Leute empfanden? Den Dingen dazwischen? Wie bei den Sternen empfand man Freude? Spaß?
Sie hatte sich Mühe gegeben, es zu begreifen, wirkliche Mühe. Aber es gelang ihr einfach nicht, so zu sein wie die anderen. Zu lachen, sich locker zu unterhalten, Vergnügen aus Nichtigkeiten zu ziehen.
Die Männer der Lady hatten versucht sie einzubinden. Sie hatten sie mitgenommen wenn sie um die Häuser zogen, versucht ihr das Gefühl zu vermitteln, dazuzugehören. Aber sie gehörte nicht dazu.
Als sie es auf Wetwares Anraten hin mit Sex probierte und einem jungen Kerl den Arm brach, wurden die Einladungen seltener. Als sie sich einen anderen Abend mit Alkohol versuchte zu entkrampfen, durchdrehte, und das Ergebnis zwei Leichen waren, blieben sie ganz aus.
Eine ganze Weile starrte sie ihr Abbild nur an. Irgendwas musste passieren. Sie beobachtete sich, sie nachdenklich die Stirn runzelte, wie langsam eine Idee heranreifte. Vielleicht... könnte das eine Lösung sein. Vielleicht...
Sie nickte sich zu und wandte sich von der Abfallluke ab. Sie hatte einen neuen Kurs.
My old pappy always used to say, there is no more deeply satisfying religious experience... than cheatin' on a cheater.
(Maverick in dem Film Maverick)