„Seid Ihr sicher, dass Euer Kontakt sich nicht irrt? Das Leben des Senators steht auf dem Spiel.“ Jayden hatte die Arme um die Hüften ihres Begleiters geschlungen und musste gegen den Flugwind anschreien. Trotz ihrer Vorsätze, Pax zu vertrauen, zweifelte sie an dem eingeschlagenen Weg. Es stand zu viel auf dem Spiel.
Brian wandte ihr den Kopf leicht zu. „Mara ist eine der besten Hackerinnen im Sektor. Wenn sie sagt, dass sie diese Lya geortet hat, dann würde ich auch nach Dromund Kaas fliegen, um sie dort zu suchen.“ Er riss den Lenker in eine scharfe Rechtskurve.
Der Speeder neigte sich gefährlich zur Seite und schoss in einen Tunnel, der sie weiter in die unteren Ebenen führte.
Jayden klammerte sich an Pax. „Sagtet Ihr nicht, dass sie eine Kriminelle ist? Wie können wir ihr vertrauen?“
„Ich habe nur gesagt, dass sie eine unabhängige Dienstleisterin ist, die den Behörden gerner aus dem Weg geht.“
Jayden seufzte. „Das klingt mir sehr wie ein Euphemismus. Für eine Kriminelle.“
„Die Galaxis lässt sich vielleicht durch Eure Lehren in hell und dunkel einteilen. Aber im richtigen Leben gibt es dazwischen eine Menge grau.“ Jayden biss sich auf die Zunge und schluckte ihren Kommentar hinab. Sie sah ein, dass diese Diskussion zu nichts führen würde. Statt dessen würde sie sich auf die Aufgabe konzentrieren, die vor ihnen lag. Seit ihrer Ankunft auf Coruscant war ihr Wissen auf mehr als nur eine erdenkliche Art gefordert und teilweise korrigiert worden. Was für ein Vorgehen war angebracht? Die Tür eintreten und mit schwingendem Lichtschwert den Raum stürmen? Oder sollte sie lieber versuchen, die Lage auf diplomatischem Weg zu entschärfen? Vielleicht wäre es am einfachsten, auf die Verstärkung zu warten, die diese Hackerin versprochen hatte? War nicht Geduld das oberste Gebot der Jedi. Wie würde Meister M’har an ihrer Stelle handeln? Jayden seufzte. Was sollte sie bloß tun? Ihre Gedanken überschlugen sich und rasten durch ihren Geist, wie der Speeder auf dem sie saß durch die unteren Ebenen. Jayden besann sich auf ihre Ausbildung und schloss ihre Augen. Sie griff nach der Macht, auf der Suche nach Antworten.
Ruhe. Gelassenheit. Friede. Klarheit.
Lya hegte einen persönlichen Groll gegen den Senator. So privat, dass sie bereit war, alles zu riskieren. Die Bothanerin war in ihrem Zorn selbst vor Mord nicht zurückgeschreckt. Es wäre daher töricht, darauf zu hoffen, sie im letzten Moment mit Worten von ihrem Vorhaben abzubringen. Eine friedliche Lösung, schloss Jayden, war ausgeschlossen. Sie war auch ziemlich sicher, dass Lya nicht allein sein würde. Um den Senator gefahrlos zu transportieren, brauchte es mehr, als einen Blaster. Zwei, vielleicht vier. Rasches und entschlossenes Handeln würde der Schlüssel zur Lösung sein. Mit möglichst wenig Gewaltanwendung. Jayden öffnete die Augen. Sie fühlte sich selbstsicher. Die Macht würde sie leiten.
Brian wandte sich ihr zu. „Wir sind gleich da. Ich werde abgesetzt landen, damit wir uns ungesehen nähern können. Wäre ein Jammer, wenn sie den Senator im letzten Moment umlegen, weil sie unsere Triebwerke hören.“ Er landete den Speeder.
Jayden sprang von der Sitzbank und sah sich um.
Sie befanden sich in einem abgelegenen Sektor der Unterstadt. Weit ab von den Hauptverkehrsstraßen. Ruinen, verlassene und mit Graffiti beschmierte Wohneinheiten und Geschäfte prägten das Bild. Abfall und ausgeschlachtete Speeder lagen zwischen Gleiterschrott verteilt.
„Wo sind wir hier?“
Brian trat an die Jedi heran und sah auf einen blinkenden Punkt auf seinem Komlink. „Vor Jahren war dies mal eine florierende Gemeinde. Geschäfte, Werkstätten und der ganze Kram. Heute dient es den Swoop – Banden und der Schwarzen Sonne als Umschlagplatz für die Sorte Deals, von denen niemand was erfahren soll.“ Er sah Jayden an. „Unser Senator befindet sich dort.“ Brian zeigte jenseits der Straße auf ein Gebäude.
Sie folgte der Geste und runzelte die Stirn.
Das Haus in dem Gath Si’lor festgehalten wurde, war mit ausgeschalteten Lichtröhren und Holoprojektoren versehen. Vor dem Eingang schwebte ein Gleiter mit verdunkelten Scheiben in Parkposition.
„Eine Cantina?“
Der Ex-Soldat zuckte mit den Schultern und schaute mit seinem Fernglas die Umgebung ab. „Vielleicht will sie ihn noch auf einen Drink einladen?“
Jayden stieß einen Seufzer aus.
„Niemand zu sehen.“ Brian verstaute das Fernglas und überprüfte das Energiepack seines Blastergewehrs. Dann gab er ihr einen leichten Stoß. „Kommt oder wollt Ihr den Senator Eurem Meister kalt präsentieren?“ Er huschte im Zickzack über die Straße und nutzte dabei jede Deckung aus, die sich ihm bot.
Jayden folgte ihm in geduckter Haltung, ihr Lichtschwertgriff in der Hand. Bereit, es sofort zu zünden.
Sie erreichten ungesehen ein ausgebranntes Speederwrack, dass nur wenige Schritte vom Eingang lag und vor sich hin rostete, und gingen in Deckung.
Brian deutete mit seiner freien Hand auf den Gleiter. „Sitzt da wer drin?“
Jayden griff nach der Macht und schüttelte den Kopf.
Brian stieß aus der Deckung vor und lief mit dem Blastergewehr im Anschlag in geduckter Haltung zum Eingang. In einer fließenden Bewegung ging er seitlich zur Tür in Stellung.
Jayden folgte ihm. „Ihr wollt doch nicht durch die Vordertür?“ Sie schaute ihn fragend an, als sie sich hinter Brian an die Wand drückte.
Pax hob die Schultern. „Wir haben keine Zeit, um nach Nebeneingängen zu suchen.“ Er griff an seinen Gürtel und holte einen handgroßen Gegenstand hervor. „Ich spreng die Tür und wir stürmen rein.“
Jayden schüttelte den Kopf. „Zu laut. Wenn sie den Senator im Obergeschoss festhalten, ist er tot, bis wir bei ihm sind. Ich öffne die Tür.“
Brian stieß einen Laut des Bedauerns aus und verstaute den Sprengstoff wieder. „Also gut. Aber bete zu deiner Macht, dass sie nicht im Barraum sind und deine Schneide sehen.“
Jayden lächelte. „Vertraut mir.“ Sie zündete das Lichtschwert und rammte die grüne Klinge in das Schloss.
Ein leises Zischen war zu hören, als sich die Energieklinge durch Metall und Elektronik fraß. Funken sprühten und der Stahl leuchtete hellrot auf, dort, wo sich das Lichtschwert seinen Weg bahnte.
Jayden zog die Waffe heraus und griff nach der Macht. Natürlich hatte sie gespürt, dass der Raum hinter der Tür leer war.
Die Tür glitt lautlos beiseite.
Jayden trat in die Schatten.
Brian folgte ihr.
Sie befanden sich in einem Vorraum, der einst als Garderobe oder Empfang gedient hatte. Bis auf die Notbeleuchtung war hier alles dunkel.
Sie seufzte.
Der Senator war am Leben. Doch er hatte Angst. Todesangst. Er befand sich mit Lya in ihrer Nähe.
Jayden stockte für einen Lidschlag.
Zusammen mit zwei weiteren Humanoiden.
Sie huschten in den Barraum zwischen umgeworfene Tische und Stühle zur Bar.
Jayden folgte dem Pulsieren der Macht, wie einem Weg auf einer Holokarte.
Sie sah über ihre Schulter zu Brian und deutete auf eine Tür, hinter einem ausladenden Tresen. „Dort,“ hauchte sie.
Brian umrundete die Theke und trat durch die Öffnung.
Jayden sprang mit Hilfe der Macht über das Hindernis hinweg und landete lautlos auf der anderen Seite.
Dumpfe Stimmen drangen durch die Tür zu ihnen heraus.
Biran nahm neben der Tür Aufstellung und wandte sich an seine Begleiterin. Er signalisierte ihr mit der freien Hand, dass er die Tür öffnen und zur linken Seite schwenken würde.
Jayden nickte und gab ihm zu verstehen, dass sich vier Personen im Raum aufhielten.
Dann geschah alles im Ablauf weniger Sekunden.
Brian betätigte den Schalter.
Die Tür glitt zischend auf.
Ehe sie vollends geöffnet war, stürmte er hindurch.
Eine Frau mit einem kurzläufigen Blastergewehr bewaffnet fuhr herum und zielte mit der Mündung auf die Tür.
Brian zögerte keine Sekunde und streckte sie mit zwei Schüssen nieder. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ein Zabrak seinen Blaster hob und auf ihn anlegte. Brian wusste, dass er keine Zeit mehr hatte, um zu handeln.
Ein tiefes Summen ertönte und der halbdunkle Innenraum wurde von einem satten, grünen Licht erfüllt.
Jayden war hinter Brian in den Raum gestürmt und hatte den Zabrak sofort bemerkt. Das Blasterfeuer in ihrem Rücken ignorierend, wirbelte sie ihre Klinge durch die Luft.
Der Energiestrahl durchschnitt den Lauf der Waffe und grub sich tief in die Brust des Zabraks.
Dieser stieß einen überraschten Schrei aus und kippte seitlich zu Boden.
Doch Jayden hielt nicht inne.
Lya hatte bei den ersten Schüssen ihren Blaster auf den Senator gerichtet, der gefesselt vor ihr auf dem Boden kniete. Bereit, ihn zu erschießen.
Jayden erkannte sofort, dass sie die Bothanerin nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. Selbst mit Hilfe der Macht. Sie führte mit ihrer linken Hand eine wischende Bewegung zur Seite aus.
Lya wurde von den Füßen gerissen und flog durch das ehemalige Büro. Krachend prallte sie gegen eine Wand und sackte bewusstlos zu Boden.
Jayden deaktivierte ihr Lichtschwert und eilte zu Gath Si’lor. „Seid Ihr verletzt, Senator?“
Der schüttelte den Kopf. „Nur ein paar Kratzer und Beulen. Nichts Ernstes.“
Jayden lächelte erleichtert, als die Anspannung von ihr abfiel. „Ich bin froh, dass ich Euch noch rechtzeitig erreicht habe.“
„Vermutlich nur halb so froh wie ich. Wärt Ihr so freundlich?“ Er hob seine gefesselten Hände.
Jayden durchtrennte die Fesseln.
Senator Si’lor rieb sich die pelzigen Handgelenke und schaute zu seiner Assistentin. „Ist sie tot?“
Brian trat an die Bewusstlose heran, kniete sich neben sie und fühlte ihren Puls. „Sie lebt.“