„Ich hätte nie gedacht, dass es so endet…“
„Die Macht ist stark in uns. Es muss nicht das Ende sein…“
Gewaltige Hochhäuser und schillernde Neonreklamen zogen an ihr vorbei. Sie nahm es kaum wahr. Ihre blassen, blauen Augen lagen gedankenverloren auf dem schönen, jugendlichen Antlitz der durchsichtigen Frau, die ihre Mimik so perfekt nachahmte. Hinter den welligen Strähnen, die ihr im bleichen Antlitz lagen, sah sie so vieles… Stolz, Mut, Zuversicht… Unsicherheit… Furcht…
„Rheyya?“
Sie fühlte eine sanfte Berührung auf ihrer Schulter. Ihr Blick wandte sich endlich von ihrer eigenen Spiegelung im Fenster des Gleiters ab. Sie sah in das Gesicht von Velkarn, der neben ihr auf der Rückbank des Taxis saß. Mit forschenden Iriden musterte er seine Schwester. „Alles in Ordnung? Seit wir von Tython aufgebrochen sind, scheinst du mit dem Kopf ganz woanders zu sein.“ Rheyya nahm sich eine Sekunde, um seine Worte im Geiste zu verarbeiten, dann schüttelte sie sachte den Kopf. „Schon in Ordnung“, antwortete ihre tiefe, klare Stimme. Sie besaß einen sehr angenehmen Klang.
Velkarn hob skeptisch die Brauen. „Ich kenne dich, seit du geboren wurdest, Schwesterchen. Denkst du ich weiß nicht, wann du besorgt bist?“, bohrte er nach. Kurz presste sie die Lippen aufeinander. Sie wandte den Blick ab, schob sich das Haar ein wenig aus dem Sichtfeld. „Wir wurden kaum zu Rittern des Ordens ernannt…“, sprach sie dann und machte eine kurze Pause, „Und jetzt habe ich schon das Kommando über ein Einsatzteam…“ Sie seufzte kaum hörbar, schüttelte den Kopf. „Ich wollte das nicht.“
„Ich schon.“ Velkarn seufzte ebenfalls. „Aber jetzt hast du den Posten, Schwesterchen. Das ist eine große Ehre. Du hast den alten Leuten sehr imponiert.“ „Sicher…“, entgegnete Rheyya nur, wenig motiviert. Sie war noch jung, nicht einmal 21 Jahre alt und bekam bereits eine derartige Verantwortung auferlegt. So sehr sie auch versuchte, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten und ihre Angst in die Macht abzugeben, es wollte ihr nicht gelingen. Velkarn stützte die Arme auf seine Knie, um Augenkontakt herzustellen. „Rheyya… Viele, ich mitinbegriffen, würden eine Menge dafür geben, um solch eine Ehre zu erhalten. Hör auf, dir Sorgen zu machen. Du schaffst das.“ Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Und außerdem hast du immer noch mich, um dir unter die Arme zu greifen, wenn du es verbockst.“
Rheyya verzog den Mund und schaute ihn kritisch an, musste dann jedoch leise lachen. Sie wandte den Blick von ihm ab, konzentrierte sich wieder auf die vorbei rauschende Aussicht. Velkarn ließ seinen Hals knacken. „Wo wollte sich dieser Kerl noch mal mit uns treffen?“, erkundigte er sich. „In den unteren Ebenen… an einem Ort, den man ‚Dagger Cantina‘ nennt“, antwortete Rheyya und beobachtete die vielen verschiedenen Gleiter, die zwischen den Türmen Coruscants hin und her sausten.
Velkarn murrte abschätzig. „Ich verstehe immer noch nicht, warum du einen Piloten von zweifelhaftem Ruf anheuern willst…“ „Wir werden Kriegsgebiete betreten, auch welche, die vom Imperium besetzt sind. Bei einem Schmuggler würde man nie damit rechnen, dass er ein Jedi-Kommando transportiert.“ „Ich lege nicht unbedingt gern mein Leben in die Hände eines Verbrechers, der sich nur für seine Bezahlung interessiert.“ „Er wird uns am Leben halten. Den Großteil der Bezahlung bekommt er erst am Ende unserer Zusammenarbeit.“ Velkarn hob die Brauen. „Da bin ich aber erleichtert…“, erwiderte er voller Ironie.
Das Taxi setzte zum Landeanflug an. Surrend kam es auf dem Straßengrund mitten im Gewirr Coruscants zum Stehen und öffnete seine Türen. „Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen und wünschen Ihnen einen angenehmen Tag“, sprach der Droide am Steuer des Wagens, während Rheyya und Velkarn bereits aus diesem hüpften und ihre Roben straff zogen, ehe sie den Blick über ihre Umgebung schweifen ließen.
Inmitten des ewigen Gedränges und des enormen Lärms befand sich ein kleines, eher schäbiges Gebäude, über dessen Tür in leuchtenden, flackernden Buchstaben das Wort ‚Dagger‘ funkelte. Durch die hohen Fenster erkannte man bereits einen Schankraum, in dem sich zwielichtige Gestalten heillos betranken, während sie fast nackten Tänzerinnen dabei zusahen, wie sie lasziv ihre Hüften schwangen. „Bei der Macht…“, murmelte Velkarn bei diesem ersten Eindruck und schüttelte den Kopf. Er verkniff sich jeden weiteren Kommentar und folgte stattdessen seiner Schwester zum Eingang der heruntergekommenen Cantina.
Rheyya stieß die Tür auf und betrat das Lokal, dicht gefolgt von ihrem Bruder. Der Schankraum stank nach Alkohol und Zigaretten. Aus einer Jukebox drangen belustigende Melodien. Die beiden Jedi waren umgeben von lauten Gesprächen. Man musste die Worte nicht verstehen, um sich sicher zu sein, dass viele dieser Stimmen volltrunken waren. Nur leicht zog Rheyya in dieser Umgebung angewidert ihre Oberlippe höher. Dieser Ort erinnerte sie viel zu sehr an ihr früheres Leben, als sie noch gemeinsam mit Velkarn und ihrer kleinen Schwester Salwyn auf den Straßen Corellias ums nackte Überleben hatte kämpfen müssen. Sie war froh, dass diese Zeiten zwischen Gangern und Halsabschneidern vorbei waren.
„Rheyya, diese Leute starren uns an…“, murmelte Velkarn mit einem wachsamen Blick durch den gesamten Raum. „Ist mir aufgefallen“, entgegnete Rheyya und schaute selbst noch einmal nach links und rechts. Tatsächlich hatten ein paar Gäste angefangen, die beiden sonderbaren Fremden argwöhnisch zu betrachten. Es war ungewohnt, hatte man sie und ihre Geschwister doch stets übersehen, als sie noch Straßenkinder waren und nur einander hatten. Als jedoch der Barkeeper auftauchte, ein eher korpulenter Zabrak, schüttelte Rheyya ihre Erinnerungen ab und wandte ihre Aufmerksamkeit diesem zu. „Was darf’s sein?“, grummelte der Kerl grobschlächtig. „Ein Mann namens Captain Lokhain sollte hier auf uns warten“, entgegnete Rheyya unbeeindruckt. Sie hatte diesen Piloten bisher noch nicht gesehen, war die Kontaktaufnahme doch nur über den Schriftverkehr abgelaufen. Der Wirt wiederum schien genau zu wissen, von wem die Rede war. Er verdrehte die Augen und deutete flüchtig auf einen seiner Gäste.
Es handelte sich um einen jungen Mann, Mitte 20, mit blasser Haut und schwarzem, zurückgestrichenem Haar. Er saß an einem Pazaak-Tisch, der von einigen Leuten umgeben war. Allem Anschein nach hatte er eine glückliche Phase, denn während sich auf seinem, von Splitternarben gezeichneten, Gesicht ein unverschämt breites Grinsen finden ließ, so machte sein Gegner, ein Rhodianer in schmutziger Arbeiterkleidung, einen überaus nervösen und deprimierten Eindruck.
Als Rheyya und Velkarn sich näherten, gab der Rhodianer einen kurzen Aufschrei von sich und führte die Hände an seinen Kopf. „So ein Pech… Ist dir schon das Geld ausgegangen, Neelo?“, meinte der Mann mit den Splitternarben und zog die Credits zu sich, die in der Mitte des Tisches ausgebreitet waren. Er ließ seine Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen tanzen und grinste geradezu dreckig. „Fein, gibt’s hier noch jemanden, den ich noch nicht ausgenommen habe?“ „Du meinst ‚beschissen‘, Mistkerl“, brummte einer der Umstehenden. Der Mann mit den Splitternarben schaute provoziert auf. „Hey, Wampa-Fresse… So was will ich nicht hören! Ich spiele immer fair! Klar soweit?“ Er schien es todernst zu meinen.
Rheyya kam unweit vom Pazaak-Tisch zum Stillstand und fixierte den Gewinner der letzten Partie. „Captain Lokhain?“, sprach sie ihn an. Der Mann mit den Splitternarben blickte auf und nahm die Zigarette aus seinem Mund. „Ich vertraue keinen schönen Augen. Vielleicht will die Dame sich ja zuerst vorstellen, bevor sie andere nach ihrem Namen fragt.“ „Das habe ich bereits“, entgegnete Rheyya, „Ich habe Euch kontaktiert. Ihr wolltet mich hier treffen.“
Lokhain hob etwas überrascht die Brauen. „Ihr seid Rheyya Livindoe? Mh… Ich hatte etwas Älteres und weniger Hübsches erwartet…“, sagte er gelassen, nahm den Sargnagel wieder zwischen die Lippen und erhob sich langsam. Die losen Credits stopfte er dabei in die Innentasche seines abgetragenen Mantels. Das Kleidungsstück schien fast so alt zu sein wie er selbst. „Wunderbar… ein Schmuggler, ein Spieler und ein Schmierlappen…“, kommentierte Velkarn die Worte des Captains und verdrehte die Augen. „Wie bitte, Schmuggler?“, hinterfragte Lokhain die Aussage kühl, dass man meinen mochte, er meinte es ernst. Er schien einen sehr trockenen Humor zu besitzen.
„Schafft den Kerl bloß weg von hier!“, schimpfte einer der anderen Gäste. „Genau! Elender Betrüger!“, fügte ein weiterer hinzu. Lokhain winkte die bösen Kommentare nur desinteressiert ab. Rheyya beobachtete jede seiner Bewegungen ausführlich. Ihm schien die allgemeine Meinung über ihn vollkommen egal zu sein - eine durchaus praktische Einstellung, wo viele Machtanwender doch von vornherein verurteilten. „Hier wird’s langsam zu ungemütlich wie Ihr seht… Verschwinden wir.“ Ohne ein weiteres Wort zog der Captain an den beiden Jedi vorbei und wanderte auf den Ausgang zu.
Velkarn pfiff sich eine Strähne seines langen Haars aus dem Gesicht. „Glückwunsch, Rheyya… DEM kauft sicher keiner ab, dass er uns transportiert…“ Rheyya zuckte mit den Schultern. Ein triumphales Lächeln umspielte ihre Lippen. „Hab‘ ich doch gesagt…“, säuselte sie und folgte Lokhain dann gemeinsam mit ihrem Bruder nach draußen. Es war an der Zeit, zum Rest des Trupps zurückzukehren.