
Neunundfünfzig Tage, dreiundzwanzig Stunden, neunundfünfzig Minuten und fünfundzwanzig Sekunden, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig.
Eine Angabe, die der Padawan nicht kannte oder nicht mehr kennen konnte. Fast zwei Monate überlebte er schon auf dem Planeten ohne auch nur den Hauch einer Meldung. Ohne eine Information und fast auch ohne Hoffnung.
Hundertfünfundsiebzigtausendzweihundert Stunden war er alt. Eine unvorstellbare Zahl. Sie half nicht weiter. Eine Stunde mehr oder weniger auf die es nicht ankommen würde.
Dreiundzwanzig Uhr wäre es wohl momentan auf Tython, aber ebenso war dies nur eine weitere Zahl, die lediglich darstellte in welcher Ferne sich der Padawan befand.
Zeit stellte für ihn keinen nennenswerten Begriff mehr da. Seine Wahrnehmung der Uhrzeit hatte sich auf Morgens, wenn die Sonne gerade aufgeht, zu mittags, wenn die Sonne ihren Zenit erreicht und abends, wenn die Sonne untergeht, reduziert. Es waren nicht mehr als Denkmuster und Pläne. Morgens aufstehen und die Umgebung prüfen, mittags jagen um Nahrung und Wasser zu haben, abends das Lager kontrollieren und nachts den Wald vermeiden sowie das Lager nicht verlassen. Es hatte sich nämlich nicht gebessert. Das Gefühl beobachtet zu werden. Mittlerweile hatte er sogar das Gefühl gar nicht von einem Jäger verfolgt zu werden sondern von mehreren.
Der Wechsel war schwer und zehrend, denn mit dem Sinken der Erwartung stieg die Länge der Tage. Zuerst war es recht subtil, denn ob man nun im Gefühl eine Stunde länger oder kürzer wartete, war nicht so entscheidend doch vor allem in der Mittagssonne wurde ihm das Konstrukt des Wartens bewusst, er hatte keine Aufgabe, nichts woran er arbeiten konnte also musste er sich etwas zutun geben.
Die Anfänge waren grob und impulsiv. Steine waren gute Werkzeuge, Fallen aber auch Waffen. Mit etwas Feinschliff und Übung, denn Zeit hatte er genug, konnte er sich bestimmt eine formidable Alternative zu den Lichtschwertern schaffen. Seine braune Robe hatte er längst nur noch für das Bett benutzt und seine Tunika war vom Regen des Vortages durchnässt, sie trocknete doch es zwang ihn dazu sich durch das Gestrüpp ohne für den Oberkörper schützende Kleidung zu bewegen. Manchmal verschätze er sich, fiel von einem Baum oder blieb an einem Gebüsch hängen. Es waren alles samt kleinere Wunden doch sie waren wie ein brennendes Knistern.
Mit dem Verlauf der Zeit wurde die Uhrzeit immer weniger interessant, denn er hatte sich Aufgaben zugelegt, einen Plan um nicht zu verkommen. Der Padawan konnte seinen Verstand sehr gut kontrollieren und war dementsprechend weit davon entfernt den selbigen zu verlieren oder jegliche Hoffnung fahren zu lassen. Lediglich das Warten hatte er aufgegeben, denn wozu hätte er es tun sollen? Welchen Zweck sollte es erfüllt haben?
Mit langsamen Schritten ging er durch das Gestrüpp, ein Fuß nach dem Anderen, leise, elegant und mit dem Hauch Anmut bewegte er sich geschickt durch den Weg aus Dreck, Blättern und Ästen. In der Nähe gab es kleine Echsen, die eine Blattform hatten. Es machte sie unheimlich schwer zu sehen doch die Macht war mit ihm und so spürte er ihre Präsenz, wenn er diese auch punktuell konzentrieren musste. Die Faust umfasste den geformten Stein fester, es war nicht mehr sein erster Stein oder seine erste Jagd doch war jeder Moment etwas vollkommen neues. Neue Erfahrungen, neue Eindrücke. Das Töten machte ihm keine Freude, auch nicht die Angst, die die Kreatur bekam wenn ihr ihr Tod klar war. Die Jagd selbst. Das Suchen und Finden war die Herausforderung und trieb ihn an. Vorbereitungen am Morgen und am Abend sollten die Herausforderung machbar gestalten. Die Echse saß still, er wusste, dass er nur Sekunden hätte um zu reagieren und so verharrte er und atmete tief aber leise ein. Die Luft glitt wie die Macht durch die Lungen in den Körper hinein, flutete ihn um die Reaktion zu verbessern, die Augen fokussierten die Beute ehe der Stein mit der Spitzen Seite blitzschnell hinab auf den Kopf der Echse sauste. Treffer.
Durch den Wald ertönte kaum ein Knacken als die Echse von dem Stein am Kopf getroffen, nein regelrecht durchbohrt wurde. Es war eine Mischung aus Quetschen und Bohren.
"Mögest du deinen Frieden in der Macht finden" flüsterte der Padawan. Eine Zeile, die jedes seiner Opfer wiederfuhr. Mit diesen Worten wollte er sich dafür bedanken, für das Mahl und sein Überleben. Tendenziell war ihr Tod, seine Schuld denn hätte er diesen Fehler nicht gemacht, wäre er nicht hier, wäre er nicht hier, müsste er nicht töten. Manchmal, wenn er alleine am Feuer saß musste er daran denken.
Der Padawan schloß die Augen. Es war noch Tag doch er spürte den Verfolger und heute war diese neugieriger zuvor. Die Instinkte des Verfolgers tat er manchmal als seine eigenen ab, doch die Macht verriet ihm immer wieder, dass er es wirklich spürte und nicht nur eine Illusion seines Geistes. Die dreckigen Finger nahmen den Kadaver der Echse auf und banden ihn mit einer Schnurr aus Fetzen seiner Tunika an den Gürtel. Langsam wendete sich der Padawan, die Hand wischte über das verschmutzte Gesicht. Müdigkeit, Erschöpfung und fehlende Hygiene setzten dem Körper wie auch dem Verstand zu.
Gier, Vorsicht, Taktik. Sein Verfolger näherte sich. Der Predator hatte sein Ziel fokussiert und wollte es nicht loslassen doch der Moment des Angriffes war klar, als ob man sein Ziel studierte damit man alle seine Taktiken kennt und entsprechend Handeln kann. Furcht und Respekt besetzten das Hirn. Er musste schnell weg und so begann er rennen, durch den Wald, das Gestrüpp, die Äste und der Jäger war hinter ihm, er spürte den Atemzug im Nacken.
"Au!"
Ein Ast schnitt ritzte sich sachte durch eine Stelle seines Oberarm, nur eine weitere Narbe, wie die auf dem Rücken und am restlichen Oberkörper. Der Schmerz war klein tat dennoch weh und jetzt in diesem Moment konnte er dieses Gefühl nicht abfangen. Ungebremst ging es in den Verstand und erzeugte den Ruf. Wie ein Reflex zuckte er mit dem Arm zurück und preschte weiter vor. Der Wald lichtete sich und man konnte wieder das Rauschen von Wasser hören.
Das Gefühl im Nacken wurde kühler und distanzierte, als Xine mit den Füßen den Sand betrat. Er lief einfach weiter, über den Strand in das Wasser hinein. Beschreiben hätte er es nicht gekonnt. Etwas wie ein Schock hatte ihn erfasst und die Strafe folgte augenblicklich als der junge Padawan das salzige Wasser betrat. Wunden heilen aber auch sie brauchen dafür Zeit. Er schrie auf, ein verstummter, gedrückter Ruf als sich das Wasser seinen Weg über die Haut bahnte und jede Wunde fand, die noch nicht vollständig geschlossen war. Unbarmherzig und aggressiv gab es Impulse des Schmerzes. Die Hand ballte er zur Faust und mit verzerrtem Gesicht zwang der junge Mensch den Körper dazu, dass er sich sofort aus dem Wasser bewegte. Erschöpft und schwer atmend ließ er sich in den Sand fallen.
Was sollte er nur tun? Einfach weiterleben? Es beenden? Suchen? Aufbauen? Es gab so viele Fragen und kein Jedi, kein Meister, der ihm diese beantworten würde. Nur eines war ihm klar. Er musste sich entscheiden. Etwas musste sich ändern.