Hinweis: Diese Fortsetzungsgeschichte folgt einer Inspiration durch den Comic "Kein leichter Fall" aus der Reihe "Inspektor Canardo" von Benoit Sokal (1994 ). Wer einige Motive und Gegenstände dieser Geschichte allzu tod- und bierernst nimmt, tut dies auf eigene Gefahr. Ich entschuldige mich untertänigst für die Verballhornung einiger Monumente unserer Konsum- und Medienwelt, z.b. der Zeitschriften „Brigitte“, „Vogue“ und „Frau im Spiegel“, „ADAC-Motorwelt“, der „Dr. Sommer-Kolumne“, Angelina Jolie und Brad Pitt, Bud Spencer und Terence Hill, David Carradine, Tina Turner, Mike Oldfield, The Police, Mick Jagger und den Rolling Stones und einigen anderen, die ich gerade unter den Tisch der Erwähnung habe fallen lassen.
Frauenzeitschriften
Alles begann mit einem Kratzen im Hals. Rafale Goeland war kaum aufgewacht, als ihr ein schneidender Schmerz beim Schlucken ankündigte, dass sie kränkelte. „Na, das wird ja ein toller Tag, zum Rodder!“, fluchte sie verdrossen in ihre Bettdecke und zog sich diese sogleich über den Kopf. Ja, es hatte sie erwischt. Irgendein blöder Infekt, der mal wieder umgeht wie der Klingelbeutel im Tempel. Damit das Halsweh sich nicht allzu einsam fühlte, gesellten sich die üblichen Verdächtigen dazu: Kopfweh, Gliederschmerzen, Bauchweh. Wie lästige Verwandtschaft hatten sich diese Plagegeister über Nacht bei Rafale eingenistet. Mochte der Morgen scheinheilig dämmern, soviel er wollte, sie würde heute kürzer treten, und die Decke über dem Kopf war der erste Schritt. Ihr eigener warmer Atem schlug ihr entgegen und besänftigte den Halsschmerz ein wenig. So sehr sie bedauerte, dass niemand zum Trösten bei ihr war, so beruhigt war sie dann doch darüber, dass sie so wenigstens niemanden anstecken konnte. Man weiß nie, wozu man eine kerngesunde Familie noch brauchen konnte, wenn man selber gerade sterbenskrank war und bemuttert werden musste A propos sterbenskrank: Hatte sie nicht neulich etwa seltsames, geradezu beunruhigendes gelesen? Irgendwo im Zeitschriftenstapel ihres Ionenfriseurs? Vielleicht stand es in der „Igitte“ oder in der „Drogue“, in die „Sith im Spiegel“ hatte sie auch reingeblättert. Natürlich hauptsächlich wegen der lustigen Holocomics darin. Jedenfalls ging es um eine grassierende gefährliche Krankheit, die zunächst ganz harmlos anfing, wie ein grippaler Infekt, wie.... wie... ja, genau so wie sie sich jetzt fühlte! „Ganz ruhig Raf, ganz ruhig! Du glaubst doch nicht an den verfrellten Mist, der in diesen Schundzeitschriften steht. Ganz sicher nicht!“ Oder vielleicht doch? Vielleicht war sie wirklich ernsthaft krank? Die Corellianerin räkelte sich widerwillig unter der Bettdecke, in ihren Körper lauschend. Doch außer dem üblichen Knacken des Kniegelenkes und eben den Grippesymptomen war nichts weiter zu spüren. Nichts weiter? Schlimm genug, dachte sie sich. Angestrengt presste sie ihrem hämmernd schmerzenden Kopf aus wie eine Taris-Limette. Was stand denn da noch genau? Es half nichts, vor ihrem Gedächtnis hing ein dickes fettes „Wegen Krankheit geschlossen“-Schild, sie musste es anders angehen. Schlangenhaft tastete sich ihr Arm unter der Decke hervor in die feindlich-helle Morgenwelt ihres Schlafzimmers. Schlangenhaft, wenn auch nicht ganz so anmutig und zielsicher fand er, was er suchte, nicht ohne vorher eine leere Clitch-Dose vom Nachttisch auf die Reise nach unten zu schicken, nicht ohne dem Radiowecker eine plärrende imperiale Marschmusik zu entlocken. Am Ziel der Suche angekommen, entrissen die Finger dem Haufen Unterwäsche von gestern ihr Comlink und zogen die Beute unter die Bettdecke. Buntig flackerte das Display auf und sandte sogleich schmerzende Impulse in ihr dröhnendes Hirn. Nachdem sie resignierend die letzten vier Online-Ausgaben von „Sith im Spiegel“ gekauft hatte, fand sie dann doch, was ihr Gedächtnis ihr verwehrte: Den gesuchten Artikel:
„Rätselhafte Seuche auf Corellia: Bereits 12 Tote!“, stand da in wenig beruhigenden Flackerlettern. Hätte ihr Hals nicht so geschmerzt, so hätte sie jetzt beunruhigt geschluckt. Ungeduldig las sie weiter.
„Coronet: Die Zeichen für eine neue grassierende Seuche verdichten sich: Nachdem in diesem Monat bereits über 100 Corellisi mit nicht behandelbaren Grippe-Symptomen in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten, sind jetzt die ersten Todesfälle bekannt geworden. Die betroffenen Patienten klagten über Hals- und Kopfschmerzen sowie Übelkeit und Gelenkschmerzen. Doch die scheinbar harmlose Grippe entwickelte sich zum ansteckenden Albtraum, der bereits seinen ersten Tribut forderte, und die Zeichen deuten auf eine rasche Ausbreitung dieser rätselhaften Krankheit hin. Dr. Dr. Tanya Antalus, führende Forscherin auf diesem Gebiet, gab der Krankheit ihren Namen: Endoplasmatische Reticulitis, oder Antalus-Syndrom, ein Begriff, der sicher noch für Schlagzeilen sorgen wird. Dr. Dr. Antalus widmet ihre gesamte Zeit der Erforschung und Therapie dieser tödlichen Bedrohung unseres Planeten. „Wir sind zwar erst am Anfang, aber mein neu entwickeltes Therapieverfahren zeigt schon stabilisierende Wirkung. So konnten wir die Lebenserwartung der infizierten Patienten drastisch erhöhen und wir erhoffen uns weitere Fortschritte“, so die Medizinerin. Alle bekannten Fälle wurden in einer Spezialkinik in Coronet zusammengeführt, um der führenden Epidemologin dieser Tage ihre segensreiche Forschung zu erleichtern und die Überlebenschancen der Patienten zu verbessern.“
Mehr war der Zeitschrift nicht zu entnehmen, danach kamen schon das Horoskop und die „Dr. Winter“-Kolumne. Aber Rafale hatte ohnehin genug. So war das also, sie war tödlich erkrankt! Also war es wirklich ein Segen, dass niemand hier war, wer weiß, wie viele andere sie schon angesteckt hätte. Sie musste in diese Klinik und sich untersuchen lassen. Mit einem entnervten Stöhnen schob sie die Decke letztlich beiseite und setzte sich der quälend heiteren Morgensonne aus.