24 NVC - Cui honorem, honorem

Xine blickte nicht hinauf, in den zugezogenen und wolkengrauen Himmel über ihm. Zweifelsohne spiegelte das Wetter die Stimmung am Boden wieder. Jeder hat seine Robe eng um den Körper geschlungen und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er hatte sich abseits der in schwarz gehüllten Personen gestellt, die ruhig ihre Gedanken austauschten, sich umarmten oder Worte der Zuversicht wechselten und so ihre Form der Trauer nachkamen. Die Angehörigen des Militärs, mit gepflegten fast perfektem Äußeren, kamen makellos ihrer Pflicht nach und taten alles um die Angehörigen und den Umstand wieso sich heute hatten zusammengefunden, zu würdigen. In Mitten der Trauernden wurde ein Loch ausgehoben, zu dessen Seite ein weißes Kreuz stand. Xine war Zeuge seines Versagens und der daraus folgenden Konsequenz geworden, erneut. Das Rothaar vermied es den Blick zu heben, er wusste, dass die Trauernden wussten, dass er wusste, dass sie ihn vernommen hatten und so fühlte er sich trotz seiner Distanz in mitten des Geschehens. Eine Windböe blies dem Jedi entgegen und er hob zwei Finger, die er ruhig zu seiner Kapuze führte um diese tief im Gesicht zu behalten. Nachdenklich vernahm er, dass sie nicht mehr zitterten und die Resignation über diesen Befund keimte.


Es war – für manch einen Anwesenden – wohl ein Frevel, dass die Jedi zur Beerdigung gekommen waren, Xine spürte neben der Trauer die Blicke und die Vorwürfe. Da waren sie nach langer Zeit wieder im Dienste der Republik und schon opferten sie andere statt einen der ihren. Er konnte ihnen diese Empfindungen nicht verübeln, denn er dachte genauso. Die Familie, die in der Nähe des Grabes stand, fixierte er mit seinen kühlen blau-grünen Augen. Eine ältere Dame weinte, hielt sich ein Tuch vor das blasse Gesicht und hatte so zittrige Knie, dass sie beinahe fiel. Ein Mann hielt sie indes im Arm, auch er kämpfte sichtlich mit den Tränen, während er versuchte seiner Frau Trost zu spenden. Ein Junge, nahezu sieben Jahre alt, verstand die Welt nicht mehr und klammerte sich an seine Mutter. Xine spürte diese Eindrücke nicht nur, er erinnerte sich an sie, erinnerte sich an die Konsequenzen von Raxus Prime, Haeldra, Forthan, Empress Teta. An den Moment wo Joelpran Sirkos zu Boden fiel, als er Siralis leblosen Körper fand, als Sarge sich auf Forthan opferte und an die zahlreichen anderen Leben, die verloren gingen weil er sie nahm, indirekt oder direkt. Ein Jedi obsiegte über seine Emotionen, aber er war ein Narr, wenn er glaubte, dass damit eine Schuld verziehen wäre. Ein Narr, wenn er glaubte, dass die Zurückgebliebenen diesen Frieden, den ein Jedi in innerer Harmonie anstrebte, als Grund oder Kontext anerkannten. Das Rothaar erfüllte es mit Kummer, dass er Richter und Henker zugleich wurde und solchen Schmerz erzeugt hatte. In der Hinsicht waren Jedi stumpf. Um sie würde man nicht derartig trauern, was er angesichts der Situation nur zu gut verstehen konnte.


Blasmusik setzte ein, vorgeführt von fünf der Soldaten, und hielt die Anwesenden dazu an die Gespräche einzustellen. Es dauerte nicht lange bis ein weiterer Soldat eine silberne Urne zum Grab trug. Begleitet wurde er von einem Geistlichen, sowie zwei höher dekorierten Offizieren. Ein jener war Lieutnant Sisk, der nach seiner Verletzung mit einer Krücke bestückt war und dennoch ohne Murren, Meckern oder Zögern an das Grab heran trat. Während die Urne behutsam hinabgelassen wurde, ertönte eine Salve Blasterfeuer. Xine zuckte kurz zusammen. Dann noch eine. Xines Augenlider zuckten. Und als die letzte Salve gefeuert wurde, bewegte sich der Jedi keinen Deut. Lieutnant Sisk überreichte die gefaltene Flagge der Republik der Familie und begleitete diese mit Worten des Mitgefühls und Beileids. Ohne Zweifel würde gesagt werden, dass ihre Tochter im Dienste und zum Wohle der Republik ihr Leben ließ, dass sie tapfer war, Respekt und Anerkennung genießen würde. Niemand traute sich zu hinterfragen, ob sie vielleicht Angst gehabt hatte, ob es das Wert war und ob sich in einigen Monaten noch irgendjemand der Befehlshaber darin erinner würde. Es war zu schmerzhaft nachzuhaken, also wurde geschwiegen.


Xine senkte den Kopf in Demut. Die Wahrheit war, dass die Wahrheit niemanden interessierte, denn mittlerweile war allen klar, dass der neu aufflammende Konflikte solche Anlässe fördern würde, dass sie nicht das letzte Mal hier stehen würden und das Opfer nicht aus freien Willen geleistet wurden. Am Zenit des Konfliktes – so dachte Xine – würden Namen schneller fallen als Regentropfen und dann würde sich niemand mit wahrer Demut an ihre Hingabe erinnern. Das war die wahre Heldentat. Sich zu opfern, wenn kein glorreicher Sieg wartete, kein Glockenspiel oder eine Medaille. Sich zu opfern, wenn es um nichts ging, als das Leben von einigen wenigen. Doch auch für Amico galt, was für sie alle noch gelten würde. „Ehre wem Ehre gebührt“.