Interne Dialoge

  • Einatmen für drei, ausatmen für fünf

    Die Ruhe kam nach einigen Wiederholungen wie eine tröstende Decke über seinen aufgewühlten Geist. Die Welt fühlte sich plötzlich wieder an als sei sie in Greifweite und Dankbarkeit breitete sich in ihm aus.
    Was für eine grässliche Nacht? Wie dumm kann ich sein?

    Der Gedanke erschien aus der Dunkelheit nachdem er die Augen geschlossen hatte und in der schwarzbunten Sphäre des Wachbewusstseins hinter den Augen darauf wartete. Er wusste dass dieser kommen würde, die Spannung des Körpers hatte ihn festgehalten, ohne ihn auszusprechen. Die Emotionen fühlten sich fern an. Selbstvorwürfe und Selbstentwertung rangen für Sekunden -die sich wie die Ewigkeit anfühlten- mit Verständnis, freundlicher Offenheit und Belustigung miteinander. Sein Nacken entspannte sich, das Gesicht, Schultern, Rücken und nach einigen Momenten des Widerstands auch der Unterleib und die Beine.
    Das hier ist das Hier und Jetzt. Es es wahr, dass die Nacht grässlich war? ~ Ja! Die Alte hat mich nur benutzt! Sie war gierig, und grauselig und sadistisch, und blutrünstig! Wir hatten Glück, dass wir da nur mit der Erinnerung rausgekommen sind!

    Wie sicher es sich anfühlte, diese Aussagen zu tätigen, so fühlte es sich an, wenn er recht hatte. So eine ungerechte Welt brauchte auf jeden Fall einen Retter, und er würde derjenige sein. Belustigung, sanftmütiges Verständnis. Unwillkürlich fühlte er seinen Körper nicken.
    Möchtest du, dass sie sich so fühlt, wie du dich gerade fühlst?

    Schweigen, Widerstand, ein Gefühl wie das verzweifelte Festhalten an der Kante eines Abgrundes der ins Nichts führt, in den Tod. Die Spannung des Gefühls erfüllt seinen Körper für lange Sekunden, große Traurigkeit rollt über ihn, lässt Feuchtigkeit an den Kanten seiner künstlichen Augen entstehen und einige Milimeter herabrollen, versiegt wieder. Große Weisheit erfüllt ihn, umarmt das Gefühl tröstend, gibt ihm die Nähe die es braucht.
    Nein.
    kommt zögernd die Antwort.
    Sehr wahrscheinlich leidet sie unter ihrer eigenen Leere, möge sie den Trost finden, den wir gerade erfahren haben. Ihr das Gefühl aufzubürden, würde ihr das Leid vergrößern, das ist nicht was ich brauche.
    Was brauchst du jetzt in diesem Moment?
    Nur unsere eigene Nähe.



    Er lächelt in sich hinein, lässt dem Inneren Leben seinen eigenen Lauf. Sitzt noch einige Minuten ehe er sich etwas zu Essen macht und sich dann von dem einfachen Raum verabschiedet in dem er gerade haust. Er wird seiner Arbeit nachgehen, in dem gemieteten Raum über die nächsten Stunden mit Kunden reden, trösten, hinterfragen, Verständnis zeigen. Nichts davon ist zuviel, wenn er für sich selbst da ist. Vielleicht wird er in den Bars und Kantinen den Freunden, Fremden, Lehrern begegnen, die mit unangenehmen Erfahrungen die Lektionen bringen, die er benötigt um in dieses Leben hineinzuwachsen.

  • Einatmen für 5, ausatmen für 8, wenn du es schaffst


    Ein wenig von der Spannung die ihn die Nacht umgetrieben hat lässt nach wenigen Wiederholungen ab. Noch bevor er das Okay dazu geben kann beginnt das Ego drauf loszuplappern, kurz zieht er in Erwägung, sich zu ein paar weiteren Atemzügen zu zwingen, immerhin sind es seine bewussten Entscheidungen, die hier das Ruder führen sollten. Es bleibt bei der Erwägung und er geht dazu über, sich zu lauschen.


    Es wäre viel besser für sie, wenn sie nicht saufen würde! Wenn sie weniger saufen würde, könnte sie sich die Probleme die sie dazu bringen vom Hals schaffen! Es könnte ihr gut gehen, sie könnte glücklich werden. Es wäre mein Verdienst und sie wäre mir dankbar und würde mir Aufmerksamkeit schenken. Es wäre viel besser wenn sie weniger trinken würde um sich zu vergessen!


    Ist das denn so?


    Ja klar, ganz sicher! Wir haben schon so viele Patienten geheilt! Wir WISSEN, wie es ist, frei zu sein. Wir sind erleuchtet und auserwählt. Wir wissen, was besser für die anderen ist!


    Belustigung über den eigenen Größenwahn lässt sich im wahrgenommenen Universum spüren. Es fühlt sich groß an heute.


    Weißt du denn ganz sicher, dass wir sie nicht verlieren würden? Du kennst die Regeln. Die Person muss um Hilfe bitten. Ohne den artikulierten Wunsch, Besserung zu finden geht es nicht.


    Aber das ist so frustrierend! Ich brauche die Befriedigung JETZT, SOFORT. Ich bin der Held! Nur ich kann ihr helfen!


    Mentales Gelächter erfüllt den Raum, er kann sich selbst kichern hören als die Spannung die ihn festhält ins Wanken gerät. Jeder ist nach etwas süchtig. Dies ist seine eigene Sucht, die Sucht nach Relevanz.


    Wenn du sie zu ihrem Glück zwingen könntest, was würdest du tun?


    Bilder steigen in ihm auf, die Antwort des Egos. Ausnüchterungszelle, die Person schlagen, anbrüllen, mit soviel Alkohol abfüllen, dass sie davon so traumatisiert ist, es zu lassen und weitere Ideen.
    Es offenbart sich, dass die Optionen, genau die gewünschte Lösung nicht herbeiführen würden. Die Erkenntnis, dass er hier selbst das Arschloch ist setzt sich durch und eine Mischung aus Enttäuschter gutgemeinter Wut, Versagensängsten und Resignation bahnen sich in einem Grunzen Luft.


    Nicht die Lösung, mh? Fragt er sich selbst mit sanftem Mitgefühl.


    Nein, kommt es kleinlaut zurück. Stille breitet sich in seinem Inneren aus, Verwirrung, Haltlosigkeit als das Ego um sein Überleben ringt und nach Argumenten sucht, die gefühlsmäßig Sinn ergeben, jedoch alle Rechtfertigung verlieren, wenn sie hinterfragt werden. Er lässt sich Zeit, die Anwandlungen versiegen zu lassen, nach einem letzten Zucken verbleibt der Teil von ihm, der diesen Weg gewählt hat. Erkenntnis breitet sich warm in ihm aus und entspannt seinen Nacken, seinen Rücken, vertieft seinen Atem und erfüllt ihn kurz mit einem Schluchzen als das Gefühl von Verbundenheit ihn schließlich erreicht.


    Wir können nicht wissen, welchen Schmerz sie mit dem Alkohol ertränkt. Es ist ihre Angelegenheit. Ihr dabei im Weg zu stehen, wie sie sich um sich selbst kümmert wäre nicht fair. Selbst wenn sie stirbt weil sie im Rausch Dummheiten macht, kehrt sie doch nur zur Macht zurück. Wir können nicht wissen ob das nicht ihr Schicksal ist. Solang sie UNS nicht um Hilfe bittet, können wir nur da sein und zuhören. Sie wird ihren Weg finden.
    Genau, wie wir unseren Schmerz damit ertränken, diese Arbeit zu tun. Genauso wie wir Frustration spüren, wenn wir unseren Kick nicht bekommen indem wir tatsächlich jemandem helfen, wird sie nach ihrer Lösung suchen.
    Wir sind kein bisschen anders als sie.


    Leere erfüllt ihn, Stille. Das Bedürfnis, den Pfad eines anderen mit Gewalt zu verändern ist verschwunden. Er weiß, dass dieses Kapitel noch nicht abgeschlossen ist, denn das allumfassende Verständnis und Zuneigung zu sich selbst lässt auf sich warten. Vielleicht beim Nächsten Mal. Diese Situation wird sich anderweitig sicher wiederholen. Nar Shaddaa ist der perfekte Ort dafür.

  • Für fünf einatmen, für zehn ausatmen - Er schafft es nicht, sein Körper ist noch nicht soweit und es bleibt bei den schon bekannten 8 Sekunden bei der Ausatmung.


    Erinnerungen steigen auf, Erinnerungen an den Schmerz der letzten Tage, die ihn bei seiner Arbeit, bei seinem Frühstück, bei seinem Schlendern durch die Vergnügungsangebote der Promenade begleitet haben. Die Welt fühlt sich grau, langweilig und kalt an bei dem Überangebot an Zerstreuung, Drogen und den bunten Lichtern und weiten Werbeanzeigenüberfluteten Plätzen. Dem Gefühl wird Raum eingeräumt, es wird ertragen über lange Momente der Gleichgültigkeit gegenüber der Realität.


    Die Welt ist einfach besser mit dem ersten ernsthaften Kontakt. Es fühlt sich so vertraut und sicher an.
    Wispert es schließlich aus seinem Inneren, der Schmerz der Leere und Einsamkeit rührt ihn zu Tränen, die bald trocknen. Optionen bieten sich an, er ist an den Versuchungen vorbeigekommen, hat sich benutzen lassen, war versucht, Spice zu sich zu nehmen, hatte Alkohol versucht. Durch die gewohnte Achtsamkeit war ihm der Kontrast stärker aufgefallen. Es war kurz bunt durch die Aufregung und das Hoch, doch danach war die Welt umso grauer und kälter.


    Welchen Schmerz versuchst du zu vergessen?


    Erinnerungen steigen auf und überrollen ihn für einen Moment. Sie haben wenig mit der empfundenen Einsamkeit Nar Shadaas zu tun. Sie gehören zu seinem eigenen Trauma.


    Sein Körper zittert, seine Hände sind kalt und feucht von Schweiß, sein Kiefer verkrampft, die Zähne knirschen.


    Möchtest du dass das aufhört?


    Ja, bitte. Antwortet die weinerliche Stimme eines Kindes, seine eigene Stimme.


    Dann wird er sich des Klapperns der Klimaanlage und der Party im Nachbarraum bewusst, des schäbigen kleinen Hotelzimmers, des Geruchs von Chlor der aus der Toilette kommt, der schwarz-bunten Flecken die von seinen künstlichen Augen kommen, des Gewichts das seine gekreuzten Beine gegeneinander drückt und die kühle Feuchtigkeit, die das Weinen auf seinem Gesicht hinterlassen hat. Abgesehen von der Erinnerung und dem was er darüber glaubt ist es okay, wird ihm bewusst. Er hat gegessen und getrunken, er hat geschlafen und gearbeitet, er hat sich Zeit genommen, sich selbst zuzuhören.


    Wie lebst du, wenn du darauf wartest, dass das Gefühl zurückkehrt das du haben möchtest?


    Ich ignoriere die Welt, meine anderen Gefühle und die Gefühle die ich von anderen wahrnehme. Ich bin angespannt und ungeduldig. Ich spreche mit Kunden oder Fremden ohne sie wahrzunehmen, warte dass das Gespräch vorbei geht und nehme nicht teil.


    Stille folgt der Erkenntnis. Langsam, ganz langsam, steigt Wärme aus seinem Inneren, sanftmütiges Verständnis für den Drang, Verbindung zu der nächstbesten Person zu suchen, die zuhört. Es ist nicht nötig, etwas an der Situation zu ändern.
    Als er die Augen wieder aktiviert stürzen die Farben und Geräusche Nar Shaddaas wieder auf ihn ein und für einen Moment ist er mit Euphorie darüber erfüllt. Es ist gut so wie es ist, ob mit oder ohne Freunde. Wenn sie da sind fühlt er sich unterhalten, wenn sie nicht da sind hat er Zeit, seine Arbeit mit sich selbst fortzusetzen.


    Er holt tief Luft, so viel Platz in diesem Herzen, und es ist alles davon für ihn. Dann steht er auf, macht sich etwas zu essen und verlässt das Zimmer dann um in den gemieteten Raum zu gehen, in dem er mit den Kunden arbeiten wird. Nichts davon ist zuviel auch wenn es sich manchmal so anfühlt.

  • Ein für drei, aus für fünf


    Heute hat er eine Frage vorbereitet, ein Gefühl von Enttäuschung und Ärger, das ihn den ganzen letzten Tag verfolgte. Widerstand ist spürbar, das Ego klammert sich an die Wut, das kleine Trauma, das Drama.


    Ich fühle mich enttäuscht und verletzt, weil mir vorgeworfen wurde, ich hätte nur berufliches Interesse, es würde mich aber sonst nicht kümmern.


    Ein Lächeln kriecht unwillkürlich über sein Gesicht, es war das Thema, das zuvor angesprochen wurde, tiefe Zuneigung durchflutet ihn für einen Moment, als er sich an all den Schmerz der letzten Adressierung erinnert, an das Mitgefühl.


    Er tut anderen an, was er glaubt, das ihm angetan wurde.


    Ist das denn so? Dein Schmerz? Ist das deine Angelegenheit, was er tut, wie er fühlt?


    Widerstand gegen die bloße Frage baut in seinem Inneren auf, es lassen sich keine logischen Argumente dafür finden, der Glaube wird schwächer und ein kleinlautes "Nein" ist die Antwort. Er spürt sich selbst nicken.


    Opfer sind gewalttätige Leute, Wie behandelst du dich selbst, wenn du dich gegen die Erkenntnis wehrst, dass du kein bisschen überlegener bist als er?


    Scheiße... ich versuche, mich vom Gegenteil zu überzeugen, die Welt vom Gegenteil zu überzeugen, wenn nötig mit verbaler oder mentaler Gewalt. Gegen mich, gegen andere. Ich ignoriere was vor mir ist.


    Ironisch, hm? Milde Belustigung, Sympathie für das kämpfende Ego.


    Ich schätze, es steht eine Entschuldigung an, wir haben ihn völlig umsonst in Verlegenheit gebracht. Innere Zustimmung. Die Sympathie fühlt sich echt an, wenn auch weniger echt als zuvor.

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